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Kritik von GewerkschaftenKraft entschärft Hartz-IV-Forderung

Gewerkschaften und Sozialverbände sind irritiert angesichts der Forderung der Spitzenkandidatin der NRW-SPD, Arbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen. Kraft schwächte ihre Aussage nun ab.

Futter für den Wahlkampf geliefert: Hannelore Kraft (SPD). Bild: dpa

BERLIN rtr/dpa | Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft hat ihre umstrittene Forderung entschärft, Langzeitarbeitslose zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen. Während FDP-Chef Guido Westerwelle einen Arbeitszwang wolle, gehe es ihr um freiwillige Arbeit, sagte die Spitzenkandidatin der nordrhein-westfälischen SPD für die Landtagswahl dem WDR am Montag. Sie wolle Arbeitslosen eine Chance geben, die auf die 60 zugingen, krank seien oder kaputtgeschuftet und deshalb auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Perspektive hätten.

"Ich möchte auf niemanden Zwang ausüben, ich möchte aber, dass sie die Chance haben zu zeigen, was sie leisten können und was sie leisten wollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten", betonte Kraft. Viele Arbeitslose seien in Ein-Euro-Jobs tätig, die sie nach einem Jahr wieder aufgeben müssten, obwohl sie gerne dabeibleiben würden. Diese Menschen könnten künftig auf Dauer sozialversicherungspflichtig beschäftigt und mit mehr als einem Euro pro Stunde bezahlt werden. Dies könne auch eine große Unterstützung für die Kommunen sein.

Kraft hatte zuvor angeregt, Langzeitarbeitslose könnten etwa im Altersheim vorlesen oder die Straßen sauber halten. Dem Staat dürften allerdings keine Mehrkosten entstehen. Sie geht davon aus, dass ein Viertel der Langzeitarbeitslosen auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Chance mehr hat. Mit ihrem Vorstoß löste sie bei Union und Linkspartei heftige Kritik aus.

Wegen ihrer Äußerungen war Kraft von der in NRW regierenden CDU scharf kritisiert worden. Auch Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte eine Klarstellung gefordert. Unbezahlte gemeinnützige Arbeit sei kein Weg aus der Langzeitarbeitslosigkeit, betonte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Nötig sei vielmehr ein staatlich geförderter zweiter Arbeitsmarkt mit angemessener Bezahlung, gerade für kranke Langzeitarbeitslose. Voraussetzung sei, dass die Stellen sozialversicherungspflichtig und die unterste Verdienstgrenze der jeweils geltende Tariflohn sei. Andernfalls hätten Langzeitarbeitlose keine Chance, der Armutsfalle zu entrinnen. Von unbezahlten Tätigkeiten und Ein-Euro-Jobs gehe dagegen die große Gefahr aus, dass sie reguläre Arbeitsplätze vernichteten.

Die Idee, Langzeitarbeitslose für Tätigkeiten etwa in Altenheimen oder Sportvereinen einzusetzen, sei "missverständlich", sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, der "Frankfurter Rundschau". Es gebe bereits heute eine beachtliche Zahl von gemeinnützigen Jobs in Kommunen oder bei Wohlfahrtsverbänden. "Das ist nicht unbegrenzt auszudehnen, weil einerseits Arbeitsplätze des regulären Arbeitsmarktes nicht gefährdet werden sollen und weil diese gemeinnützige Arbeit nicht zum Nulltarif zu haben ist."

Das Erwerbslosen Forum Deutschland erteilte Krafts Vorschlägen, eine Absage. Erwerbslose hätten nichts der Gesellschaft wieder zu geben. "Da wären zu allererst andere dran", sagte Sprecher Martin Behrsing. Er kritisierte, dass Kraft ihre Forderung "mit den Begriffen Würde und Perspektive verpackt". Es sei besonders die SPD gewesen, die die "Perspektivlosigkeit Hartz IV-Bezieher erst ermöglicht hat".

