Kurdisches Filmfestival Berlin: Mehr als Yılmaz Güney
Für viele kurdische Frauen ist Emanzipation nicht vom bewaffneten Kampf zu trennen. Weshalb das so ist zeigen kurdische Filmemacher*innen.
Für Rojen, eine der zwei Protagonistinnen von „Gülistan, Land of Roses“, ist das Machtverhältnis zwischen Mann und Frau klar definierbar: Keine verheiratete Frau ist glücklich, weil sie ein für Sklaverei bestimmtes Leben führt.
Deshalb kämpfen die Frauenguerillas nicht nur gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ (IS), sondern auch gegen die patriarchalen Strukturen in ihrer eigenen Gesellschaft. Der Krieg gegen die Inkarnation des Patriarchats namens IS werden in dem Dokumentarfilm von Regisseurin Zaynê Akyol durch spannungsvolle Momente an den Fronten greifbar gemacht.
Während sich die Befreiung der Frauen in Europa hauptsächlich auf einen Kampf um strukturelle Veränderungen konzentriert, greifen die PKK-Kämpferinnen zur Waffe, um gegen die Versklavung der Frauen durch den IS vorzugehen.
„Für Sozdar ist die Frau die fundamentale moralische Kraft, daher hat das kapitalistische System, die Verkörperung der Unsittlichkeit, keinen Grund sich auf sie zu verlassen.“ Daher soll es zuerst auf sie zielen: „Schlage die Frau, um die Leute zu schlagen und sie zu zerstören.“ Die Regisseurin begleitet eine Einheit der Frauenguerillas, und führt intensive Gespräche mit ihren Protagonistinnen über Begrifflichkeiten wie Freiheit und Tod, die ihre Alltagsrealität und überraschende Zuversicht in dieser äußerst gefährlichen Lebenssituation bebildern.
studiert Online-Journalismus an der TH Köln und setzt sich für Gleichberechtigung der Geschlechter ein. Sie ist in Antalya geboren und wohnt seit 2009 in Deutschland.
Von Emanzipation bis Putsch
Spielfilme, Dokumentationen, Podiumsdiskussionen, ein Workshop und eine Abschlussparty: Das Kurdische Filmfestival im Babylon-Mitte soll eine Begegnungsstätte für das Berliner Publikum und die kurdischen Filmemacher*innen sein. Das Ziel des Festivals sei ein Programm zusammenzustellen, das die Diversität der kurdischen Gesellschaft und die aktuelle politische Situation der Kurd*innen widerspiegelt.
Im Rahmenprogramm sollen die Missstände, welche die Filmemacher*innen in ihren Filmen thematisieren, intensiv diskutiert und nachvollziehbar gemacht werden.
Die zentralen Motive der ausgewählten Filme sind die kurdischen Guerilla-Bewegungen, Emanzipation der kurdischen Frauen und die politische Situation in der Türkei – etwa der Militärputsch von 1980 und seine weitreichenden Folgen. Insgesamt ergibt sich das Bild eines Volkes auf der Suche nach der Freiheit, und im ständigen Widerstand gegen Willkür und Repressionen.
Vankatzenzüchter und Armenier*innen
Der Spielfilm „Folge Meiner Stimme“ von Hüseyin Karabey etwa erzählt von der kleinen Jiyan, die in einem abgelegenen kurdischen Bergdorf lebt und sich um ihren Vater sorgt, der als vermeintlicher Freischärler von türkischen Polizeikräften festgenommen wurde. Er soll seine Waffe abgeben. Daraufhin muss Jiyans Großmutter Berfe sich auf die Suche nach der Waffe machen, die der Vater nie besessen hat.
„Am liebsten sollten wir die Katzen fragen, wem sie sich zugehörig fühlen,“ so der „Lehrer“ aus dem Dokumentarfilm „Die Anderen“ von der Regisseurin Ayşe Polat. Der Film dreht sich um die Van-Katze, eine Besonderheit der Stadt Van in der kurdischen Region der Türkei, dessen Zugehörigkeit, genauso wie die der Stadt, umstritten bleibt: Gehört sie Türk*innen, Kurd*innen oder Armenier*innen?
In der bis zum armenischen Genozid 1915 stark von Armenier*innen bevölkerten Stadt sind die über hundert Jahre alten Spannungen heute noch zu spüren. Dabei existieren Armenier*innen in dieser Stadt nur noch in den tief betrübenden Erzählungen. Während Polats Film außergewöhnliche Berufsgruppen wie Vankatzenzüchter und Schatzjäger begleitet, werden den Zuschauer*innen historische Ereignisse näher gebracht, die von Gewalt und Polarisierung geprägt sind.
Fehlende Plattform
Das kurdische Filmfestival in Berlin wurde 2002 ins Leben gerufen mit der Idee, kurdische Kultur und Filmschaffende in den Fokus zu rücken.
„Die kurdische Filmkultur ist im Vergleich zur iranischen noch sehr jung und unbekannt. Zwar kennt man Yılmaz Güney, aber es fehlte eine Plattform für die vielen kurdischen Künstler*innen, um ihre Filme einem politisch interessierten sowie Arthouse affinen Publikum vorzustellen. Die Kurdische Gemeinde spricht von einem Zuwachs von etwa 150.000 schutzsuchender Kurd*innen in Deutschland seit 2013. Das macht diese Edition besonders wichtig,“ so Janna Heine, Pressesprecherin des Veranstalters Mîtosfilm. Zurzeit leben circa 50.000 Kurd*innen in Berlin.
Bei der Podiumsdiskussion „Von Yılmaz Güney bis heute – die Suche nach kurdischer Identität auf der Leinwand“ werden am Samstag Hüseyin Tabak (Regisseur), Ali Güler (Filmjournalist) und Eyüp Burç (Journalist und TV-Redakteur) referieren. Am selben Tag wird die deutsch-kurdische Filmemacherin Ayşe Polat ihren Workshop zum Thema „Das Dokumentarische im Spielfilm, das Szenische im Dokumentarfilm“ leiten.
Um das Filmschaffen im Krieg dreht sich die zweite Podiumsdiskussion am 18.6., wo unter anderen Ayoob Ramadan, Kulturminister Behdinan von der irakischen autonomen Region Kurdistan, referieren wird.
Kurdisches Filmfestival Berlin: 15. bis 21. 6. im Kino Babylon Mitte. www.kurdischesfilmfestival.de
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