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LGBTQIA in KasachstanGeldstrafen oder bis zu zehn Tage Haft

Das Unterhaus des Parlaments stimmt für ein Verbot von „LGBTQIA-Propaganda“. Aktivisten sehen darin eine weitere Wendung hin zu Russland.

Weltweit kämpfen Aktivisten für Unterstützung der LGBTQ+-Rechte Foto: Pablo Sanhueza/reuters

Aus Almaty

Nikita Danilin

Die Madschlis, das Unterhaus des kasachischen Parlaments, hat am Mittwoch eine Verfassungsänderung verabschiedet, die sogenannte „LGBTQIA-Propaganda“ verbietet. Der Versuch, ein Gesetz nach russischem Vorbild zu übernehmen, wurde bereits im vergangenen Jahr unternommen, fand jedoch weder in der Gesellschaft noch im Parlament Unterstützung. Laut der Änderung wird „LGBTQI-Propaganda“ als Ordnungswidrigkeit geahndet, was Geldstrafen oder zehn Tage Haft nach sich ziehen kann.

Darüber hinaus setzen sich die Abgeordneten auch für Zensur in den sozialen Medien, Werbung und Filmen ein. Natalia Dementiewa sitzt für die dem Präsidenten Qassym-Schomart Tokajew nahestehende Partei Amanat im Parlament. Vor einigen Wochen erklärte sie gegenüber Journalisten, Videos, die die Idee propagieren, dass LGBTQIA-Beziehungen normal seien, seien mittlerweile auf allen Social-Media-Plattformen zu finden.

„Wenn wir das jetzt nicht stoppen, werden wir an einen Punkt gelangen, an dem es wie im Westen oder anderswo so sein wird: Ein Kind hat bei der Geburt kein Geschlecht mehr, sondern es wird sich sein Geschlecht irgendwann später aussuchen“, sagte Dementiewa.

Eine weitere Abgeordnete derselben Partei, Irina Smirnowa, sagte vor Journalisten, dass gleichgeschlechtliche Propaganda bereits in Kinderbüchern vorkomme, die in kasachischen Bibliotheken zu finden seien. „Ich habe in der Bibliothek Bücher gesehen, die LGBTQIA-Themen behandeln. Ein Prinz verliebt sich in einen anderen Prinzen, zwei Jungen also – und davon finden sich viele Bespiele. Es gibt auch Cartoons, Zeitschriften und Comics, die all das zeigen“, sagte Smirnowa.

Simpel und manipulativ

Zusammen mit Dementiewa und Smirnowa hatten sich 13 weitere Abgeordnete für das Gesetz starkgemacht. Ihre Hauptargumentation lässt sich auf eine recht simple und manipulative These reduzieren: „Wir müssen solche Maßnahmen ergreifen, um Kinder zu schützen.“

Noch ist das Gesetz nicht in Kraft getreten. Der Entwurf wird nun dem Senat zur Prüfung vorgelegt. Sollte das Oberhaus des Parlaments ihn ebenfalls verabschieden, geht er an Präsident Tokajew. Dessen Unterschrift gilt als sicher.

Tokajew hat sich in diesem Jahr bereits zum Thema LGBTQIA geäußert. Er sagte auch, dass internationale Organisationen sich seit Jahren in die inneren Angelegenheiten von Staaten einmischten und diesen sogenannte demokratische Moralvorstellungen, auch in Bezug auf LGBTQIA, aufzwingen wollten.

Im Anschluss an diese Äußerungen widerrief das kasachische Gesundheitsministerium die Ergebnisse einer seiner Studien. Diese hatte nachgewiesen, dass „Schwulenpropaganda“ keinen Einfluss auf junge Menschen hat.

Extremistische Organisation

Diese ganze Rhetorik ähnelt dem, was vor zwölf Jahren in Russland begann – seit 2013 ist dort ein Gesetz in Kraft, das „Propaganda für nicht-traditionelle Beziehungen“ verbietet. Seit November 2023 ist die „Internationale LGBTQIA-Bewegung“ als extremistische Organisation eingestuft.

Die Bemerkungen der Abgeordneten über den negativen Einfluss des Westens und Tokajews Aussage über die „Aufzwingung sogenannter demokratischer Werte“ zeugen von einer klaren Hinwendung Kasachstans zu Russland und zum Konservatismus.

Diese Entwicklung wird auch in der LGBTQIA-Community Kasachstans aufmerksam beobachtet. Eine Woche vor der Verabschiedung des Gesetzes fand im Madschlis in Almaty eine Pressekonferenz statt, auf der Aktivisten gegen die Initiativen der Abgeordneten protestierten.

Diese verstießen ihrer Ansicht nach gegen die Verfassung Kasachstans und schränkten die Grundfreiheiten der Bürger ein. Die Aktivisten betonten, dass in solchen Gesetzentwürfen unschwer russischer Einfluss zu erkennen sei. „Kasachstan sollte diesen Weg nicht einschlagen“, so das Fazit der Teilnehmer der Pressekonferenz.

Die Aktivisten behaupten, das Verbot von „LGBTQIA-Propaganda“ diene nicht dem Schutz von Kindern, sondern verstärke lediglich die gesellschaftliche Kontrolle. Dieses Gesetz werde nicht nur LGBTQIA-Personen betreffen, sondern stelle eine weitere Einschränkung der Meinungsfreiheit dar und stachele zu weiterem Hass gegen eine schutzbedürftige Gruppe auf.

Nun haben Vertreter der LGBTQIA-Community, Menschenrechtsaktivisten und besorgte Bürger eine Online-Kampagne gestartet, um Briefe an das Parlament zu schicken. In den Schreiben fordern sie die Aufhebung des diskriminierenden Gesetzes.

Der Autor war Teilnehmer eines Osteuropa-Workshops der taz Panter Stiftung

Aus dem Russischen Barbara Oertel

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