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Künstlerin über ihre Arbeit mit Licht„Arbeite abstrakt, aber mit Logik“

Lichtkünstlerin Waltraut Cooper taucht Fassaden berühmter Gebäude in farbiges Licht. Ein Gespräch über die richtige Beleuchtung und weiblichen Erfolg.

Geht in ihrer Arbeit auf: Waltraut Cooper bei der Architekturbiennale in Venedig Foto: privat
Waltraud Schwab
Interview von Waltraud Schwab

Waltraut Cooper ist Lichtkünstlerin. Sie bespielt Fassaden mit farbigem Licht, auch Treppenhäuser, Wasserflächen, Stadien. Ihre riesigen Lichtinstallationen sind Botschaften. Denn oft versteckt sich im Wechsel der Farben digital codierter Text. Auf diese Art sendet sie Nachrichten in die Welt. Friedensbotschaften zumeist, wie bei ihrem größten Werk, der Regenbogentrilogie, für die sie in ausgewählten Metropolen historisch bedeutende Bauwerke in farbiges Licht tauchte. Obwohl Lichtkunst eine Männerdomäne ist, hat Cooper sich durchgesetzt. Niemand unter den lebenden österreichischen Künstlern und Künstlerinnen war öfter zur Biennale in Venedig eingeladen als sie. In ihrer Wohnung in Wien ist sie umgeben von Fotos von ihren Werken.

taz am wochenende: Frau Cooper, Ihr Leben lang beschäftigen Sie sich mit Mathematik, Licht, Ästhetik und Kunst. Wie bringen Sie das zusammen?

Waltraut Cooper: Mathe und Physik hab ich zuerst studiert. Kunst kam später und wurde immer mehr, obwohl Mathematik meine große Liebe ist. Als mein Mann, er ist auch Mathematiker, Ende der 60er Jahren an die Universität in Lissabon ging, bin ich mit und habe dort angefangen, Grafik zu studieren. In Portugal durfte ich ja nicht arbeiten.

Warum nicht?

Das war nicht so wie heute mit der EU. Mein Mann hatte ein Forschungsstipendium in Lissabon. Ich hätte in Santa Barbara in Kalifornien, wo wir beide vorher an der Uni unterrichteten, bleiben und promovieren können. Aber ich war frisch verliebt. Da soll ich gleich wieder zu ihm sagen: „Ja, geh nur“? Danach gingen wir nach Frankfurt, und ich hab an der Städelschule Malerei studiert. Dass ich so hingehen konnte mit meiner Mappe unterm Arm, war reines Glück. Als ich ankam, hieß es: Zu spät. Aber da stand zufällig ein Professor, meinte: „Zeigen Sie.“ Er hat sich meine Mappe angeschaut und gesagt: „Sie sind angenommen.“

Im Interview: Waltraut Cooper

Jahrgang 1937, ist eine österreichische Lichtkünstlerin. Sie hat Kunst, Mathematik und theoretische Physik in Wien, Paris (Sorbonne), Lissabon und Frankfurt (Städelschule) studiert. Cooper hat in aller Welt Ausstellungen und Lichtinstallationen gemacht. Viermal war sie zur Biennale in Venedig eingeladen.

Oft benutzt Cooper für ihre Lichtinstallationen Texte, die sie ins binäre Zahlensystem überträgt. Mit dem binären System, das auf der Zweierpotenz basiert, kann man alle Zahlen abbilden und auch damit rechnen, obwohl sie im binären System nur aus Nullen und Einsen bestehen. Die Null und die Eins entsprechen „Licht an“ und „Licht aus“. Cooper benutzt einen fünfstelligen binären Code, da es im deutschen Alphabet 26 Buchstaben gibt, also fünf binäre Stellen ausreichen. Die Zahl 1 im fünfstelligen binären System ist: 00001. Die Zahl 26 ist: 11010. Der erste Buchstabe A hat bei ihr folglich, wie die Zahl 1, den Code 00001 – das Z, wie die Zahl 26, den Code 11010.

Wirklich, reines Glück.

Auch dass ich den Jim, meinen Mann, kennengelernt habe, war ein Riesenglück. Der wollte nach Irland an eine Uni und ich nach Rochester. Im letzten Augenblick haben wir beide Stellen in Santa Barbara gekriegt. Hätten wir sie nicht angenommen, es wär’ nichts geworden.

Ihre Arbeit ist also nicht nur von Mathematik und Kunst, sondern auch von Glück durchdrungen. Wie bringen Sie das zusammen?

