LGBTQ-Diskriminierung in Japan: Verständnis ja, Konsequenzen nein
Japans Regierung will „Verständnis für LGBTQ“ per Gesetz festschreiben. Ein Passus gegen Diskriminierung geht konservativen Politikern zu weit.
I m Parlamentsgebäude in Tokio versammeln sich die Demonstranten, lassen eine Regenbogenfahne wehen und verlangen mehr Rechte für sexuelle Minderheiten. Soshi Matsuoka verliest Botschaften von LGBTQ-Personen und ihren Familien. Anlass der Proteste ist das Gesetz zur „Förderung des Verständnisses für LGBTQ“. Seit Wochen wird es in Japan heiß diskutiert – und kommt bisher doch nicht zustande.
„Ich wünsche mir, dass die Regierung dem Thema nicht ausweicht, indem sie mit dem Gesetzentwurf herumspielt“, sagt Soshi Matsuoka, Initiator einer Onlinepetition für LGBTQ-Rechte. Das diskutierte Gesetz halten die Protestierenden für viel zu schwach: „Wir wollen kein Gesetz zur Förderung des Verständnisses, sondern ein Antidiskriminierungsgesetz.“
Der parteiübergreifende Gesetzentwurf liegt bereits seit zwei Jahren auf Eis, nachdem sich konservative Mitglieder von Japans Regierungspartei LDP gegen den darin enthaltenen Satz „Diskriminierung wird nicht erlaubt“ gewehrt hatten. Die vage Definition von „inakzeptabler Diskriminierung“ in dem Gesetz würde „die Gesellschaft verwirren“, behaupteten sie.
Doch im Februar sah sich die LDP gezwungen, den Entwurf aus der Versenkung zu holen, nachdem ein Mitarbeiter von Premier Fumio Kishida üble Beleidigungen ausgestoßen hatte: „Ich möchte nicht neben LGBTQ-Menschen wohnen“, schimpfte Masayoshi Arai: „Viele Japaner würden ihr Land verlassen, wenn Ehen für diese Leute zugelassen werden.“ Regierungschef Kishida feuerte Arai, um den Schaden zu begrenzen.
Kishida will Verbot der Homo-Ehe behalten
„Ich habe LGBTQ-Leute getroffen und war von ihren ernsthaften Gefühlen berührt“, sagte Kishida im Parlament und beauftragte die Ministerin für Frauenermächtigung, sich künftig für die Anliegen der LGBTQ-Community einzusetzen. Doch am Verbot der Homo-Ehe wollte Kishida nicht rütteln. Es sei keine ungerechte Diskriminierung, wenn der Staat die Heirat von gleichgeschlechtlichen Paaren verweigere, betonte er.
Auf diese Weise will der Premier wohl seine eigene Partei davon überzeugen, wenigstens das „Verständnis“-Gesetz zu unterstützen. Aber wenige LDP-Politiker leisten ihm Schützenhilfe, gerade die Rechten in der LDP wollen für sexuelle Minderheiten keine Partei ergreifen.
Nun setzen die Befürworter des Gesetzes an einer anderen Stelle an: Japan drohe eine internationale Blamage, wenn das Gesetz nicht vor dem G7-Gipfel Mitte Mai in Hiroshima verabschiedet werde. Denn beim letzten G7-Gipfel auf Schloss Elmau hatten sich alle Teilnehmer einschließlich Japan zum Schutz der Rechte von LGBTQ verpflichtet. Japanische Anwälte und Experten verlangen daher eine eindeutige juristische Formulierung gegen Diskriminierung in dem Gesetzentwurf.
Selbst der Chef der buddhistischen Komei-Partei, die mit der LDP die Regierungskoalition bildet, fordert eine schnelle Verabschiedung. „Japan ist das einzige G7-Land, das keine Gesetzgebung für die LGBTQ-Community hat“, kritisiert er. „Es ist peinlich für Japan als G7-Vorsitzender, dass die LDP das Gesetz nicht in Kraft treten lassen will.“
Pride 7 – Gipfel in Tokio
Eine Gruppe von Organisationen für mehr LGBTQ-Rechte übergab der Regierung Ende Februar eine Petition, wonach das Schicksal von sexuellen Minderheiten auf dem G7-Gipfel diskutiert werden solle. Dreizehn Unternehmen unterschrieben, darunter Coca-Cola Japan.
In Tokio organisieren Aktivisten einen „Pride 7“-Gipfel und fordern internationale Gesetze zur Chancengleichheit und zum Schutz vor Diskriminierung und Gewalt. In Japan würden diskriminierende Äußerungen gegen LGBTQ oft unbewusst gemacht, sagt LDP-Politikchefin Tomomi Inada auf dem Gipfel. Ihre Partei arbeite hart daran, den Gesetzentwurf noch vor dem Gipfeltreffen zu verabschieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“