Kuratorischer Fehlschlag: Von der Wolfsschanze nach Fuxholzen

Das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover zeigt „Fix und Foxi“ , wie es deren Fans freut und dem Comic-Unternehmer Rolf Kauka gefallen hätte

In Fuxholzen herrschte stets Nachkrieg. Also Frieden Foto: (Your Family Entertainment)

HANNOVER taz | Eine merkwürdige Zeit müssen die 1950er gewesen sein, das belegt die Fix-und-Foxi-Ausstellung des Wilhelm-Busch-Museums Hannover. Der Boden damals: brüchig wie dünnes Eis. Mal haben ihn Maulwürfe untergraben, mal ist der Kanaldeckel beiseite geschoben, mal eine mit Blättern bedeckte Grube ausgehoben – stets tun sich Abgründe auf. In die fällt dann Lupo rein. Und dann ist das komisch. Außerdem traf man oft unverhofft auf Öfen, in denen etwas durch Unachtsamkeit verbrannte, ganz ohne Absicht.

So ein Ofen steht auch im Labor der Fabrik Kauka-Produktion. Zu sehen ist das im Comic „Fix führt durch das Studio“, dessen Originale zu den Höhepunkten der hannoverschen Ausstellung zählen. Handlung: Fritz, ein Leser der Stunde null und Mitglied des Fix-und-Foxi-Klubs, darf das ganze Werk besichtigen, Fix zeigt es ihm. Im Keller stehen die zwei dann – vor einem Ofen: Ein Meister mit Schürze reißt dessen Klappe auf und zieht eine Bäckerschippe verkohlter Figuren aus dem Feuer: „O Schreck – alle verbrannt!“, ruft er. Ja, alle verbrannt: Fix und Fritz nehmen Reißaus, und der Meister schleudert ihnen die verkohlten Opfer an den Kopf: „Daran seid ihr schuld“, ruft er, dabei wussten sie von nichts.

Wie gesagt, es war eine merkwürdige Zeit. Zum Seltsamsten gehört, dass die Comic-Strips aus dem Hause Rolf Kauka regelmäßig mit solchen Abstürzen und Ausbrüchen zu Ende gehen, und zum Lachen gereizt haben: zum erlösenden Lachen, dank Fix und Foxi und Lupo modern und wie die Heftchen hießen.

Die „Fix führt durch das Studio“-Story ist im Magazin Fix und Foxi erschienen, dem langlebigsten Kauka-Titel; im Jahrgang 3, also 1956. Elegant sind die Blauzeichnungen dieser Geschichte: kaum Korrekturen, klare Perspektiven, ruhige Linien. Diesen sorgfältig gerahmten zehn Seiten begegnet man gleich zu Beginn der Ausstellung, die den vollmundigen Untertitel „Rolf Kaukas großer Welterfolg“ trägt: Richtig durchsetzen konnten sich die Fuchs-Jungen, deren Gestaltung als eineiige Zwillinge ein gutes Gespür für die mediumsspezifische Komik des gleichen Paars belegt, außer in Deutschland nur in Österreich. Kauka erschloss sich ausländische Märkte planmäßig ebenso wenig wie das Cartoonistenhandwerk. Aber, nein, „zeichnen konnte er nicht“, hat der langjährige Lupo-Modern-Chefredakteur Peter Wiechmann kürzlich im Bayerischen Rundfunk klargestellt. So stammen die schönen Blätter aus den 1950ern wahrscheinlich – das Deutsche Museum für Karikatur und Zeichenkunst hat die Zuordnung nicht geklärt und auch der Katalog hilft nicht weiter – aus der Feder von Werner Hierl.

Die eine lukrative Idee

Rolf Kaukas Verdienst ist es, bewiesen zu haben, dass man sich mit Comics aus Deutschland dumm und dämlich verdienen kann, auch ohne grafisches Talent, Sprachwitz oder Fantasie: Kaukas Einfallsreichtum beschränkt sich auf die eine, sehr lukrative Idee, eigene Zeichenknechte franko-belgische und US-amerikanische Erfolge haarscharf unterhalb der Plagiatsschwelle imitieren zu lassen, also ungefähr wie Aldi Dr. Oetkers Pudding. Dennoch ist Kauka wichtig für die Comic-Geschichte in Deutschland. Es war an der Zeit, ihm hier eine erste monografische Ausstellung zu widmen, was das hannoversche Museum jetzt tut.

