Kritik aus der Degrowth-Bewegung: Zu viel Dystopie, zu wenige Lösungen
Bei der Degrowth-Konferenz in Budapest träumten die Besucher von einer Welt ohne Wachstum. Für manche war das zu viel Träumerei.
Budapest taz | Die Erwartungen an das globale Klassentreffen der Wachstumskritiker*innen waren hoch. Doch die Degrowth-Konferenz in Budapest hinterließ einen Beigeschmack der Enttäuschung bei einigen der 400 Teilnehmer*innen.
Bis zum Samstag hatten Postwachstumsforscher und Aktivisten aus der ganzen Welt ihre Köpfe in der Corvinus-Universität zusammengesteckt. Reden wurden geschwungen, Neuestes aus diversen Disziplinen präsentiert und diskutiert. Nur: Konkrete Vorschläge für eine Postwachstumsgesellschaft gab es kaum. „Die meisten Veranstaltungen bestanden aus der Analyse der Dystopie, auf die wir uns zubewegen“, sagt Michael Harvey, Autor aus London. „Bei Degrowth sollte es aber darum gehen, eine gemeinsame Utopie zu spinnen.“
Zahlreiche Kommentare aus dem Publikum im Abschlussplenum sandten eine klare Botschaft an die Organisator*innen der nächsten Konferenz, die 2018 an einem noch unbekannten Ort stattfinden soll: Mehr Fokus auf Lösungen und mehr Freiraum für informelle, aktivistische Formate. Barbara Muraca, Philosophin und eine der Hauptredner*innen, konnte zwar den Wunsch nach konkreten Lösungen verstehen. Sie warnte jedoch davor, ein „großes Narrativ der Veränderung über die Köpfe der sozialen Akteure hinweg zu formulieren“. Es sei daher wichtig, „Räume zur Selbstorganisation zu öffnen, in denen Menschen gemeinsam arbeiten“ können.
Weniger förmlich und mit neuen Ideen
Anders als bei der Konferenz in Leipzig 2014 hatten die Organisatoren diesmal weniger akademische Formate und Inhalte auf die Degrowth-Woche verlagert, die zeitgleich stattfand. Ein eigenes, kostenloses Bildungs- und Kulturprogramm an verschiedenen Orten sollte die akademisch gehaltene Konferenz ergänzen und Interessierten einen Zugang zum Thema verschaffen.
Bei aller Kritik: Viele Besucher haben auch für sie wertvolle Impulse erhalten. Kai Brüggemann studiert in Lüneburg Volkswirtschaftslehre und ist erstmals dabei: „Mir ist hier aufgefallen, wie wichtig es ist, Ökonomie ganzheitlich zu betrachten. Also nicht nur nach Maximierung von Profit zu fragen, sondern auch, wie Ökonomie Gesellschaft gestaltet.“
Die Konferenz hat zudem zwei neue Fragen auf den Tisch gebracht, die wohl noch weiter diskutiert werden müssen: Sind die ehemaligen Satellitenstaaten der UdSSR bereit für eine Postwachstumsgesellschaft? Und: Was hat die Bewegung zur Geflüchteten-Debatte beizutragen?