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Kulturabteilungschef auf der Retourkutsche

■ Reinhard Strömer, der neue Leiter der senatorischen Kulturabteilung, ist sauer. Erst hat der Senat die Abteilung verkleinert, jetzt dreschen Kulturschaffende auf sie ein. In der taz nimmt Strömer nun Stellung gegen die Kritik

Seit etwas mehr als einem halben Jahr ist Reinhard Strömer Leiter der senatorischen Kulturabteilung in Bremen. In dieser Zeit musste und muss er sich mit neuen Sparplänen des Senats herumplagen. Außerdem wurde die schon von den GutachterInnen der Unterneh-mensberatung McKinsey protokollierte Kritik vieler Kulturschaffender an „ihrer“ Verwaltung nicht leiser. Jetzt hat der aus Wiesbaden nach Bremen gekommene Reinhard Strömer genug davon. Gegenüber der taz weist er die Kritik an ihm und seinen MitarbeiterInnen entschieden zurück: „In der Verwaltung findet man keine Vollidioten oder Faulpelze.“ Er kritisiert außerdem die für den Reformprozess in der Kulturverwaltung verantwortliche Steuerungsgruppe: „Die Zielzahlen für den Stellenabbau sind nicht nachvollziehbar.“

taz: Auch nach Ihrem Dienstantritt als neuer Leiter der Kulturabteilung sind die Vorwürfe von Kulturschaffenden gegen die Kulturverwaltung nicht leiser geworden. Was sagen Sie dazu?

Reinhard Strömer: Im Streit um die Höhe des Eckwertes für Bremens Kultur bekommt auch die Kulturverwaltung immer wieder einen Seitenhieb verpasst. Meist macht man sich nicht die Mühe, genau zu zielen und spricht pauschal davon, sie sei unfähig, unorganisiert und zu teuer oder bevormunde die Einrichtungen obrigkeitsstaatlich. Doch solange diese Kritik nicht spezifiziert wird, muss man per Retourkutsche ebenso pauschal erwidern: Bremen hat die Kulturverwaltung, die Bremen verdient. Wer sonst hat sie in den letzten Jahren aufgebaut?

Die Kulturverwaltung ist also fähig und gut organisiert?

Lassen Sie mich konkreter werden: Die Bremer Kulturverwaltung hat in den letzten zwei Jahren fünf große Einrichtungen verselbständigt. Seitdem fließen circa 80 Prozent des Kulturetats in entstaatlichte Strukturen. Die Kulturverwaltung hat alleine in den letzten acht Monaten circa 18 Prozent ihrer Mitarbeiterstundenkapazität abgegeben – welche hiesige Behörde kann Vergleichbares von sich sagen? Darüberhinaus hat sie in den letzten Jahren einen enormen Reformprozess weitgehend eigenverantwortlich betrieben und zu einem ansehnlichen Zwischenergebnis gebracht. Dazu zählt unter anderem die Gründung der „kultur.management.bremen.“ Deshalb ist auch die Behauptung, hier würden zu viele Leute zu wenig tun, haltlos. Die von der für den McKinsey-Reformprozess verantwortlichen Steuerungsgruppe ins Spiel gebrachten Zielzahlen für den Stellenabbau sind so lange nicht nachvollziehbar, wie es keine politisch verantwortete Aufgabenkritik für die Verwaltung gibt. Die in diesem Zusammenhang genannten Vergleiche mit anderen Kommunen sind schief. Denn auch hier gilt: Bremen ist anders – eine Bürgerkommune, in der Staat und Verwaltung schon lange nicht mehr dekretieren können, sondern verhandeln müssen. Anderswo gehört einem die Kunsthalle und man setzt das Notwendige durch. Hier flattern einem Anwaltsschreiben ins Haus. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, aber es macht zusätzliche Arbeit. Bremen ist auch in einer anderen Hinsicht anders: Es handelt sich um einen kleinen, vom Ruin bedrohten Stadtstaat. Wieder bewahrheitet sich, dass nichts so teuer ist, wie kein Geld zu haben.

Wie macht sich das denn in Ihrer täglichen Arbeit bemerkbar?

Vor allem kostet es Zeit. Eine Sondersitzung löst die nächste ab, um die Quadratur des Kreises – Sparen, ohne dass es weh tut – herbeizuzaubern. Dieses Kunststück misslingt hier genauso wie anderenorts, mit der Folge, dass zu viele Einrichtungen zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel bekommen. Daraus entstehen die Wiedergänger der Kulturszene, Untote, die dank Selbstausbeutung und kreativer Buchhaltung fortwesen und auf deren nur kosmetische Sanierung wiederum viel Zeit und Kraft verwendet werden muss. Dass Bremens Kulturschaffende unzufrieden sind, ist verständlich, aber dies hat nicht die Kulturverwaltung zu verantworten.

Wer ist dann verantwortlich? An wen sollen sich die unzufriedenen Kulturschaffenden denn wenden?

Die Kulturverwaltung ist oftmals Überbringer schlechter Nachrichten, aber dafür darf sie nicht bestraft werden. Sie kann auch nicht den Prügelknaben abgeben und stellvertretend für den politischen Gegner – manchmal auch den Koalitionspartner – angegangen werden. Auch die Kulturverwaltung wird von der gegenwärtigen Haushaltsentwicklung erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Sie ist viele Jahre lang einerseits ein Reservoir gewesen, aus dem die übergeordneten Ressorts qualifizierte Mitarbeiter abgezogen haben und zum anderen ein Depot, um Mitarbeiter zu beschäftigen, für die man anderswo – aus unterschiedlichen Gründen – keine Verwendung mehr sah. Gleichwohl wird man wenig Mitarbeiter im öffentlichen Dienst finden, die es an Motivation mit den Kulturverwaltungen aufnehmen, wo Abendstunden und Wochenenden selbstverständlich zur unbezahlten Arbeitszeit rechnen. In der Kulturverwaltung findet man keine Übermenschen, aber auch keine Vollidioten oder Faulpelze. Diese Arbeit geht zunehmend auf die Knochen; Familie, Freizeit, Gesundheit, alles muss zurückstehen, um die Kultur, der man sich verbunden fühlt, zu erhalten.

Sie sehen sich und Ihre Abteilung also als Opfer bloßer Polemik?

Es ist stets populär, gegen den öffentlichen Dienst zu polemisieren. Dass die Verwaltung öffentlicher Mittel allerdings umso schwieriger geworden ist, je weniger Mittel es zu verwalten gibt, dass diese zunehmend schwierigere Aufgabe mit immer weniger Mitarbeitern bewältigt werden muss, wird weniger gern gehört, denn dann wäre die Frage zu beantworten, ob unter diesen Umständen tatsächlich noch öffentliche Verantwortung wahrgenommen werden kann.

Das klingt ziemlich verzweifelt!

Nein, man sollte nicht verzweifeln: Zur Reform der öffentlichen Verwaltung – und hierzu hat die Kulturverwaltung erhebliche Beiträge geleistet und wird dies auch weiter tun – gehört auch die Reform der Politik. Mit dem Beschluss für einen Kulturentwicklungsplan wird seit langer Zeit wieder die Notwendigkeit kulturpolitisch strategischer Entscheidungen anerkannt – wenn denn die Haushaltszwänge diese Entscheidungen nicht präjudizieren, das heißt, dass man dort das Geld holt, wo es schnell und ohne Rechtsstreit zu haben ist, ganz gleich, was das für die kulturelle Landschaft bedeutet. Noch besteht aber Hoffnung. Fragen: ck

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