Aber wie, das ist eine andere Frage. Sinnvoll wäre es sicher, die Debatte über den Stellenwert von Fix und Foxi für Nachkriegsdeutschland bis zum Nato-Doppelbeschluss zu eröffnen, die Bedingungen ihres wirtschaftlichen Erfolgs oder den zeitlichen Kontext dieser Comic zu rekonstruieren – es gäbe viel zu erforschen. Und dafür gibt es ja Museen.

Doch während der lesenswerte Katalog wenigstens wichtige Fragen aufwirft, belässt es die Präsentation bei den schönen Seiten: Man zeigt vor, was unter Kaukas Namen Tolles produziert wurde. Statt die Ausbeutung all jener KünstlerInnen zu problematisieren, die Kauka um ihr Urheberrecht gebracht hat, freut sich Museumsdirektorin Gisela Vetter-Liebenow über das „Glück, dass der umfangreiche Nachlass von Rolf Kauka diese Möglichkeit eröffnet hat“. Dabei ist dessen Umfang ja eine Spätfolge dieses Coups.

Nur weil Kauka sich alle Ansprüche auf geradezu sittenwidrige Weise gesichert hat, haben seine Testamentsbegünstigten diese Arbeiten en bloc inklusive aller Namensrechte an Porsche-Erbe Stefan Piëch verticken können, einen Medienunternehmer. Dankbar greift die Ausstellung nun auf dessen Fundus zurück und bedient dabei dessen Interesse, die veralteten Fuchszwillingsfiguren wieder populär zu machen.

Seit 2014 betreibt Piëch nämlich einen Pay-TV-Sender, der Fix und Foxi heißt. Dass es den heute gebe, „wäre Rolf Kauka sicher eine große Freude“, darf sich der Vorstandsvorsitzende der Your Family Entertainment AG im Katalog dann als wahren Nachfolger des im April 1917 in Markranstädt geborenen Verlegers inszenieren. Zur Strafe beschallen eher zweifelhafte Trickfilme aus dem Piëch-Programm die Ausstellung in Dauerschleife: Kopfhörer kennt man in Hannover leider nicht.

Dass sich Kauka darüber gefreut hätte, ist aber glaubwürdig. Und zufriedengestellt hätte den Patriarchen wohl auch, dass Direktorin Vetter-Liebenow seine Selbstinszenierung fortschreibt, nach der es die Lebensleistung des im September 2000 Gestorbenen gewesen sei, „den Comic aus der Schmuddelecke geholt zu haben“. Mit gleichem Recht ließe sich das Gegenteil behaupten. In beiden Fällen wäre es aber unerlässlich gewesen, die Ecken, in denen sich Kauka rumgedrückt hat, auszuleuchten.

Innige Verflechtung

Aufzudröseln gewesen wäre seine Verflechtung mit dem Pabel-Verlag, der damals begann, sich durch die Landser-Hefte als Fachverlag für Revanchismus einen Namen zu machen. Und es ist völlig ungenügend, über den Protagonisten einer Ausstellung nur zu behaupten, er hätte den Zweiten Weltkrieg „überlebt“: Selbst durch oberflächliche Recherche hätte man herausfinden müssen, dass Oberleutnant Kauka als Mitglied des in Hamburg beheimateten Flak-Regiments 6 beim Überleben auch mindestens acht heroische Taten vollbracht hat: Das war Voraussetzung für die Verleihung des „Deutschen Kreuzes in Gold“. Kauka bekam es am 27. Juni 1944. Er war damals je nach Abteilung entweder in Witebsk oder – das würde zur späteren Rekrutierung etlicher jugoslawischer Zeichner passen – auf dem Balkan stationiert.

Noch weniger erhellt wird das Umfeld, das sich Kauka in München ab 1945 für sein verlegerisches Tun schafft: Dabei wäre das vielschichtig, weil dazu brave Gewerkschafter wie der bayerische Innenminister Josef Seifried (SPD) und markante Gestalten wie der aus dem Exil heimgekehrte Schwulenrechtler und Schriftsteller Harry Schulze-Wilde gehört haben. Oder Dr. Norbert Pohl.