Sagen wir so: Es fließt viel Mathematik in meine Kunst ein, und weil es schön ist, wird gemocht, was ich mache.

Zum Beispiel?

Da brauche ich nur die Lichtinstallation von 1987 im Austria Center, das auf dem Gelände der UNO steht, zu nehmen. Damals haben nur ganz wenige mit Licht und Digitalisierung gearbeitet. Für diesen Fries, den ich Friedensfries nenne, habe ich das Wort „UNO“, die ja an sich schon ein Friedensprojekt ist, digital dargestellt. Ich habe also die Buchstaben in eine Folge von Nullen und Einsen überführt. Für Eins habe ich einen aufstrebenden Blitz genommen und für Null einen absteigenden. Licht kann ich anschalten und ausschalten für Null und Eins. Daraus ergibt sich die ganze Gestaltung. Das ist Acrylglas und wird hinterleuchtet. ­Natürlich muss ich dann auch Farben einfließen lassen. Ohne die kann ich nichts bildhaft ausdrücken.

taz am wochenende

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Die in Blitze umgesetzten Buchstaben ziehen sich über die sechzig Meter lange Wand?

Ja, aber ich wollte auch Bewegung. Dabei läuft das Licht nach dem gleichen digitalen Konzept eben durch. Weil ich ebenfalls dabei den Friedensgedanken ansprechen wollte, hab ich Schillers Ode an die Freude genommen, wo es heißt: Alle Menschen werden Brüder – ja, Schwestern heißt’s nicht. Das wurde dann auch zu einer Folge von Nullen und Einsen. Der Text wird natürlich nur als Bewegung des Lichts sichtbar. Man kann es nicht nachvollziehen, ich hätte auch einen Zufallsgenerator nehmen können, aber das widerstrebt mir. Ich will nichts machen, was nichts aussagt.

In viele Ihrer Werke fließt der Friedensgedanke ein.

Wahrscheinlich weil ich im Krieg aufgewachsen bin.

Haben Sie Erinnerungen?

Natürlich wusstest du als Kind, dass Krieg ist. Und ich erinnere mich, dass man nicht über alles reden durfte. Auch dass ich nicht sagen durfte, dass mein Großvater, er hatte ein Friseurgeschäft, immer Auslandsradio gehört hat. Das war im Krieg doch verboten. Und dann erinnere ich mich, dass alles knapp war.

In Ihrer Familie war man aber weniger hungrig als bildungshungrig.

Als Kind hab ich nicht verstanden, dass ich aufs Gymnasium muss, aufs Internat, eine katholische Nonnenschule. Für mich weit weg, und ein Auto hatte auch nur der Tierarzt. Wir haben doch gar nichts gewusst. Ich wusste noch nicht einmal, wie eine Stadt ausschaut, weil ich noch nie in einer Stadt war. Man macht sich heute gar keine Vorstellungen mehr, wie es damals war.

Inzwischen haben Sie viele Städte gesehen. Weil Ihre Lichtinstallationen weltweit an bedeutenden Bauwerken angebracht waren oder sind.

Ja, Sydney, Montreal, Boston, Paris, Amsterdam, Rom, New York, Istanbul, ach, viele, Berlin auch.

Sie waren viermal zur Biennale Venedig eingeladen, trotzdem sind Sie einer größeren Öffentlichkeit kaum bekannt.

Was das ganz große Publikum betrifft, da sind Künstler sowieso nicht bekannt. Jeder Fußballer ist bekannter.

In Wien kann man mit Ihrem Namen aber etwas anfangen.

Jaja, die Cooper. Natürlich kennt man mich hier. Und da ich in all die Städte, die ich oben aufgezählt habe, eingeladen wurde, muss es noch mehr Leute geben, die mich kennen. Eines darf man in dem Zusammenhang nicht vergessen: Ich bin eine Frau. Welche Frauen gibt es denn, die gut von ihrer Kunst leben können? Die meisten müssen nebenher jobben.

Ihnen ist das erspart geblieben.

Ich habe immer wieder sehr gut verdient. Als ich begonnen habe, hat die öffentliche Hand noch sehr großzügig Geld für Kunst ausgegeben. Für den Fries im ­Austria Center habe ich eine Million Schilling Honorar bekommen, das würde der Staat heute nicht mehr bezahlen. Der Friedensfries war übrigens eines der Sieger­projekte eines Wettbewerbs mit über 800 KünstlerInnen.

