Kurzfilmtage Oberhausen: Die verdammten Wassermelonen
Manche Filme kommen wieder: Die Reihe „Übersehene Filme“ in Oberhausen zeigt einen Film von 1966 über die Segregation in den USA.
Oh Dem Watermelons“ – Robert Nelson lässt die vermaledeiten Früchte nach allen Regeln der Kunst malträtieren: Ritsch, ratsch, wird das flaschengrün umfasste, saftig pinke Fruchtfleisch mit Schlittschuhkufen zerteilt, von einer Baumaschine zerquetscht und mit Baseballschläger zertrümmert; später sollen jene, die das baseballförmige Gewächs vor sich herkicken, von ihm selbst wieder eingeholt werden. Selbst bergauf rollen die verdammten Wassermelonen.
Der dada-fiebrige Sog, mit dem Nelsons elfminütiger Film das Lebensmittel gewordene Stereotyp inszeniert und collagiert, wirkt auch fast 60 Jahre später nach (die Segregation in den USA war damals gerade zwei Jahre Geschichte). 1966 hatte das Werk des US-amerikanischen Filmemacher auf den Kurzfilmtagen Oberhausen als erster Film überhaupt den „Preis für den verkannten Film“ erhalten – keinen Jury-Preis also, weshalb er jetzt nochmals in der Reihe „Übersehene Filme“ läuft.
Manche Filme kommen wieder. Das ist ein schwacher Trost, aber immerhin, denn im Gegensatz zu anderen Festivals werden die einzelnen Beiträge aus den verschiedenen Sektionen in Oberhausen nur einmal gezeigt, keine Wiederholung. Man kann also bestenfalls darauf setzen, dass manche von ihnen nochmals zu einem anderen Zeitpunkt auftauchen. Mit einer Auszeichnung im Wettbewerb wäre das wahrscheinlicher.
Unverhoffter sozialer Kontakt
Am zweiten Festivaltag fiel zum Beispiel „Spring 23“ auf: Eine lakonisch erzählte Geschichte über einen jungen Mann, seine verzweifelte Suche nach Feuerwerkskörpern, Corona und wohl auch Einsamkeit. Man habe ein ambivalentes Verhältnis zu Autoritäten, sagt Wang Zhiyi, der alle Filme gemeinsam mit einem Freund entwickelt und produziert: Einerseits bevormundend, böten sie andererseits auch eine seltsame Art von elterlicher Fürsorge und Sicherheit.
In der Tat: Stellen die herbeieilenden Gesetzeshüter, die am Schluss ein wenig ratlos dem Protagonisten beim illegalen Abfeuern der Knallkörper zusehen, nicht auf bittere Weise tatsächlich eine Art von unverhofftem sozialen Kontakt zum Protagonisten her? Ganz lassen sich die kulturellen Feinheiten und sprachlichen Spezifika nicht übersetzen. Aber Zhiyi schafft, was sich unter der Formel „the more local, the more universal“ zusammenfassen lässt.
Rabiate Bildaneignung
Sprachkenntnisse wären sicherlich für Maya Zacks Film „Decryption“ hilfreich, in dem die Künstlerin unter anderem das hebräische Alphabet heranzieht, um sich ein wörtliches Bild von ihrer Mutter zu machen. Die tiefgreifende, einsame Erfahrung einer Annäherung an einen womöglich ultimativ fremd gebliebenen Elternteil vermittelt Zack aber gerade in den Lücken, die zwischen Bild, Text, Gesprächen und rabiater Bildaneignung mit dem Cuttermesser aufreißen.
Auf der Suche nach einer universellen (Film-)Sprache kommt man dann vielleicht auch wieder auf den Hund (wie zuvor bei einer Rebhuhnjagd), oder im Falle von Dzhovani Gospodinov aufs Wildschwein. Der luxemburgische Filmemacher hat Kameras im Wald aufgestellt und daraus eine gut siebenminütige Sequenz gesetzt, die größtenteils in der Nacht spielt: Zum Gedicht aus dem Off eilen Mäuse unter den schützenden Baumstamm, kratzen sich Wildschweine die Borsten am Baum und geht ein Uhu auf die Jagd. Die „Ahhs“ und „Ohhs“ im Saal bezeugen und legen nahe, dass man ihnen wohl noch länger hätte zuschauen können.
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