Der wird in Ausstellung und Katalog als Kaukas „Freund“ eingeführt. Mit ihm hat Kauka Ende der 1940er die Reihe „Elemente der Rechtswissenschaft“ herausgegeben. Pohl hatte zuvor – haben taz-Recherchen ergeben – Erfahrung gesammelt, etwa als Chefrichter des SS- und Polizeigerichts Krakau. Als Theoretiker plädierte er für ein täter­orientiertes Strafrecht, in dem „nicht in erster Linie das Gesetz“ von Belang wäre, sondern „die Persönlichkeit des Angeklagten“. Sprich: Hält der Richter den Angeklagten für unwert, spielt keine Rolle mehr, ob er etwas getan hat.

Dieser Vernichtungslegitimierer war später Kommanditist und Geschäftsführer beim Kauka-Verlag. Er ist wichtig für dessen Entwicklung, weil er die franko-belgischen Lizenzen erworben hat. Statt bloß aufzulisten, welche Titel das waren, wäre zu untersuchen gewesen, ob und wie dieses geistige Umfeld aufs Medium Comic rückgewirkt hat. Zumal recht bekannt ist, dass der Verleger mit Astérix Mitte der 1960er „keine glückliche Hand“ hatte, wie es der Katalog so schön umschreibt.

Deutlichere Worte hatte seinerzeit der Urheber gefunden: Kauka habe aus seinem listigen Gallier einen „Neo-Nazi“ gemacht, zitiert 1966 Der Spiegel den Rabbiner-Enkel René Goscinny, dessen Onkel in den Gaskammern von Auschwitz und im französischen Todeslager Pithiviers ermordet worden waren.

Die Lizenz wurde entzogen. Schon ein Jahr zuvor hatte der Satiriker Peter Sulzbach in der Zeitschrift Pardon! kurz nach dessen Launch Lupo modern als „rechtsradikales Kindermagazin“ bezeichnet und dabei den Titel problematisiert. Nein, für so geradlinig muss man den Weg nicht halten, der von der Wolfsschanze nach Fuxholzen führt, wo Fix, Foxi, Oma Eusebia und der Daniel-Düsentrieb-Wiedergänger Professor Knox hausen. Dafür integrieren die Hefte zu viele Stimmen, dafür lassen sie zu viele zeichnerische Idiome zu.

Die Schlümpfe sind durch sie eingewandert, Lucky Luke und Tim und Struppi auch. Dafür war letztlich auch die Arbeitsweise zu frei, nach Aussage von Luciano Gatto viel freier als im Dienste Disneys. Für die Micky-Maus-Geschichten, so der Zeichner in einem Interview, erhalte man immer eine Story mit genauesten Angaben darüber, wo was im Panel zu sehen sein müsse. Kauka hingegen habe einem bloß „ein Handlungsschema“ übergeben: „Er ließ einem bei der Entwicklung der Handlung freie Hand“, so Gatto.

Auch solche erhellenden Äußerungen über die Arbeitsabläufe in den Kauka-Studios sucht man in Hannover vergebens. Und umso schwerer wiegt die kuratorische Minderleistung, Kauka zwar mehrfach erzieherische Ziele und gar „Absichten“ zu bescheinigen, die er dank des Talents seiner Angestellten sogar „adäquat umzusetzen“ in der Lage gewesen wäre, ohne dabei die nahe liegendsten Versuche zu unternehmen, diese Vorhaben und Pläne näher zu bestimmen. Ein Versuch, die Zeichen-und Bildsprache der Comics zu entschlüsseln, findet nicht statt – obwohl doch gerade, was unbedeutend wirkt, der Deutung bedarf, wenigstens wenn man meint, es ausstellen zu müssen.

Nicht einmal Kaukas Selbstdeutungen hat man untersucht: So hatte der bis in die 1970er-Jahre hinein die LeserInnen seiner Zeitschriften direkt als „Liebe Freunde“ apostrophiert. Diese Vorworte werden als „legendär“ zwar beschworen. Einen Blick in sie zu werfen, hat man aber vermeiden. Dabei werden nicht in allen Dinge gefordert wie die „Freilassung der unschuldigen Gefangenen in Spandau“. Die Zitadelle war das Spezialgefängnis für die bei den Nürnberger Prozessen, trotz Dr. Norbert Pohls Zeugenaussagen, zu Haft verurteilten sieben Nazigrößen. Damals saß nur noch Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess dort ein. Baldur von Schirach und Albert Speer waren gerade entlassen worden. Und es war Weihnachten.

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