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LGBT in Russland„Amoralisch und krank“

Eine Lehrerin in St.Petersburg wird gefeuert, weil sie Lesbe ist. Eine NGO meint: Die Zahl der Übergriffe auf Homosexuelle wächst.

Mit einem Bein im Knast: Teilnehmer der St.Petersburger Gay Pride im Juni 2013. Bild: dpa

BERLIN taz | In St. Petersburg ist eine lesbische Lehrerin wegen ihrer sexuellen Orientierung gefeuert worden. Oder, wie es offiziell zur Begründung heißt: wegen eines unmoralischen Vergehens. Laut eines Berichtes des russischen Nachrichtenportals Meduza sei Anastassija (Name geändert), die drei Jahre an der Schule Nr. 565 geistig und körperlich behinderte Kinder in Musik unterrichtet hatte, bereits Anfang Dezember vom Schuldirektor und einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung dazu aufgefordert worden, selbst um ihre Entlassung zu bitten.

Dem vorausgegangen war ein Brief des selbsternannten Anti-Schwulen-Aktivisten Timur Isajew, den er nicht nur an den Schuldirektor schickte, sondern auch noch über das Internet verbreitete. „Bei Ihnen arbeitet eine Frau, die krank ist und psychatrisch von der Norm einer Lehrerin abweicht“, schreibt Isajew, der sich übrigens damit brüstet, russlandweit bereits die schulische Laufbahn von 29 homosexuellen Lehrern und Lehrerinnen beendet zu haben.

„Die Lehrerin outet sich in den sozialen Netzwerken als amoralische Lesbe, die mit einer genauso kranken Frau zusammenlebt. Wir bitten Sie nachdrücklich, die Frau wegen beruflicher Ungeeignetheit zu entlassen“, so Isajew, der in diesem Zusammenhang auch auf das Gesetz gegen sogenannte „Homo-Propaganda“ verweist.

Besagtes Gesetz trat im Juni des vergangenen Jahres in Kraft. Es stellt positive Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien wie das Internet unter Strafe. Bei Zuwiderhandlungen drohen hohe Geldstrafen. Das Gesetz schließt auch Ausländer mit ein, die nach Russland reisen, um Kundgebungen von Homosexuellen zu unterstützen.

Versagen beim Schutz der Opfer

Eben diese Vorschrift macht die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) für eine wachsende Zahl von Übergriffen auf Angehörige der LGBT-Community in Russland verantwortlich. „Das Gesetz legalisiert die Diskriminierung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern und macht sie zu Bürgern zweiter Klasse“, heißt es in dem Bericht „Lizenz zum Verletzen: Gewalt und Übergriffe gegen LGBT-Menschen und Aktivisten in Russland“, den HRW in dieser Woche vorlegte. Darin berichten Vertreter dieser Personengruppe aus 16 russischen Städten von alltäglichen gewaltätigen Angriffen, Entführungen und Erniedrigungen.

„Die Gewalt, der LGBT-Menschen in Russland ausgesetzt sind, ist zweifelos durch Homophobie motiviert. Die Behörden ignorieren, dass es sich hierbei um Hate-Crimes handelt und versagen dabei, die Opfer zu schützen“, sagt Tanya Cooper, Russland-Spezialistin bei HRW. „Die russischen Behörden müssen homophobe Gewakt effektiv verfolgen und aufhören, Anti-LGBT-Diskriminierung zu tolerieren.“

Anastassija hat sich übrigens entschlossen, für ihre Wiedereinstellung zu kämpfen. Nach Angaben von Ksenia Kirischenko, eine Anwältin der St.Petersburger LGBT-Aktivistengruppe Wychod (Ausweg) will sie wegen unrechtmäßiger Entlassung und Diskriminierung vor Gericht ziehen.

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6 Kommentare

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  • Man darf diese Frage nicht ohne die Meinung der Schulleitung, der Eltern und der Kinder lösen. Diese sind ja die Hauptbetroffenen. Die Anstellung der Lehrerin sollte deshalb davon abhängig gemacht werden, ob Schulleitung, Eltern und Kinder bereit sind, dass eine lesbische Lehrerin unterrichtet.

     

    Das wäre ein demokratischer Entscheid, der den Interessen aller Betroffenen angemessen Rechnung trägt.

  • @Micha Mille: Ich teile ihren Eindruck. Leider ist die Frage auch: Was geht es eigentlich wildfremde Leute an, was eine Lehrerin in einem sozialen Netzwerk macht? Wie sie ihr Privatleben gestaltet? Wieso muss man doch offensichtlich "unauffälligen" Leuten (ansonsten hätte man sie gar nicht erst eingestellt) hinterherspionieren? Wieso hat "die Öffentlichkeit" "ein Recht" darauf, alles Mögliche über die Privat- und Intimsphäre dieser Lehrerin zu erfahren? Im Unterricht hatte sie doch offensichtlich nicht über ihr Lesbischsein gesprochen (ist ja im Musikunterricht auch nicht gerade Thema Nr. 1). Nein, "man" musste es "aufdecken". Müssen demnächst auch heterosexuelle Lehrer in Russland befürchten, dass man ihre sexuellen Gewohnheiten daraufhin kontrolliert, ob sie "geeignet" sind, damit sie unterrichten dürfen? Aber was jammern wir über den "bösen Osten" und Putin. So wie ich irgendwo gelesen habe, soll in manchen us-amerikanischen Bundesstatten Homosexualität ebenfalls ein "Kündigungsgrund" sein und das nicht nur für Lehrer. Das rückt das Outing des Apple-CEO Tim Cook, das hierzulande manche "übertrieben" und "pathetisch" fanden, doch in ein ganz neues Licht. Drücken wir also Nastja die Daumen, dass sie bald wieder unterrichten kann. Arbeitslos in Russland zu sein ist ja auch nicht so toll...

  • Irgendwie bekomme ich den Eindruck, dass in großen Teilen der Welt solche Dinge wie "Leben und leben lassen" immer mehr in den Hintergrund gedrängt werden bzw. verkommen. Hat das wohl mit dem einsetzenden Kampf um die letzten Ressourcen zu tun? Traurig...

  • Ich finde es schlimm und traurig, daß in Rußland große Teile der Bevölkerung in Eintracht mit der orthodoxen Kirche nicht nur die Homosexualität strikt ablehnen, sondern daß dies auch in ein Gesetz gegossen wurde. Da ist es keine Entschuldigung, daß die Bevölkerung auch anderer osteuropäischer (katholischer) Länder homophob ist, von den Zuständen in islamischen Ländern mal ganz zu schweigen, wo Homosexuelle regelmäßig weggesperrt oder sogar mit der Todesstrafe bedroht werden.

    • @Der_Peter:

      stimmt - das ist absolut keine Entschuldigung für Putins menschenverachtende Politik

    • @Der_Peter:

      dabei ist doch putin so ein lieber,beliebt bei den so klugen jungs und mädels sowohl von pegida,friedenswinter,afd, die linke