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Kühnert-Nachfolgerin Jessica RosenthalJusos wollen Machtfaktor bleiben

Jessica Rosenthal löst Kevin Kühnert ab. Sie ist zur neuen Vorsitzenden des SPD-Jugendverbandes gewählt worden, und versteht sich auf deftige Ansagen.

Jessica Rosenthal, die neu gewählte Bundesvorsitzende der Jusos Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Kevin Kühnert steht im Atrium der SPD-Parteizentrale. Er trägt ein dunkles T-Shirt und ein Jackett. Der Hoodie, bislang Markenzeichen des scheidenden Juso-Chefs, gehört offenbar eher der Vergangenheit an. Ein Jackett ist ein passenderer Dresscode für einen SPD-Vizechef, der in den Bundestag strebt. „Die Tränen sind getrocknet“, sagt er. Beim Juso-Bundeskongress Ende November hatte Kühnert aus Rührung geweint.

Die Juso-Zukunft verkörpert nun Jessica Rosenthal, Gesamtschullehrerin aus Bonn und bislang Juso-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen. Die 28-Jährige hatte keine Gegenkandidaten, ihre Wahl ist eher Routine. Sie bekommt in der Briefwahl 77,8 Prozent. Ihre Vize, die Berliner Doktorandin Ferike Thom, schneidet mit 86 Prozent besser ab.

Rosenthal gilt als eloquent und links und versteht sich auf deftige Ansagen. 2018 bezeichnete sie CSU-Innenminister Horst Seehofer mal als „Vollidiot, Spalter und Hetzer“. Doch sie beherrscht auch den ausweichenden Politsprech. Olaf Scholz, Kanzlerkandidat der SPD, kommt in ihrer Rede nicht vor. Mit ihm hat Rosenthal ihren Frieden gemacht – eher widerwillig und spät. Die Jusochefin will sich für jüngere Arbeiternehmer einsetzen und plädiert für Ausbildungs- und Jobgarantien.

Klar ist: Kühnerts Fußstapfen sind sehr groß. Die Jusos, die die NoGroKo-Kampagne anführten, sind einflussreicher als früher. Ohne ihr Engagement wären Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans kaum an die Parteispitze aufgerückt. Königs- oder Königinnenmacher war die SPD-Jugend zuvor noch nie. Auch ein Juso-Chef, der wie Kühnert direkt von den Jusos zum Vize-Parteivorsitzenden aufgestiegen ist, ist ein Novuum.

„Wir sind ein Machtfaktor in der SPD geworden und werden das auch bleiben“, sagt Rosenthal nach ihrer Wahl. Die Partei sei ja bei der Schuldenbremse oder Hartz IV in Richtung der Jusos gerückt. Und sie versichert, dass die SPD-Jugend nun nicht „langweilig und brav“ werden. Das muss offenbar betont werden. Denn Kühnerts Erbe hat für die Jusos etwas Doppeltes.

Sie haben mehr Macht, sind aber auch enger an den Apparat gebunden. Ob und wie sie da ihre klassische Rolle als Kritikerin der SPD spielen werden, ist eine Frage, die Rosenthal wird beantworten müssen. Werden sie ihrem Ex-Vorsitzenden auch mal Kontra geben? Es klingt nicht so. Rosenthal betont, dass die Jusos Kühnerts politische Heimat bleiben. „Wir werden weiter als Team zusammenarbeiten“, verspricht sie. Die Jusos, sagt sie, seien schon immer mehr als „nur Opposition zur Parteiführung“ gewesen.

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1 Kommentar

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  • Kühnert hätte eine Episode bleiben können, aber offenbar befreit sich die SPD vom Hartzer Käse. Spät, aber hoffentlich nicht zu spät.

    Rosenthal ist eine spannende Personalie. Ich freue mich und hoffe, dass sie nicht nur Kevins große Fußstapfen ausfüllen kann, denn da ist durchaus Wehner-Potenzial vorhanden, diese Kombination aus pragmatischer Realpolitik und saftigen Onelinern. Und das ist nötig, denn der grüne Nachwuchs ist zwar auch dezidiert links, aber in der öffentlichen Wahrnehmung zu blass. Aber in Kombination mit einer kessen Rampensau wie Rosenthal kann sich das Potential einer zurückhaltenden Macherin wie Lang oder Schäfer voll verwirklichen. Bei der Linkspartei wiederum ist zwar auch ein massiver Zustrom junger Menschen zu beobachten, aber der kam sehr plötzlich und erst seit vorletztem Jahr, und hat sich noch nicht in Personalien ausgedrückt. Aber da wird auch noch was kommen, hoffentlich Team Rojava, das wäre das Sahnehäubchen auf der linken Torte: eine demokratische Sozialistin mit kurdischen Vorfahren.

    Ich sags euch: achtet auf die jungen Frauen, die mit freiheitlich-linken Idealen, tiefsitzender Menschlichkeit, sozialem Gewissen, und scharfem Verstand, für die der unbefristete Vertrag mit Tariflohn eine zerstörtes Versprechen aus vergangener Zeit, und Prekariat, McJobs, Generation Praktikum und die massenhafte Verarmung alleinerziehender Mütter herrschende Realität sind.

    Die haben noch so einiges vor - und das ist verdammt gut so! Wir sehen es beim "Squad" in USA, bei Jacinta Ardern oder Sanna Marin, wie solche Persönlichkeiten den Politikbetrieb aufmischen und den Menschen wieder Hoffnung und Zuversicht und Mut zum dringend überfälligen Wandel geben.