Trotzdem hängen mittlerweile Werbeplakate darüber. Hängt das mit dem nationalistischen Umbau der Gesellschaft in Österreich zusammen?

Die Werbung wurde schon vorher drübergehängt, Trotzdem: Was jetzt in Österreich geschieht, gefällt mir nicht. Was hat man davon, wenn man Türen zuschlägt, Fenster verrammelt?

Es wird düsterer, Sie aber arbeiten gern mit Licht. Warum?

Licht ist Leben. Man sagt nicht von ungefähr „etwas ins Licht setzen“. Das ist genau, was ich will, ich will Architektur ins Licht setzen. Hauptsächlich Architektur, weil das für alle ist. Alle können es sehen. Und weil man im großen Maßstab arbeiten kann. Je größer, desto lieber. Die längste Lichtinstallation von mir an einer Fassade ist 144 Meter lang. Die ist in Würzburg.

Ist Licht für Sie wie die Farbe, mit der Künstler sonst malen?

Das kann man so nicht sagen. Licht ist abstrakt, und ich arbeite abstrakt, aber dennoch mit Logik. Wie absurdes Theater. Da ist das Gesagte nicht das, was ausgesagt wird, und trotzdem ist es ganz klar. Das gefällt mir. Wenn man das, was in der Mathematik vor sich geht, mit Worten ausdrücken müsste, das wäre eine Katastrophe, da käme man nirgendwohin.

Also kann man mit Mathematik die Welt doch nicht erklären?

Doch, man kann. Sie hängen am Wort und damit an der Ambivalenz. Aber ohne Mathematik geht nichts. Man braucht noch nicht mal unbedingt eine Vorstellung davon, dass es Mathematik ist, aber man könnte nicht mal einkaufen ohne sie.

Sie versuchen, Licht als verbindendes Element einzusetzen. Als könne Licht die Menschen zusammenhalten?

Licht muss ja nicht verbinden, aber es kann. Und ich will es verbindend verwenden. Meine Arbeiten beschreibe ich als digitale Poesie, und dabei verbinde ich Sprache, Visuelles und Musik. Ich verwende auch Klang, etwa beim Klang­mikado. Da wird Bewegung in Klang umgesetzt, nicht in Licht. Man kann dabei präparierte Stäbe wie beim Mikado auf einen präparierten Tisch werfen. Durch die Bewegung entsteht Musik und jedes Mal eine neue Komposition.

Ein anderes Beispiel, wo es um Verbindung geht, ist die Regenbogentrilogie.

Ja, das ist mein größtes Werk. Ich habe 1999, am Ende eines Jahrhunderts mit zwei Weltkriegen, einen Regenbogen über Österreich gelegt, soll heißen einen Bogen ins nächste Jahrtausend geschlagen. Ich habe historische Gebäude in verschiedenen Städten in je einer der sechs Regenbogenfarben angestrahlt. Der Regenbogen ist nicht nur verbindendes Element, sondern drückt auch Hoffnung aus. Außerdem interpretiere ich den Regenboden als Innovation. Der Vater ist der Regen, die Mutter ist die Sonne, der Regenbogen ist etwas völlig Neues und hat mit beiden nichts zu tun.

Wie ging es weiter nach dem Regenboden über Österreich?

Das hatte ich mir so ausgedacht: Wenn die nächste passende Gelegenheit ist, lege ich einen Regenbogen über Europa und danach einen über die ganze Welt. Über Europa hab ich es gemacht, als 2004 zehn weitere Länder zur EU gekommen sind, weil das den Frieden in Europa gefestigt hat. Nicht einmal hundert Jahre zuvor haben wir uns ja noch bekriegt, das findet man heute doch absurd. Irgendwann wird man es auch absurd finden, dass in der Welt überhaupt Krieg ist.

Eine schöne Hoffnung.

Ich habe mal von einer Fürstin im Mittelalter gelesen, die von Tirol nach Kärnten zog mit ihren Mannen und dort ein Schloss belagerte. Da lacht man sich heute doch tot: Was, eine Tirolerin belagert ein Schloss in Kärnten? Und jetzt finden wir es absurd, wenn es in Europa Krieg gäbe. Je mehr die Welt verbunden ist, umso absurder, sich zu bekämpfen. Wir haben nur eine Welt. Entweder man kapiert das oder nicht. Aber wenn es einen neuen Weltkrieg gibt, dann sind wir eh alle tot.

Manche der Kriegsnarren glauben ja, es gebe andere Planeten, auf denen sie dann leben können.

