Kritik an geplanten Entlastungen: „Ein schlechter Witz“
Die Ampelkoalition will Bürger:innen wegen der hohen Energiekosten finanziell entlasten. Sozialverbände kritisieren, die Pläne reichten lange nicht aus.

SPD, Grüne und FDP hatten unter anderem vereinbart, die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits ein halbes Jahr früher als bislang vorgesehen zum 1. Juli abzuschaffen. Empfänger von Grundsicherung und Arbeitslosengeld II bekommen einmalig 100 Euro ausgezahlt. Die Abschaffung der EEG-Umlage, die zur Finanzierung des Ausbaus erneuerbarer Energien dient, war von der Koalition zunächst für den 1. Januar nächsten Jahres vorgesehen. Die Ampelkoalition äußerte die Erwartung, dass die Stromanbieter die auf die Jahresmitte vorgezogene Entlastung in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben.
Der im Koalitionsvertrag vereinbarte Sofortzuschlag für arme Kinder soll ab dem 1. Juli des laufenden Jahres gezahlt werden. Pro Monat sollen 20 Euro pro Monat bis zur Einführung einer Kindergrundsicherung gewährt werden. Die Koalition sieht auch weitere steuerliche Entlastungen für verschiedene Gruppen vor.
FDP-Chef Christian Lindner sowie SPD-Co-Chefin Saskia Esken und Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang betonten, die beschlossene Entlastung sei wegen der hohen Energiepreise nötig geworden. Man setze auf die Unterstützung des Bundesrats, weil auch die Länder eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger gewollt hätten. Esken zeigte sich überzeugt, dass die Bundesländer die Zehn-Punkte-Vereinbarung der Ampel unterstützen werden.
VdK und Paritätischer sind unzufrieden
Die Linke erklärte am Donnerstag, der einmalige Zuschuss für erwachsene Hartz-IV-Beziehende von 100 Euro gehe in die richtige Richtung, weil er schnell wirke. Er sei aber angesichts der enormen Belastung „viel zu wenig“.
Der Sozialverband VdK kritisierte die Pläne als unausgewogen. Zwar sei es zu begrüßen, dass die Koalition die Dringlichkeit zu handeln erkannt habe und die Abschaffung der EEG-Umlage vorziehe, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Insgesamt sind die Beschlüsse jedoch sozialpolitisch extrem unausgewogen.“ Kinder aus armen Familien und Menschen mit kleinen Renten seien die Verlierer des Pakets. 20 Euro Sofortzuschlag für von Armut bedrohten Kinder seien „ein Tropfen auf dem heißen Stein“.
Nun müsse schnell die versprochene Kindergrundsicherung kommen, forderte die VdK-Präsidentin. Auch der einmalige Zuschlag von 100 Euro für Grundsicherungsempfänger sei „ein schlechter Witz“. Er helfe alten Menschen in Grundsicherung nicht, die dauerhaft hohen Preise zu stemmen, sagte Bentele.
Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hat die Pläne angesichts der hohen Energiepreise als „völlig enttäuschend, ja fatal“ kritisiert. „Statt zielgenaue Maßnahmen auf den Weg zu bringen für diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen, wird mit der Gießkanne operiert“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Das sei nicht nur „ökologisch zweifelhaft“, sondern auch „haushaltspolitisch unvernünftig, weil es sehr viel Geld kostet“. Nicht zuletzt seien die beschlossenen Maßnahmen „sozial ungerecht“, sagte Schneider. Hartz-IV-Bezieher blieben „mit einer kleinen Einmalzahlung auf der Strecke“. Das sei nicht akzeptabel.
Der Chemieverband VCI bezeichnete die Entscheidung zur EEG-Umlage als „erfreulichen ersten Schritt“, dem aber weitere folgen müssten. „Die Abschaffung ist richtig und wichtig und ein Hoffnungsschimmer für unseren Mittelstand in brutal herausfordernden Zeiten“, teilte der Verband mit. Jedoch müsse die Stromsteuer „auf das EU-Mindestmaß gestutzt werden“.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen