Kulturkrieg in deutschen Gärten: Poolkiller und Zwergenmörder
Planschbecken werden aufgeschlitzt, Gartenzwerge zerstört. Die Täter sind bislang unbekannt. Man fragt sich: Woher kommt der Hass?
Diese Anschaffungen im eigenen Garten deuten auf einen gewissen Wohlstand hin. So wie die Garten-Trampoline vor allem in den Eigenheimzonen der Berliner Randbezirke zu finden sind, gibt es – im Landkreis Bad Kissingen etwa – Wohngebiete, in denen auf jedem Grundstück ein aufblasbares Planschbecken steht. Hier wie dort gaben die Kinder anscheinend so lange keine Ruhe, bis sie alle ein eigenes Planschbecken oder Trampolin bekamen. Und die kinderlosen Nachbarn bald davon sprachen, dass sie in der „Trampolin-“ bzw. „Planschbecken-Straße“ wohnen würden.
Diesen kleinfamilialen Eigenheim- und Doppelhaushälfte-Bezirken wohnt ein Hang zur Homogenität inne. Und dabei gibt es immer einige, die sich dem verweigern, ja, die einen regelrechten Hass dagegen entwickeln. Wenn dieser unter Alkoholeinfluss oder starkem Stress ausbricht, dann kann es passieren, dass der oder diejenige sich dabei auf die Zerstörung von Trampolinen oder Planschbecken konzentriert – stellvertretend für die ganze Wohnanlage und alle Bewohner darin.
Die Süddeutsche Zeitung spricht in Bezug auf den unterfränkischen Planschbecken-Zerstörer von einem „Serienkiller“ und einem „Albtraum“ (für die betroffene Siedlung in Münnerstadt). Seit 2009 hatte der unbekannte Täter dort in jedem Sommer eine „Schneise der Verwüstung“ hinterlassen, bis auf den Sommer 2014, in dem es ruhig blieb. Man begann schon aufzuatmen und die ersten Witze über den „Poolkiller“ zu machen, da schlug er erneut zu.
Ähnlich verhält es sich bei dem „Trampolin-Schlitzer“: Auch er hatte sein zerstörerisches Werk im vergangenen Jahr eingestellt, wie man in Frohnau und Umgebung hoffte. Sodass die davon Betroffenen schon daran gingen, sich im nächsten Baumarkt ein neues Garten-Trampolin zu kaufen – auf Drängen ihrer Kinder wahrscheinlich und damit diese nicht immer in ihrem Zimmer hockten. Der Trampolin-Schlitzer ebenso wie der Pool-Killer soll männlichen Geschlechts und gut im Training sein. Da die Polizei in beiden Fällen im Dunkeln tappte, erwog man in Berlin wie auch in Bayern die Aufstellung einer nächtlichen Bürgerwehr. Mangels Rentnern und Arbeitslosen fand sich jedoch keiner, der die Zeit dafür hatte. Im Umkehrschluss könnte man vermuten, dass die Täter in beiden Fällen Rentner beziehungsweise Arbeitslose sind.
Der Staatsschutz ermittelt
Dies gilt wohl auch für den Gartenzwerg-Zerstörer im und am Oderbruch. Seit 2013 zerschlägt er nachts mit einem Hammer die Gartenzwerge in den Vorgärten, wobei es sich stets um riesengroße polnische Billigimporte und nicht um deutsche Zwerge handelt. Hier ermittelt auch noch der Staatsschutz, denn man vermutet dahinter einen unverbesserlichen Stasimitarbeiter: Die DDR hatte nämlich ab den Fünfzigerjahren eine „Kampagne gegen den Kitsch“ gestartet, in der die Gartenzwerge und Schneewittchens sozusagen offiziell geächtet wurden. Die Stasi hatte Gespräche mit Verstockten zu führen.
In der BRD führten die Gartenzwerge in den Spießer-Vorgärten und Arbeiter-Schrebergärten ein vom bürgerlichen Geschmack eher geduldetes oder belächeltes Dasein. Ein zweiter polizeilicher Verdacht richtet sich dann auch gegen gewisse, aus Westdeutschland stammende Kreise von Gartenzwerg-Liebhabern, die seit 1992 ebenfalls gerne über die polnischen Riesenzwerge herziehen und dabei stets betonen, dass sie nur die handbemalten Tonfiguren aus dem deutschen Traditionsbetrieb „Heissner KG“ kaufen. Diese 1872 gegründete Firma war der weltweit erste Hersteller von Massengartenzwergen.
Nach dem Krieg verlegte sie ihre Produktionsstätten von Thüringen in den hessischen Vogelsberg. Zwar stiegen in der Nachkriegszeit die internationalen Verkaufszahlen, aber im Inland gingen ab den späten Sechzigerjahren die Umsätze immer mehr zurück – bis die Gartenzwerge mit der Gründung und dem Erfolg der Grünen Partei wieder salonfähig wurden, das heißt wieder vermehrt in den Vorgärten und sogar in Kunstausstellungen auftauchten.
Vom Kitsch zum Meditationsobjekt
Erinnert sei in diesem Zusammenhang nur an den Griechenlandbesuch des Grünen Otto Schily im Jahr 1984, der in Thessaloniki mit drei grasgrünen Gartenzwergen empfangen wurde. Eine Sprecherin der Firma Heissner erklärte damals, dass „die Alternativen“ vorwiegend unbemalte Rohlinge aus Ton kaufen würden (seit 1965 gibt es auch welche aus Plastik). Seit dem Kriegsende habe man – in mittlerweile fünf Betrieben – 30 Millionen Zwerge produziert, mehr als ein Drittel davon wurde nach Japan und in die USA exportiert, für Südafrika wurde den Zwergen extra ein heller Teint verpasst – normalerweise sind sie braungebrannt, die aus Plastik etwas blasser. Am Beliebtesten seien die arbeitenden Zwerge (mit Schaufel, Schubkarre oder Axt), weniger gefragt dagegen intellektuell tätige (schreibend, lesend oder musizierend), die faulenzenden, bloß herumliegenden oder Pfeife rauchenden Gartenzwerge wären sogar schier unverkäuflich.
Das galt bis Mitte der Achtzigerjahre, dann meldete der grüne Frankfurter Gartenzwerg-Experte Florian Lindemann in der Frankfurter Rundschau einen erneuten „Paradigmenwechsel“ an, der ihn „bedenklich“ stimmte: „Die steigende Nachfrage nach Gartenzwergen, die gar nichts tun, nur noch selig Muße ausstrahlen: Vom verkitschten Miniatur-Denkmal des ewigen Schaffers zum Meditationsobjekt für Entspannungs- und Harmonie- (auch im Ökologischen und Gesellschaftlichen) Suchende ...“
Seit der Wende haben diese Zwerge sich auch im Oderbruch verbreitet, sie sind dort allerdings noch nicht so gefährdet wie die polnischen Gartenzwerge. Die Polizei rät, sie nachts ins Haus zu holen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?