Ha, da müssen die erst mal hinkommen.

Und den Regenbogen über die Welt?

Den habe ich 70 Jahre nach dem Ende der Weltkriege gemacht, also 2015. Übrigens habe ich parallel zu den interna­tionalen Regenbogen auch immer lokale gemacht. In Wien habe ich einen Regenbogen von der Hofburg, die war rot-orange-gelb, zum Kunsthistorischen Museum in Grün und dann zum naturhistorischen Museum in Blau-Violett gezogen. Das ist eine Friedensbotschaft von Wien aus an die Welt. Es ist ein doppelter Regenbogen. Das gibt es in der Natur auch.

Das ist ein Vorteil, wenn man alle Farben auf einen Blick sieht. Bei dem weltweiten Bogen, da war auf jedem Kontinent ein Bauwerk angestrahlt.

Als Zeichen des Wunsches nach Welt­frieden.

Aber die Verbindung ist nur in der Vorstellung konkret?

Wie beim absurden Theater.

Noch mal genauer am Beispiel Berlin: Im Rahmen des europäischen Regenbogens, den Sie 2004 bei der Erweiterung der EU initiiert haben, war das Brandenburger Tor orange. Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen das wirklich als Friedensbotschaft verstanden haben oder einfach als farbigen Gag?

Ob die Leute das so wahrnehmen, hängt von der PR ab. Wenn alle Medien darüber schreiben, dann wissen die Leute es. Ich muss dazu sagen: Als ich angefangen habe, die Architektur ins Licht zu setzen, da hat noch niemand was in Farbe beleuchtet. Weißes Licht, ja, aber farbig nicht. Heute macht es jeder. Und es ist erstens ohne Botschaft und zweites häufig Kitsch.

Glauben Sie, dass man Ihr orange angeleuchtetes Brandenburger Tor anders sieht, wenn man weiß, worum es Ihnen geht?

Ja sicher. Die Idee ist mir gekommen, als die Mauer gefallen ist. Zum Zeichen, dass Europa zusammengehört, sollte man die Länder mit einem Regenbogen verbinden, dachte ich und bin auch davon ausgegangen, dass die EU diese Idee aufgreifen würde, um zu zeigen: Wir sind jetzt wieder vereint, lasst uns das feiern. Aber die Unterstützung hab ich nicht gekriegt. Ich verstehe nicht, dass so viele Leute nicht sehen, was man mit der EU alles machen könnte. Wenn man mit einem Amerikaner ins Gespräch kommt, sagt der: „I am American.“ Das möchte ich mal erleben, dass ich jemanden aus Europa treffe, der sagt: „I am European.“ Davon sind wir weit entfernt. Gerade für so was sind Symbole irrsinnig wichtig, aber das versteht man in der EU noch nicht. Übrigens hat es die UNO beim weltweiten Regenbogen auch nicht verstanden.

Wie war es da?

Angefangen hat’s in Wien. Da habe ich Grün genommen. Gelb war das Museo Oscar Niemeyer in Südamerika. Blau waren die Pyramiden, das Sydney Opera House war violett. In Asien habe ich das Fußballolympiastadion in Peking genommen, und in Nordamerika wollte ich die UNO haben. Der Botschafter hat sich eingesetzt, und am Ende wurde bei der UNO gesagt: Ja, das machen wir. Ich hatte die naive Vorstellung, die freuen sich darauf. Als es aber um die Durchführung ging, machten sie nicht mit. Dann dachte ich, wenn die UNO, die eigentlich für alle da sein soll, nicht interessiert ist, dann lasse ich das Volk selber sprechen, und habe ein Privathaus angeleuchtet.

Sind Sie nicht fordernd genug aufgetreten?

Das ist natürlich gut, wenn man das kann.

Sie haben vorher gesagt, Mathematik sei Ihre große Liebe. Woher kommt das Faible?.

Weiß ich nicht, ist halt so. Sie ist wun­derschön. Das fand ich schon als Kind. Lernen ist mir halt leichtgefallen. Aber gut, ich weiß, ich bin sprachlich nicht so toll.

Und sprechen doch acht Sprachen.

Ja, die lerne ich witzigerweise ganz leicht. Vielleicht hat das damit zu tun, dass ich die Strukturen sehe. Das mit den Strukturen ist bei mir überall.

Heute nennt man Sie in Deutschland: Grande Dame. Sind Sie eine?

Grande Dame der Lichtkunst – ach, ich weiß nicht.

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