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Kunst von Etel AdnanIn Farbe schreiben

Unsere Autorin verliert sich in den Gemälden und Gedichten von Etel Adnan. Und erinnert sich dabei an nasse Wiesen und das tobende Meer in Irland.

Die libanesisch-amerikanische Malerin und Dichterin Etel Adnan in der Serpentine Sackler Gallery Foto: Bettina Strenske/imago

L iebe Etel Adnan, schon dein Name ist so klangvoll wie deine Gedichte. Im Band „Sturm ohne Wind“, der deine Gedichte, Prosa und Essays versammelt und den ich letztes Jahr anlässlich deiner Retrospektive las, die von München nach Düsseldorf wandern würde, lag noch ein Lesezeichen. Es ist ein Zugticket von Dublin nach Killarney, das ich löste, als ich mit meinen Schwestern, meiner Tante und meiner Mutter nach Irland unterwegs war, dieses Land mit den nassen Wiesen, dem tobenden Meer und den wilden Felsen, in das meine Mutter immer reisen wollte.

Ich war furchtbar erkältet, aber über dich zu schreiben – und das Buch „Die Stille verschieben“, das du gegen Ende deines fast hundertjährigen Lebens schriebst, zu lesen – war mir eine solche Ehre und die stürmischen Wellen vor dem Fenster eine solche Kraft, dass ich mich durch den Nebel hindurch in die Nähe deines Werkes schrieb.

Monate später kam ich deinen Ölfarben, Tapisserien und leuchtenden Wandtapeten nun noch einmal in Berlin ganz nah, wo das KINDL Kunstzentrum die Ausstellung „Etel Adnan & Simone Fattal. Voices without borders“ zeigt. In dem Gebäude ist heute ein Café, das Café Babette. Ich saß dort einmal für eine Performance in einem der Brauereikessel, die dort noch stehen.

Ich hatte einen Strahler in orangenes Licht gehüllt und tippte auf einer Schreibmaschine Gedichte, die nur so aus mir herausflossen. Das Schreiben muss durch das Licht gekommen sein. Aber das muss ich dir nicht erklären, denn dass die Zeit orange ist, habe ich auch durch deine Malerei gelernt.

Starke Synergien

Die Synergie, die Simone Fattal und du im Zusammenwirken eurer Werke hier entwickelt, ist die von Virginia Woolf & Vita Sackville-West, von Getrude Stein & Alice B. Toklas, von Lili Elbe & Gerda Wegener, von Susan Sontag & Annie Leibovitz, von Julie Mehretu & Jessica Rankin. Die Sprache ihrer Liebe liegt im Schreiben eines Epos; einer umgekehrten Autobiographie; eines gemalten Porträts; einer Fotografie, auch im Tod; einer Freundschaft, die das Ende einer Beziehung überdauert, weil nur die eine den ersten Blick auf die Kunst der anderen werfen kann.

Etel Adnan & Simone Fattal, „
Voices without borders“ im KINDL in Berlin, Ausstellungsansicht Foto: Jens Ziehe, 2023; © Simone Fattal / The Estate of Etel Adnan / VG Bild-Kunst, Bonn, 2023

Deine Liebe zu Simone Fattal spricht aus Super-8-Aufnahmen, die du Deena Charara für ihren Film „deep down. Conversations with Etel Adnan“ zur Verfügung stelltest. Ihr steht auf einer Wiese, du filmst Simone Fattal, wie sie dich anlacht. Im Raum nebenan stehen ihre leuchtenden Keramiken, die Wolken im Titel tragen.

Auf der Buchseite, auf der mein Lesezeichen ruhte, schreibst du im Gedicht „Die See“, das du Simone Fattal gewidmet hast: „Was ist Himmel? Auf Berggipfel steigen, um über Wolken zu blicken. Wasser auf Wasser reflektiert den Mechanismus der Erinnerung“. In Marie Regans Film „Etel and the Moon“ sagst du über Neil Armstrong: „He landed in the sea of tranquility“. Im Meer der Ruhe ankommen. Anders kann ich das Gefühl, das das In-Beziehung-Setzen eurer Werke und eurer Liebe in dieser Ausstellung freisetzt, nicht beschreiben.

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Noemi Molitor
Redakteur:in
Redakteur:in für Kunst in Berlin im taz.Plan. 2022-2024 Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA und promovierte an der Schnittstelle von Queer-Theorie, abstrakter Malerei und Materialität. Als Künstler:in arbeitet Molitor mit Raum, Malerei und Comic. Texte über zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.
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