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20 Kommentare

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  • T
    TOM

    An Karin Haertel: Haben sie die letzten Jahre geschlafen?? Ihnen ist schon klar das alles bis ins kleinste geprüft und nochmal geprüft und nochmal geprüft wird? Ihnen ist schon klar wie oft diese beim Amt antanzen müssen? Wie oft Sie Kontoauszüge darlegen müssen wo alles bis ins kleinste aufgelistet wird? Schon klar das Sie keine Arbeit ablehnen dürfen? Anscheinend nicht, wenn Sie nur einen Rahmen von 2 Jahren geben. Kürzen sie das auf 3 Monate, schon haben Sie die Wirklichkeit. Sie gehören zu jenen die immer noch glauben das sei ein Zuckerschlecken

  • KH
    Karin Haertel

    Es waere doch ein guter Anfang,wenn man Hartz-IVler regelmaessig auf Berechtigun kontrollieren wuerde und man sich nicht seit 25 Jahren Arbeitsunwillige im TV mit beleidigenden Spruechen ansehen muesste. Sie sollten - wie z.B schwerbehinderte Fruehrentner behandelt werden. Da hat man keinerlei Skrupel alle 2 Jahre eine Ueberpruefung zu veranlassen, ob dem berentete Behinderte nicht ploetzlich eine wundersame Heilung wiederfahren ist. Das Personal fuer Harz IV wurde extra angescfafft und muss vom Steuerzaler bezahlt werden.

  • K
    Kati

    @Andrea: woher wissen Sie das?

  • N
    Nordwind

    Diese Diskussion nimmt wirklich unerträgliche Ausmaße an. Seit Tagen wird die immer gleiche Sau durchs mediale Dorf getrieben. Der einzige Sinn dieser Diskussion ist es die eigentlichen Probleme dieses Landes zu verdecken.

     

    Die Arbeitsagentur gibt den Schaden durch Sozialbetrug mit 72 Mio. Euro an.

     

    Aber, durch Steuerhinterziehung werden dem Fiskus etwa 100 Mrd. entzogen, durch Wirtschaftskriminalität entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden von 150 Mrd. - 300 Mrd.

     

    Daraus folgt:

     

    Der volkswirtschaftliche Schaden durch Steuerhinterzieher ist etwa 1.400 der durch Wirtschaftskriminelle 2.000 bis 4.200 mal größer als der durch Sozialbetrug verursachte.

     

    Über den Schaden durch politische Korruption sind leider keine Zahlen bekannt.

     

    Westerwelles PR-Maschine ist es gelungen die öffentliche Debatte von Korruption, Finanz- und Wirtschaftskrise, Wirtschaftskriminaltät und Steuerhinterziehung in den Hintergrund zu drängen.

     

    Und dieser Schröder-Frau Kraft fällt nichts anderes ein als das miese Spiel der Desinformation mit zu spielen. Da hift auch der Anschein des Zurückruderns nichts.

  • A
    Andrea

    Jetzt soll man aber auch nicht alle in einem Topf werfer! Ja, die SPD ist nur eine Partei aber sie ist definitiv nicht wie die FDP oder CDU. Kraft hat allemal mehr Integrität als ein Niebel, Westerwelle oder Rüttgers. Sie steigt weder für 14.000 in 'ne Kiste noch für 1,1 Mio in ein Hotelbett.

  • JK
    Juergen K

    Die SPD ist Wiederholungstäter in Hartz4.

     

    Ein Fehler mag gehen.

    Eine bewusste Wiederholung nicht.

     

    Verlassen Sie die Parlamente!

  • C
    Cori

    Der DGB ist auch lustig: Von 1-EURO-Job gehe Gefahr aus ... Ein Blick ins Archiv reicht: Genau diese Jobs machen normale Jobs kaputt. Ich habe das bei Leuten gesehen, die sowas gemacht haben und die haben allesamt ganz professionell umsonst gearbeitet, aber einem anderen die Arbeit weggenommen.

    Und geprüft wurde gar nichts. Es war den Betreibern und Kunden vollkommen egal, was am Ende dabei rauskommt, die Hauptsache: Einsparung. Und die hat es auch wirklich gegeben. Im Grunde genommen ist das Kanipalismus per Staatsauftrag: Jobs gehen weg, Steuern fallen weg, Arbeitslose drehen eine Schleife und am Ende geht das wieder bergab.

