Kürzungen bei Freiwilligendiensten: Jeder vierte Platz fällt weg
Im Haushalt 2024 will die Ampel auch bei den Freiwilligendiensten kürzen. Verbände und NGOs kritisieren die drastischen Sparpläne scharf.
Kristin Napieralla, Sprecherin des Bundesarbeitskreises FSJ, reagiert auf die geplanten Kürzungen mit Unverständnis: „Kürzungen zum jetzigen Zeitpunkt – nach der Pandemie, nach Einsparungen bei Jugendlichen, außerdem nach der Diskussion um den Pflichtdienst und die Stärkung der Demokratiefähigkeit unserer Gesellschaft – sind überhaupt nicht vermittelbar und der falsche Weg.“
Laut einem Sprecher des Bundesfamilienministeriums nahmen im aktuellen Jahrgang knapp 90.000 Menschen an einem FSJ, FÖJ oder Bundesfreiwilligendienst teil. Wenn die Kürzungen aus dem Haushaltsentwurf im Parlament beschlossen würden, bedeute dies, dass jeder vierte Platz in den Freiwilligendiensten nicht mehr angeboten werden könne, so Napieralla: „Einsatzstellen, insbesondere die kleineren, könnten sich den Freiwilligendienst dann nicht mehr leisten.“
Außerdem würde der Freiwilligendienst damit weniger vielfältig werden. „Wir sind auf einem sehr guten Weg, den Querschnitt der Gesellschaft bei den Freiwilligen abzubilden. Wenn die Mittel wegfallen, können wir in Zukunft auch viel weniger Inklusionsleistungen anbieten. So können wir einigen Menschen keinen Freiwilligendienst anbieten.“
Kürzungen sind „bitterer Schlag“ für Engagierte
Wenn die Freiwilligendienste wegfallen würden, leide außerdem die Qualität in sozialen Einrichtungen: „Freiwillige unterstützen bei der täglichen Arbeit, sie leisten Hilfstätigkeiten. Wenn sie nicht mehr da sind, können diese Tätigkeiten, wie zum Beispiel Zeit miteinander verbringen, vorlesen, Unterstützung bei der Pflege, Essensausgabe, Betreuung, spielen, aber auch Mitberatung und vieles mehr nicht mehr geleistet werden“, so Napieralla. Fehlen würden außerdem potentielle spätere Fachkräfte, die durch einen Freiwilligendienst häufig einen Einstieg ins Berufsfeld finden würden.
Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller kritisierte die Kürzungen gegenüber dem Rheinischen Spiegel: „Freiwilligendienste sind ein wichtiger Ort für Bildung, Orientierung und Engagement.“ Die Kürzungen seien ein bitterer Schlag für alle Menschen, die sich freiwillig für Natur und Artenvielfalt einbringen wollten. Kein gutes Zeichen in Zeiten der Klima- und Artenkrise. „Gerade jetzt, wo völlig zurecht über die wachsende Bedeutung der Freiwilligendienste diskutiert wird, braucht es keine Kürzung, sondern – im Gegenteil – eine Erhöhung der finanziellen Mittel.“
Bislang sieht es danach allerdings nicht aus: Auch für das Jahr 2025 wurden bereits weitere Kürzungen in Aussicht gestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“