das portrait
: Tomasz Kitliński kämpft gegen LGBT-Hetze in Polen

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Dass Pflastersteine fliegen, Flaschen, faule Tomaten oder Eier, kennt der Lubliner Professor und Aktivist Tomasz Kitliński schon von anderen Gay-Paraden in Polen. „Aber über das, was am letzten Samstag in Białystok passierte, bin ich völlig entsetzt!“, sagt der 54-jährige Philosoph. „Die Polizei schützte die friedlich Demonstrierenden nicht vor den Prügel-, Tret- und Spuckattacken der Rechten. Ich war dieses Mal nicht dabei, aber viele meiner Freunde.“ Seit Jarosław Kaczyński, Parteichef der regierenden Nationalpopulisten, in einer Wahlkampfrede hetzte: „Die LGBT- und Gender-Bewegung bedrohen unsere Identität, unser Volk und unseren polnischen Staat“, vergeht kaum eine Woche, in der PiS-nahe Medien nicht über „Perverse, Päderasten, Huren und Arschficker“ schimpfen.

„Ich hätte nie gedacht, dass der Hass uns gegenüber solche Formen annehmen könnte. Letztens wurde ich öffentlich als ‚linker Untermensch‘ attackiert, den man am besten in einem Schweinestall, einem Kanal oder auf einem Misthaufen entsorgen sollte.“ Kitliński macht eine Pause, atmet tief durch: „Ich hatte noch nie in Polen so eine Angst. Ganze Städte und Regionen erklären sich ‚LGBT-frei‘, so wie die Nazis früher Orte als ‚judenfrei‘ erklärten. In Bialłstok wurden viele von uns verletzt. Dass niemand zu Tode gekommen ist, ist allein dem Zufall geschuldet.“

Dabei nahm die gesellschaftliche Akzeptanz von Schwulen und Lesben in den vergangenen Jahren stetig zu. Nicht nur in Warschau, auch in kleineren Städten fanden Gay-Paraden statt. „Ohne die Brandrede Kaczyńskis, ohne die katholische Kirche, die den Hass befeuert, hätten wir heute nicht diese Pogromstimmung.“

An der Marie-Skłodowska-Curie-Universität in Lublin hat Kitliński einen Sieg gegen die Hetzer errungen. Im zweiten Anlauf hat er seine zunächst „wegen Homosexualität“ verweigerte Habilitation doch noch erhalten. „Ich sollte über den grölenden Nationalisten und Homophoben stehen. Aber ich fühle mich von meinem Staat im Stich gelassen und erniedrigt.“ Gabriele Lesser