Kür der grünen Spitzenkandidatin: Grüne gehen zur Attacke über

Am Samstag soll Bettina Jarasch offiziell Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl werden. Landeschef Graf kritisiert Regierenden Müller.

Bettina Jarasch, Grünen-Politikerin

Bald offiziell Spitze: Bettina Jarasch soll für die Grünen das Rote Rathaus erorbern Foto: picture alliance/dpa | Fabian Sommer

BERLIN taz | Knapp zwei Wochen nach der SPD wollen auch die Grünen aus ihrer designierten Spitzenkandidatin eine offizielle machen. 150 Delegierte sollen dazu bei einem digitalen Parteitag am Samstag Bettina Jarasch auf den Weg ins Rote Rathaus schicken, wo sie 2021 Berlins erste Regierende Bürgermeisterin werden soll. Das haben am Dienstag die beiden Parteivorsitzenden Nina Stahr und Werner Graf angekündigt. Bei einem Pressegespräch grenzten sie zudem die Grünen und deren aus ihrer Sicht erfolgreiches seriöses Arbeiten von anderen ab, die „jedem alles versprechen“ würden. Auf Nachfrage für solche Versprechungen nannte Graf das von der SPD und vor allem von Regierungschef Michael Müller vorgeschlagene 365-Euro-Ticket.

Die SPD hatte Ende November, und wie schon seit Jahresbeginn geplant, Bundesministerin Franziska Giffey zur Landesvorsitzenden gewählt. Zwei Tage später kürte der Parteivorstand sie auch zur Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl. Bei den Grünen hatten Landesvorstand sowie Fraktionsführung Jarasch, die von 2011 bis 2016 Parteivorsitzende war, bereits am 5. Oktober für die Spitzenkandidatur vorgeschlagen. Küren sollte sie eine Mitgliederversammlung Ende November, die wegen der Corona-Pandemie ausfiel.

Das holen die Grünen nun digital nach, aber aus technischen Gründen nur mit 150 Delegierten statt allen 10.000 Mitgliedern des Landesverbands. Eine solche Delegiertenkonferenz mit allen Beteiligten in einem großen Saal wäre durchaus erlaubt gewesen, kam für die Parteiführung aber aus Gründen der Gesundheitsvorsorge und der Vorbildfunktion nicht in Frage.

Für die Jarasch-Kür stellt das kein Problem dar, weil eine Spitzenkandidatur kein offizielles im Wahl- oder Parteigesetz vorgesehenes Amt ist, bei dem die Wahl an bestimmte Vorgaben gebunden ist. Die SPD hatte ihre neue Parteiführung nur in einer Mischung aus digitalem Parteitag mit tatsächlicher Stimmabgabe in einem Wahllokal festlegen können. Auch dieser Weg war erst durch eine Gesetzesänderung im November möglich geworden.

Hoffnung auf Delegiertenparteitag im März

Die Auswahl der Bundestagskandidaten hingegen, die ebenfalls schon für Ende November geplant war, ist laut Grünen-Landeschef Graf auf diese Weise nicht möglich. Hier hofft die Parteispitze, die Kandidatenliste, die die Bundestagsbewerbungen in den zwölf Berliner Wahlkreisen ergänzt, im März bei einem Delegierten-Parteitag aufstellen zu können. Dass das Pandemiegeschehen dann schon wieder eine sonst bei einem solchen Anlass übliche Mitgliedervollversammlung zulässt – bei der 2.000 der 10.000 Berliner Grünen erwartet würden –, glaubte Graf am Dienstag genauso wenig wie seine Co-Chefin Stahr.

Vom Wahlrecht her haben die Parteien laut Graf bis Mitte Juni Zeit, ihre Listen für die voraussichtlich am 26. September anstehende Bundestagswahl einzureichen. Im April will die Partei dann ihre Kandidatenliste für die Abgeordnetenhauswahl aufstellen, die am selben Tag ansteht.

Dass bei eben dieser Wahl Jarasch Grünen-Spitzenkandidatin sein soll und nicht, wie weithin erwartet worden war, Wirtschaftssenatorin Ramona Pop oder Fraktionschefin Antje Kapek, sollen genau diese beiden auf den Weg gebracht haben. Die seien auf Jarasch zugegangen „und haben dann Werner Graf und mich mit ins Boot geholt“, sagte Landeschefin Stahr. Aus ihrer Sicht verfügt Jarasch über Stärken, die ihre fehlende Verwaltungserfahrung wettmachen würden: „Eine Regierende Bürgermeisterin muss vor allem Prozesse lenken können“, sagte Stahr, und genau das kann Jarasch aus ihrer Sicht, genauso wie Menschen zu begeistern. Graf wies zudem darauf hin, dass etwa CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner gleichfalls keine Erfahrung in der Führung einer Verwaltung habe.

Auf die Frage, welches Ergebnis die Grünen bei der Abgeordnetenhauswahl anstreben, nachdem die SPD – in der jüngsten Umfrage nur bei 18 Prozent – dem Vernehmen nach 30 Prozent ansteuert, antwortete Graf ausweichend: Statt eine Zahl zu nennen, gab er an, man wolle „stärkste Kraft werden und das Rote Rathaus erobern“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.