    Ich denke mal, dass diese Frau Kraft nicht wirklich informiert ist, was ich für sie ziemlich peinlich finde. Zum anderen ist nicht jeder Arbeitslose gleich und nicht jeder ist alt und krank, will aber auch Hilfestellungen haben.

    Es gab Zeiten, da hätte ich nichts auf die SPD kommen lassen, aber diese Truppe hier ist wirklich am Ende. Und ungebildet und ignorant noch dazu - man kann sich auch informieren. Frau Kraft kann sich informieren und der DGB sollte es doch besser wissen? Bei den Geldern, die an diese Organisationen gehen, kann man Niveau erwarten, aber das ist wohl vergeblich.

  • SZ
    Sascha Z.

    letzter Absatz: Erwerbslose hätten nichts der Gesellschaft wieder zu geben. "Da wären zu allererst andere dran", sagte Sprecher Martin Behrsing.

     

    ---

     

    Ich finde gemeinnützige Arbeiten etwas sehr gutes. Und wenn ich sowas wie den Kommentar von Herrn Behrsing lese, bekomme ich Brechreiz!

  • T
    Totengräberin

    "Mehr als ein 1,- Euro pro Stunde..."? Wie viel darf denn die Sklavenarbeit der "Neuen Mitte" genau wert sein? 1,15 oder gar € 1,50/std?? Oh Gott, Hannelore, wie armselig! - Treffen SPD, NPD und FDP unversehens am Stammtisch aufeinander...

  • S
    Sim

    Das kann die doch nicht ernst meinen?!?!?

     

    ..das ist ja fast schon parodie!?

  • R
    radnik

    Zu spät. Erst mal ein Testballon in Richtung Populismus, dann ob der Reaktionen schnell zurückrudern. Zum Glück sind die Leute nicht mehr so leicht zu kriegen.

  • C
    claudia

    Wo ist denn nun die Entschärfung?

     

    Arbeit gäbe es ja, aber sie darf nichts mehr kosten. Mit immer wieder neuen Worten immer wieder das Gleiche:

    "Für uns hat sich die Agenda 2010 rentiert. Wir werden den Teufel tun und noch mal was dran ändern. Deutschland wird planmässig zum Armenhaus Europas umgebaut. Nichts und niemand hindert uns daran." Wirklich niemand?

  • T
    Totengräberin

    "Mehr als 1,- Euro pro Stunde..."? - Oh Gott, Hannelore, wie armselig!

  • E
    Eser

    Diese Frau zeigt mir mal wieder: Die SPD will keine Wahlen gewinnen, sondern nur die Reformpolitik der letzten Jahre fortsetzen.

  • LC
    Lord Cynderbottom

    - Das Erwerbslosen Forum Deutschland erteilte Krafts Vorschlägen, eine Absage. Erwerbslose hätten nichts der Gesellschaft wieder zu geben. "Da wären zu allererst andere dran" -

     

    So entstehen Stereotypen..

  • SZ
    Soziale Zukunft

    Irgendwann kommt die Zeit, da wird der soziale Bereich ausschließlich von hochbezahlten Profis geleistet und das Militär und die Banker müssen Kuchen verkaufen und Kaffee ausschenken, um das Geld für ihre nächste Rakete und ihren nächsten Finanzdeal zusammen zu sammeln. - Josef Ackermann steht dann mit klammen Fingern und roter Nase am Brandenburger Tor die Sammelbüchse in der Hand und Karl Theodor zu Guttenberg bringt ihm zum Aufwärmen den Kaffee und bittet die Berliner per Handzettel um ihre Unterschrift zur Unterstützung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan...

  • T
    Treelo

    Ein klassischer Fall von Selbstdemontage!

    Ob Frau Kraft nun abmildert oder nicht, es haben alle zur Kenntnis genommen, was sie eigentlich wollte und jeder hat gesehen: Frau Kraft macht deutlich, dass die Schröder-Steinmeier-SPD noch immer die alte ist. Auch wenn der Wolf jetzt Schafsfell trägt. Wer genau hinsieht, kann die neoliberalen Fundamentalisten die Fäden ziehen sehen. Nun, da die NRW-Wähler wissen, mit wem sie es zu tun bekommen, kann sich Herr Rüttgers ruhig in den Wahlkampf begeben, das war das Aus für Rotgrün!

