piwik no script img

Kritik an TV-Sendung in DänemarkEinmal ficken? Macht 13 Euro

Dänemarks Rundfunk provoziert mit einer Verbrauchersendung über Sexkauf. Die Kirche ärgert sich, die Verantwortlichen bleiben sachlich.

In Dänemark gebe es viermal mehr Bordelle als McDonald’s-Restaurants, sagt eine für die Sendung „Zwei Blowjobs bitte!“ verantwortliche Redakteurin. Bild: dpa

Kaufsex im Verbrauchercheck. Diesen neuesten Sektor der Markt- und Konsumentenberichterstattung hat nun das öffentlich-rechtliche dänische Fernsehen erschlossen. DR2 schickte Reporter auf eine Dänemarkreise, um die Frage zu beantworten: Wie viel Sex bekommt man eigentlich für 1.000 Kronen – umgerechnet 130 Euro?

Das Resultat: Dafür bekommt man in der exklusiveren Escortwelt, wo der Stundensatz erst bei rund 2.000 Kronen beginnt, gar nichts, aber immerhin eine halbe Stunde bei „Miss Maise“ in einem Bordell in einem Villenvorort der Hauptstadt Kopenhagen.

Als absolutes Schnäppchenrevier, das mit „zehnmal Ficken für einen Tausender“ präsentiert wurde, wird der Straßenstrich im Kopenhagener Stadtteil Vesterbro genannt: So billig komme man dort in den frühen Morgenstunden weg, wenn man versuche, bei den nach einer langen Nacht müden Frauen deren sowieso niedrige Preise noch zu drücken.

Erwartungsgemäß schlugen schon vor Ausstrahlung der ersten Folge des dreiteiligen Programms mit dem Titel „To blowjobs, tak!“ („Zwei Blowjobs bitte!“) die Wellen der Kritik hoch. „Geht’s noch?“, meinte Mikael Arendt Laursen, Generalsekretär der christlichen Medienorganisation Kirche und Medien, die für „anständige Medien, welche Ethik und Menschenwürde ernst nehmen“, kämpft, und fragt: „Was kommt denn bitte als Nächstes? Vielleicht wo man im Freistaat Christiana die billigsten Drogen bekommt oder wie man sich am einfachsten eine Knarre besorgt?“ Und er war nicht der einzige, der DR vorwarf, mit solch einer Sendung Reklame für Prostitution zu machen.

Viermal mehr Bordelle als McDonald’s-Restaurants

„Als einziges skandinavisches Land haben wir in Dänemark einen Markt, auf dem der Kauf sexueller Dienste ebenso legal ist wie der Kauf eines Fernsehers“, weist die zuständige DR-Redakteurin Sofia Fromberg solche Kritik zurück. Die Branche mache jährlich einen Umsatz von mehreren Hundert Millionen Euro, und jeder sechste Däne kaufe sich irgendwann im Leben diese Dienste. Es gebe im Land viermal mehr Bordelle als McDonald’s-Restaurants.

Falls mit „To blowjobs, tak!“ eine Provokation beabsichtigt gewesen war, so sei die jedenfalls gelungen, kommentiert die linke Tageszeitung Information: „Die vollkommen logische Konsequenz der dänischen Gesetzgebung ist nun mal: Wenn man Sex wie eine Ware kaufen kann, ist es auch legitim, darüber ein Verbraucherprogramm zu machen.“

Problematisch sei aber die Umsetzung dieser Idee. Das Programm überspanne die Verbraucherrhetorik, wenn es Sexkauf mit einem Pizzalieferservice auf eine Stufe stelle: Schließlich handle es sich auf beiden Seiten dieses Sexdienstleistungsmarkts ja um Menschen.

DR2 hatte schon im vergangenen Jahr eine kontroverse Debatte ausgelöst, als man in einer Sendereihe jeweils zwei Männer wie die Juroren eines Casting-Wettbewerbs den Körper einer vor ihnen stehenden nackten Frau begutachten ließ. Ein Programm, zu dem DR-Redakteurin Fromberg nun Parallelen zieht: Auch damals habe es die schärfste Kritik vor der Ausstrahlung der ersten Folge gegeben und diese sei dann schnell leiser geworden.

Sexkauf-Verbrauchercheck

Natürlich könne man die Augen davor verschließen, dass es Prostitution gebe, ebenso wie man so tun könne, als ob Männer nicht über weibliche Körper reden oder Frauen sich nicht dafür interessieren, was Männer über weibliche Körper denken.

Man hoffe, dass ganz viele ZuschauerInnen sich nun Gedanken machten, „ob es eigentlich okay ist, Sex zu kaufen“, sagt Fromberg: „Selbst nehmen wir nicht Stellung, wir stellen nur Fragen.“ Bei einer Online-Leserumfrage der Boulevardzeitung Ekstrabladet meinten 58 Prozent der Teilnehmenden, es sei höchste Zeit für so einen Sexkauf-Verbrauchercheck gewesen. Nur 19 Prozent antworteten, der Sender hätte das lieber bleiben lassen sollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Diese Art "Verbrauchercheck" gibt es im Netz schon lange - Freierforen, sehr einfach zu googlen, in denen Männer die von ihnen benutzten Frauen bewerten, eifersüchtig auf die "likes" unter den Kommentaren schielen, darüber miteinander streiten - male bonding über Frauenkörper. Die meisten likes kriegen verbale Pornos und Fachsimpeleien über Rockerbanden. Daneben gibt es noch den Wettbewerb, wer am abfälligsten schreiben kann und die meisten abwertenden Begriffe einbringt.

