Kritik an Verkehrsführung: Verzweifelte Radfahrer*innen
Der neue Radweg auf der Oberbaumbrücke versprach Platz und Sicherheit. Doch Umweltingenieur Jens Blume legt Widerspruch ein.
BERLIN taz | Auf einem per Twitter veröffentlichten Video von Radfahrer Jens Blume sieht man, wie Autos und Lkws die neuen weißen Linien des Fahrradweges auf der Oberbaumbrücke und auch die weißen Linien der Sperrfläche davor ignorieren. Ein Auto reiht sich kurzerhand auf den Fahrradweg ein, drängelt sich an den stehenden Autos vorbei und biegt rechts ab. Ein gelber Lkw stellt sich auf den Fahrradstreifen, sodass kaum ein Rad vorbeikommt.
„Daher ist physischer Schutz für Radfahrer nötigt“, sagt der Ingenieur für Umwelttechnik Blume am Montag. Gegen die Verkehrsführung auf der Brücke zwischen Friedrichshain und Kreuzberg hat er auf Grundlage des neuen Berliner Mobilitätsgesetzes Widerspruch eingelegt.
Unter dem Titel „Oberbaumbrücke bekommt breite, sichere Radwege“, hatte die Verkehrsverwaltung vergangenen Dienstag den lang ersehnten Radweg eingeweiht. Statt des vorherigen 1,35 Meter und 1,60 Meter schmalem Radwegs sollte es jetzt einen 2 Meter breiten Fahrradstreifen geben. Und statt vorheriger zweier Autospuren gibt es jetzt nur noch eine, die 4,45 Meter breit ist. Gerade breit genug, dass sich ein Auto unter Mitnutzung des Fahrradweges an den anderen Autos vorbeidrängeln kann. Die Szenen aus Blumes Video bestätigen diese Praxis.
Mit Zollstock hat Blume alles abgemessen: Statt den angekündigten 2 Metern sei der Fahrradstreifen teilweise nur 1,35 Meter breit. „Ein sicheres Überholen ist nicht möglich“, schreibt Blume in seinem Widerspruch an die Senatsverwaltung. Das aber verstoße gegen das Mobilitätsgesetz.
Weiße Linien helfen nicht
Nicht mal eine Woche nach der Eröffnung liegt der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz also der Widerspruch von Blume auf dem Tisch. Falls diese ihn zurückweise, werde eine Klage folgen, verkündet der Tempelhofer. Eine Anwaltskanzlei habe schon Unterstützung angemeldet.
Automatische Zähler auf der Oberbaumbrücke zählen jeden Tag etwa 10.000 Radfahrer*innen. Damit zählt die Brücke zu den am stärksten befahrenen Radstrecken Berlins. „Gerade deshalb müssten da sicherere Radwege sein“, so Blume. Im Mittelpunkt des Mobilitätsgesetzes steht das Ziel, dass alle Menschen in Berlin auf möglichst umwelt- und stadtverträgliche Art und Weise bequem, sicher und zuverlässig an ihr Ziel kommen.
Sicher sieht es nicht aus, als sich eine Radfahrerin in Blumes Video rechts an einem Lkw vorbeischlängelt. Blume empfiehlt statt einer einfachen weißen Markierung Trennsteine, die die Autos vom Schneiden des Radweges abhalten. „Denn jeder in Berlin weiß, dass weiße Linien nicht helfen.“
Leser*innenkommentare
Khaled Chaabouté
Eigentlich ist auf der Oberbaumbrücke gar kein Autoverkehr nötig. Die Elsenbrücke und auch Schillingbrücke reichen vollends aus und haben mehr Platz für vernünftige Radwege.
Außerdem würde eine Sperrung der Oberbaumbrücke für den motorisierten Individualverkehr auch die die angrenzenden Viertel mit dichter Wohnbebauung entlasten.
Rund um die Elsenbrücke in Treptow ist die Besiedlung erheblich dünner, was teilweise auch auf die Schillingbrücke zutrifft.
Sobald man Autos und LKWs die Möglichkeit bietet, sich auszubreiten, wird diese auch sofort genutzt, vor allem weil die Autofahrer genau wissen, dass sie Radspuren zuparken oder zum Überholen/Abbiegen benutzen können, ohne dass es irgendwelche Konsequenzen gibt: Sie tun's weil sie's können!
Das sollten fähige Verkehrsplaner doch eigentlich wissen.
mactor
@Khaled Chaabouté Das ist nicht richtig.
Alle drei Brücken bedienen ein völlig anderes Publikum aus komplett anderen Ecken der Stadt.
Sie sind absolut nötig für LKW und Autos.
Die Schilligbrücke ist auch nur ne kleine aber wichtige Brücke wo Fahrräder aber nicht ganz so wichtig sind.
Unabhängig ob man bei allen Oberbaum und Elsenbrücke jetzt ne 2m Radspur macht oder nicht.
PS: Ich bin gegen Autos innerhalb des S-Bahn Rings aber nur mit Fahrrädern wird es auch nicht gehen.
07301 (Profil gelöscht)
Gast
Ein echter Schmidt ist da gebaut worden. Leichter ist es natürlich für die Verwaltungsbehörde in personam Schmidt zu verhindern oder öffentliche Wege zuzustellen. Eine eigene Gestaltung fällt nicht so leicht.