Künstlerin Petzet über Intervention im Hafen: „Muss das unbedingt sein?“

Die Künstlerin Nana Petzet will im Hafen mit Licht Insekten fangen, um zu untersuchen, ob der „Blue Port“ von Lichtkünstler Michael Batz die Artenvielfalt bedroht.

Könnte womöglich Lebewesen bei ihrer Reproduktion stören, befürchtet Nana Petzet: Hafenbeleuchtung von Michael Batz. Foto: dpa

taz: Frau Petzet, wie sind Sie darauf gekommen, mit einer Lichtinstallation die Auswirkungen des „Blue Port“ auf die Artenvielfalt zu untersuchen?

Nana Petzet: Es ging vom Thema „Schutz der Nacht“ aus, dazu gibt es eine Studie vom Bundesumweltamt, wo es allgemein um die Lichtverschmutzung geht. Das ist ein eher neues Spezialthema der Umweltverschmutzung. Bei Licht ist es ja erst mal nicht so eindeutig, dass es eine Verschmutzung ist. Aber dass es nirgends mehr dunkel ist und die Nacht für viele Arten auch ein Lebensraum ist, auf den sich viele Arten spezialisiert haben, ist eine sehr starke Einschränkung.

Aber warum beschäftigen sie sich nicht mit Straßenbeleuchtungen, sondern mit der nun jährlichen Beleuchtungsaktion von Michael Batz im Hafen?

Es gibt schon recht viele Studien und Überlegungen dazu, wie man das Problem mit der Lichtverschmutzung vermindern kann. Aber es gibt nicht so viele Studien zu diesen Event-Sachen. Wir haben uns deswegen auf die im Unterhaltungs- und Tourismusbereich eingesetzten Lichter konzentriert. Das ist ja reiner Spaß, der keine praktische Funktion hat wie eine Straßenbeleuchtung.

52, studierte an der Hochschule für bildende Künste HFBK. Mit ihren Projekten widmet sie sich den Themen Müll, Artenvielfalt und Biotopschutz.

Was genau ist denn dieser „Blue Port“?

Das ist so ein Großereignis, das in diesem Jahr zum siebten Mal anlässlich der Cruise Days stattfindet. Dabei wird der gesamte Hafen mit 12.000 mit blau leuchtenden Neonröhren erleuchtet. Was eben auch eine ganz besondere Art der Lichtquelle ist.

Ist es denn erwiesen, dass durch blaue Licht-Emissionen Arten bedroht sind?

Naja, erwiesen ist es eben nicht. Es wurde ja gar nicht untersucht. Es ist aber zu vermuten, dass sich das blaue Licht besonders negativ auf Insekten auswirkt, die auf kurzwelliges Licht reagieren.

Geht es Ihnen wirklich um Insekten? Oder ist eher die Kunst die bedrohte Art, um die Sie sich sorgen?

In gewisser Weise ist die Kunst auch bedroht, wenn sie für Großspektakel, die Touristen anziehen sollen, instrumentalisiert wird. Bei „Blue Port“ wird die Kunst benutzt: Es wird sich bezogen auf Yves Klein, der alles blau gemalt hat. Michael Batz, der Autor des „Blue Port“, bezieht sich also auf die Kunst und macht ein Riesenspektakel daraus. Wenn die Besucherzahl jedoch zum einzigen Kriterium wird, wird die bildende Kunst zur bedrohten Art. Uns geht es mit unserer Aktion aber im Wesentlichen darum, dass Licht möglicherweise Lebewesen bei ihrer Reproduktion stört.

Und um das sichtbar zu machen, wollen Sie vier Tage lang eine Lichtfalle auf einem Feuerlöschboot installieren?

Genau, bei Lichtfallen setzt man Schwarzlicht ein, mit dem man Insekten auf eine reflektierende Fläche lockt und dann kartiert, was sich da so absetzt. Das ist eine Art Versuchsanordnung, wie Biologen sie einsetzen, nur in groß. Das Boot fährt ganz langsam in den Nächten die „Blue Port“-Hauptorte ab. Dann wird es zwei Tage in der Hafencity an einem Liegeplatz liegen. Insekten kommen sicher eher, wenn das Schiff nicht fährt. Es ist ein Experiment.

Ist das noch Kunst?

Es wird auch ein ästhetisches Ereignis und der Titel „Lichtfalle Hamburg“ bezieht sich nicht nur auf Batz, sondern auf die ganze Stadt. Das ist etwas, was nur die Kunst machen kann. Denn die Kunst kann eine andere Öffentlichkeit herstellen und andere Fragen aufwerfen als die Wissenschaft. Das ist ein Spagat zwischen Politik, Wissenschaft und Kunst, den kann man nur von der Kunst her machen.

Was bedeutet das konkret?

Der „Blue Port“ wird auch als Kunst verkauft, und da stellen wir jetzt mit einer künstlerischen Intervention die Frage, ist das sinnvoll und ob das unbedingt sein muss?

Meist wird Batz, der für seine Lichtinstallationen von der Stadt viel Geld bekommt, von der Kunstszene mit Ignoranz gestraft. Warum rücken Sie seine Arbeit ins Zentrum?

Das Ereignis als solches rücke ich ins Zentrum. Denn es ist eine reine PR-Aktion für die Aida-Kreuzfahrtschiffe und für eine bestimmte Politik des Stadtmarketings, die solche Ereignisse eines nach dem anderen installiert. Aber ich denke, das müsste eigentlich jedem klar sein. Deswegen finde ich die moralische Frage gegenüber unseren Mitlebewesen interessanter. Was ist das eigentlich für eine Haltung, die dahintersteckt? Eigentlich müssten wir umdenken und sagen: weniger Licht!

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