    Diese Begriffe finden sich dann in den Selbstbeschreibungen der Frauen in ihren Annoncen wieder - allerdings ist dies nicht der aufgeplüschte, saubere "Eskort-Sektor", das wo doch alle etwas "Besseres" sind, denn auch in der Prostitution werden Klassengrenzen fein säuberlich aufrecht erhalten.

    Was den Artikel angeht - ich kann diesen verzweifelten "Humor" nachempfinden. Trotzdem hätte ich mir eine andere Auseinandersetzung mit dem Thema gewünscht. "So billig komme man dort in den frühen Morgenstunden weg, wenn man versuche, bei den nach einer langen Nacht müden Frauen deren sowieso niedrige Preise noch zu drücken." Das ist weder bei dem dänischen Sender witzig noch hier, es ist die Normalisierung eines Verbrechens. Oder glaubt hier wirklich irgendjemand, dass es hier um etwas anderes geht, als das Ausnutzen einer Zwangslage für Sex? Oder das dies diesen Frauen nicht schadet? Aber anstatt massiv Alternativen für diese Frauen zu suchen, wird deren Situation banalisiert. Die Freier sparen, ZuhälterInnen und Staat kassieren ab - und falls die Frauen aus dem Ausland sind, ist unsere Gesellschaft nicht einmal mit den Folgekosten konfrontiert.

  • Frauen als Ware zu betrachten, denen ungewollter Sex noch zu Dumpingpreisen abgehandelt werden kann, wenn sie "nach einer langen Nacht müde" sind und sich dazu wohl nur bereit erklären, weil sie die Wuchermiete für's Bordellzimmer (z.B. Pascha in München 160 €) noch nicht zusammen haben, ist die logische Konsequenz einer zynischen "Verbraucher"haltung. Ja, da wird dann eben auch die Frau billigstmöglich verbraucht. Eine solche Gesellschaft nimmt ganz selbstverständlich die Freierperspektive ein und blendet die Schädigung der Frauen aus, denn es ist das Preis-Leistungs-Verhältnis, das zählt.

    Um diesem Blick auf Frauen als zu konsumierende Ware und alle einhergehenden Konsequenzen wie Frauenhandel, Zuhälterei und Gewalt entgegenzutreten, ist die Einführung des Nordischen Modells richtig: Freierbestrafung und Ausstiegsprogramme für die Frauen. Umfragen zufolge wollen nämlich 90% der Frauen in der Prostitution aussteigen.

    Warum es wichtig ist, für das Nordische Modell einzutreten: http://ifgbsg.org/unser-standpunkt-zur-prostitution-pro-nordisches-modell/

    • @IfGbsG - Gunhild:

      Die Frage, ob Verbot der Prostitution à la Schweden das Problem löst, ist schwer zu beantworten. Ich glaube mich an wissenscháftl. Studien zu erinnern, die nicht so positiv sind. Das Grundprinzip ist: Wenn ein Bedürfnis, Wunsch, Sucht, sehr stark ist, wird es einen Markt finden. Man hat Verbot probiert mit Alkohol, Drogen und jetzt Prostitution in Schweden. Das Ergebnis bei Alkohol war der Aufstieg des Verbrechens in der Prohibitionszeit der USA, ähnliches mit Drogen. Im Gazastreifen grassiert aufgrund des Alkoholverbots die Tablettensucht. Die Schweden gehen zum Sex ins Ausland oder finden Verbindungen übers Internet. Es gibt auch in Deutschland schon massig Websites wie KAUFMICH, die eine Grauzone zwischen Prostitution und mal ne Mark zuverdienen darstellen. Es geht eher darum, die Ausbeutung der Frauen zu verhindern. Die Prostituion ist moralisch zweifelhaft. Aber das ist auch das Fliesbandschlachten, oder das Schlachten generell. Natürlich würden die meisten Prostituierten lieber was anderes arbeiten. Aber da geht's ihr nicht anders als der Kassiererin bei Aldi.

    • @IfGbsG - Gunhild:

      Frau muss sich ja nicht im Pascha einmieten. In anderen Häusern oder Apartments kostet es weit weniger. Im übrigen gehört der Sektor reglementiert. Jede Pommesbude ist reglementiert. Aber aufgrund der scheinheiligen Doppelmoral, jetzt wieder gestärkt durch die AfD, geht kein Politiker gern an das Thema ran. Sonst wird er noch als Puffbesucher abqualifiziert.

  • en passant -

     

    tja - so is das -

    wenn man zum Lachen in den Keller geht -

     

    ers mit de Harley durchs Glasdach

    und dann -

    mit der Band ausse verbotenen Stadt -

     

    1000 Jahre Tote Hosen ;•)

  • Meine Grundhaltung ist, alle menschlichen Wünsche erst mal zu sortieren und womöglich zu akzeptieren. In welcher Form das dann realisiert wird, ist eine andere Frage. Prinzipielle weltanschauliche Regeln halte ich für zweifelhaft. Frauen in diesem Beruf gehören geschützt. Dazu bedarf es Regeln, die vom Staat durchgesetzt werden. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat und nicht bei der Mafia.