  • A
    audio001

    Das Problem ist doch offensichtlich, dass PolitikerInnen geneigt sind sich hier und da zu Themen äußern; wobei die Sinnhaftigkeit der Äußerungen den Anschein erwecken, dass diese PolitikerInnen weder mit der Gesetzeslage ausreichend vertraut sind (von der praktischen Umsetzung ganz zu schweigen!), noch das Thema intellektuell angemessen durchdrungen haben!

     

    Was dabei herauskommt sind dann zum Teil Vorschläge, bei denen man als Bürger nicht genau weiß, ob sie politischer Genialität oder purer Dämlichkeit entsprungen sind?

     

     

    Eigentlich müßte inzwischen auch dem letzten Politiker klar sein, dass man das Thema Hartz IV (und Vorschläge hierzu!) nur im Kontext mit einem umfassenden Konzept zur Beschäftigungspolitik behandeln kann.

     

    Aber offensichtlich sind PolitikerInnen scheinbar teilweise bereits dann überfordert, wenn es darum geht einen Zustand schlüssig zu analysieren und daraus Lösungsansätze zu entwickeln und zur Diskussion zu stellen.

     

     

    Im Hinblick auf den Vorschlag von Frau Kraft drängt sich der Eindruck auf, dass sie die Analyse gleich übersprungen hat, auf die Abwägung alternativer Szenarien gänzlich verzichtete und den beschäftigungspolitischen Aspekten nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt hat!?

     

    Ich denke, sie sollte noch einmal in sich gehen und ihren Vorschlag in Ruhe überarbeiten!

  • F
    franziska.qu

    Politiker wie Westerwelle und Kraft versuchen sich in unerträglich populistischer Weise, auf dem Rücken der Schwächsten in der Gesellschaft zu profilieren.

    SPD/Grüne haben während ihrer Regierungszeit durch die Deregulierung der Wirtschaft und der Finanzmärkte, unter Beifall von CDU/CSU und FDP, diese Wirtschafts- und Finanzkrise für Deutschland erst ermöglicht. Diese Verursacher aus der Politik, die Gewinner aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, bleiben ungeschoren, kein einziges (!) der damals von SPD/Grünen ausser Kraft gesetzten Regulierungs-Gesetze ist wieder in Kraft, alles bleibt, wie damals erzeugt und gewünscht.

    Dem Volke werden nun Opferlämmer zum Fraß vorgeworfen. Das ist widerlich und zeigt die ganze Verkommenheit und Verantwotungslosigkeit einer abgehobenen Politikerkaste, der es in keinster Weise um das vielzitierte Land, oder gar Volk, geht.

    Sie bedienen sich selber (als Politiker wird man erstaunlich schnell reich, Westerwelle, Schröder, Fischer und Konsorten lassen grüßen) und ihr Klientel.

  • JB
    Joachim Bovier

    Allen Zweiflern, die meinen Hannelore Kraft würd nicht richtig liegen, sei die Leserumfrage des Kölner Stadtanzeigers empfohlen, die gute Frau ist nämlich klüger als ihr Bedenkenträger:

     

    Gemeinnützige Arbeit für Hartz-IV-Bezieher?

     

    SPD-Landeschefin Hannelore Kraft schlägt vor, Langzeitsarbeitslosen gemeinnützige Tätigkeiten anzubieten. Ist das ein tauglicher Vorschlag?

    Es ist nur ehrlich zuzugeben, dass ein Teil der Arbeitslosen nie wieder einen Job finden wird.

    59,35 %

     

    So lange niemand zur Arbeit gezwungen wird, ist daran nichts auszusetzen.

    20,33 %

     

    So ein populistischer Unfug. Da kann ich ja gleich Westerwelle wählen

    20,33 %

     

    http://www.ksta.de/html/artikel/1267540473203.shtml