Kritik an Protestaktion: Gekaufte Demonstranten
Der Verein Beltretter hat in Kiel mit angeheuerten Komparsen gegen die geplante Fehmarnbeltquerung protestiert. Die Kritik weist er zurück.
Dass die Protestierenden weitgehend angeheuert waren, zeigte sich, als der Korrespondent der Lübecker Nachrichten sie ansprach und laut seinem Bericht daraufhin von einer Mitarbeiterin der Beltretter zurückgepfiffen wurde. Laut Lübecker Nachrichten erhielten die Komparsen für die Teilnahme an einer „politischen Kundgebung“ 60 Euro plus Fahrtkosten. Die Pressesprecherin der Beltretter, Karin Neumann, kann die Zahlen nicht bestätigen. Die Agentur Starboxx will sich auf Anfrage nicht äußern.
PolitikerInnen verschiedener Parteien kritisierten das Vorgehen der Beltretter: Den Lübecker Nachrichten sagte der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP), dies sei eine „Täuschung der Öffentlichkeit“ und eine „sehr zweifelhafte Art, vom Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen“. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Martin Habersaat sprach von einem „faden Beigeschmack“.
Die Beltretter, hinter denen ein breiter Zusammenschluss von Privatpersonen, Geschäften, aber auch einigen Ortsverbänden der Grünen und der Umweltschutzverein Robin Wood steht, weisen die Kritik in einer Erklärung zurück. Man habe keine Demonstranten bezahlt, sondern „Darsteller“ für künstlerische Aktionen. Als solche habe man sie auch der Presse angekündigt.
„Bilder, die wachrütteln“
Es gehe darum, „unsere Botschaften in Bilder zu übersetzen, die die Menschen wachrütteln sollen“, und „mit starken Bildern“ Aufmerksamkeit zu erregen. Deshalb inszeniere man Strandszenen, bei denen die matschverschmierten Badedarsteller künftige Beeinträchtigungen zeigen sollen.
Zudem, so argumentieren die Beltretter, bezahlten die „Tunnelplaner und -lobbyisten ständig Leute“, die etwa „Passanten ansprechen und Pro-Tunnel-Broschüren verteilen sowie auf Veranstaltungen sprechen“. Dies zahle der dänische Steuerzahler, während die Komparsen bei den Aktionen in Kiel, wie auch in Leipzig und auf Fehmarn, über Spendengelder aus der Kasse der Beltretter bezahlt würden.
Fragt man in der Branche der Komparsenvermittlung nach, so ist die Anwerbung für politische Aktionen sehr ungewöhnlich. Einem Kenner sind innerhalb von 30 Jahren gerade mal ein bis zwei solcher Anfragen geläufig. Dabei sei es um „spezielle Projekte“ gegangen, etwa eine Kombination von Demo und Filmprojekt. Sonst hätte man eine solche Vermittlung abgelehnt.
Die Pressesprecherin der Beltretter räumt auf Anfrage der taz ein, dass die Aktion bei der Stadt Kiel als „Versammlung“ angemeldet wurde. Man habe aber „von Beginn an immer von einer inszenierten Aktion berichtet und nie von einer Demo gesprochen“.
Vertrauen in „echte politische Motivation“
Tatsächlich, so die Auskunft der Stadt Kiel, muss für eine rein künstlerische Aktion keine Demonstration angemeldet werden. Dafür sei lediglich eine Sondernutzungserlaubnis für die öffentliche Fläche erforderlich.
In juristischen Kreisen wird die Frage, ob bei einer solchen Veranstaltung, die das Grundrecht der Versammlungsfreiheit beansprucht, Teilnehmer bezahlt werden dürfen, bislang nicht diskutiert. Laut Arne Pilniok, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hamburg, habe die Öffentlichkeit „erst einmal das Vertrauen, dass die Teilnehmer von einer echten politischen Motivation angetrieben“ werden. Angesichts einer Aktion wie der in Kiel bleibe sicherlich „ein Unbehagen“.
Der Gesetzgeber verlasse sich darauf, dass im öffentlichen Meinungsbildungsprozess ausreichend kritisch darauf gesehen werde. In Zeiten, in denen sich die Politik polarisiere und finanzkräftige Konzerne Meinungsbildungsprozesse instrumentalisierten, müsse man die Entwicklung aufmerksam beobachten.
Hört man sich bei anderen Protagonisten des Protests gegen den Fehmarnbelt um, ist die Reaktion auf das Vorgehen der Beltretter eher verhalten. Ilka Bodmann, Pressereferentin des Nabu Hamburg, sagt, das Anheuern von Komparsen sehe sie in Hamburg „nicht als Geschäftsmodell“.
Wenn man Aktionen mache, dann mit Ehrenamtlichen. Das sei unter der Woche nicht immer einfach, bei Terminen am Abend oder Wochenende aber „kein Problem“. Zudem gehe es grundsätzlich nicht immer um große Zahlen: „Es reicht auch einmal, mit 20 Leuten und nicht mit 200 da zu stehen“, sagt Bodmann.
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