Kurden beenden ihren Hungerstreik: Isolationshaft etwas gelockert
Rund 700 Gefangene folgen einem Aufruf des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan und brechen ihre Aktion nach 68 Tagen ab. Das Ziel des Widerstandes sei erreicht.
ISTANBUL taz | Ein Aufruf des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan machte es möglich: Rund 700 kurdische Gefangene und ihre UnterstützerInnen außerhalb der Knäste beendeten Sonntag ihren Hungerstreik. Sowohl die legale kurdische Oppositionspartei BDP als auch die türkische Regierung gaben sich erleichtert. „Wir sind glücklich, dass der Hungerstreik ohne Tote beendet wurde“, sagte gestern die BDP-Abgeordnete aus Van Aysel Tugluk am Sonntag.
Fast wortgleich kommentierte auch Vize-Ministerpräsident Bülent Arinc: „Ich bin glücklich, dass der Hungerstreik beendet wurde. Ich bedanke mich bei den Gefangenen für ihren Entschluss“. Staatliche Gesundheitsteams wurden am Sonntag in alle 66 Gefängnisse geschickt, in denen Gefangene sich an der Aktion beteiligt hatten.
Das überraschende Ende des 68-tägigen und damit längsten Hungerstreiks in der jüngeren türkischen Geschichte hatte sich am Samstagabend angedeutet, als Mehmet Öcalan, der jüngere Bruder des auf der Gefängnisinsel Imrali festgehaltenen PKK-Chefs und Kurdenführers Abdullah Öcalan, von einem Besuch bei seinem Bruder zurückkehrte. Monatelang war Öcalan von der Außenwelt isoliert worden, seit 15 Monaten dürfen ihn seine Anwälte nicht mehr aufsuchen. Doch am Samstag erhielt Mehmet Öcalan die Erlaubnis. Nach seiner Rückkehr sagte er, sein Bruder wünsche, dass der Hungerstreik beendet werde.
Aufhebung der Isolation
Danach ging es dann ganz schnell. Selahattin Demirtas, Ko-Chef der BDP, twitterte, er unterstütze den Aufruf Öcalans und fordere nun ebenfalls alle Hungerstreikenden auf, ihre Aktion zu beenden. „Die BDP“, so Demirtas, „hat den Besuch von Mehmet Öcalan auf Imrali unterstützt. Wir hoffen, dass in Zukunft die Isolation von Öcalan nun gänzlich aufgehoben wird“.
Eben die Aufhebung der Isolation des Kurdenführers Öcalans war eine der Hauptforderungen der Hungerstreikenden gewesen. Anscheinend hat es hinter den Kulissen Gespräche der Regierung mit Öcalan gegeben, denn auf eine Frage im Nachrichtensender NTV, sagte Bülent Arinc: „Eine Verlegung von Öcalan in einen Hausarrest – das ist das eigentliche Ziel für die kurdische Bewegung im Moment – sei nur denkbar im Rahmen eines größeren Prozesses. Dieser muss damit beginnen, dass die PKK vollständig ihre Waffen niederlegt“. Arinc sagte, er hoffe, dass nun die Diskussion über die Niederlegung der Waffen beginne.
In einer bemerkenswerten Erklärung des Führungskomitees der kurdischen zivilgesellschaftlichen Sammlungsbewegung KCK hieß es: „Der Widerstand hat sein Ziel erreicht. Öcalan hat erneut seinen Willen zu einer politischen Lösung bekundet. Mit seinem Aufruf wurde der Hungerstreik in Würde beendet. Der Hungerstreik hat die Öffentlichkeit sensibilisiert und die kurdische Frage erneut auf die Tagesordnung gesetzt“. Der Hungerstreik sei kein Todesfasten gewesen, sondern hätte zum Ziel gehabt, Öffentlichkeit in der Türkei sowie im Ausland herzustellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag