Kritik an Politiker:innen: Das Comeback der fliegenden Eier
Ob mit Torten oder Schuhen – wenn nach Politiker:innen geworfen wird, diskutiert die Öffentlichkeit. In letzter Zeit stand das Ei im Mittelpunkt.
W er mir auf Social Media folgt, weiß, dass ich gerne koche und backe. Wer mich etwas besser kennt, sagt mir ganz oft, dass ich gut koche und backe. Einige Friends von mir laden sich zumindest gerne ein, weil sie wissen: Es gibt immer etwas zu mampfen. Deswegen habe ich Nafri-Mama-mäßig meist ein paar Grundzutaten im Haus: Olivenöl ist da und Grieß, verschiedene Nüsse, hausgemachte eingelegte Zitronen, die gute Pasta, Safran und Feinschmeckersardinen in der Büchse (mmmh! Lecker!), alles, was man in Deutschland halt nicht hamstert.
Was auf jeden Fall nie in meinem Haushalt fehlen darf: Eier. Die sind vielseitig und fürs Backen eh praktisch. Außerdem erleben sie gerade ein politisches Comeback.
Neulich, am 1. Mai, wurde Franziska Giffey, auch als Regierende Bürgermeisterin von Berlin bekannt, bei einer Kundgebung mit einem Ei beworfen. Giffey ist bei der SPD und kommt in linken Kreisen der Hauptstadt so überhaupt nicht gut an. Deswegen erzielt sie im hochbürgerlichen, sehr deutschen Neukölln exzellente Ergebnisse.
Nach dem Eiwurf, der Giffey verfehlte, schrieb die taz-Redakteurin Fatma Aydemir auf Twitter „Ei Mubarak“ und gratulierte so allen Geschwistern zum Zuckerfest, das auch Eid genannt wird. Bevor Sie jetzt denken „über GEWALT lacht man nicht!“, muss ich Sie darauf hinweisen, dass Giffey selbst danach auf Facebook einen Pfannkuchenwitz gepostet hat. Er war halt null lustig.
Vor wenigen Tagen traf es dann Außenministerin Annalena Baerbock. „Traf es“ stimmt aber nicht. Bei einer Kundgebung in Wuppertal warfen proputinsche, also sehr deutsche Demonstrant*innen weit daneben. Das Bild passt auch gut auf deren Argumente. Allerdings kann die zeitgenössische Version des Eierwurfs nicht an alte Erfolge knüpfen: Helmut Kohl traf am 10. Mai 1991 ein Protestei in Halle direkt ins Gesicht. Damals war es ein Juso, der ausgeholt haben soll. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen (also, dass es ein Juso war).
Legendär und inspirierend ist der Tortenwurf auf Beatrix von Storch, auch bekannt als Enkelin des Erbgroßherzogs Nikolaus von Oldenburg (prominentes Mitglied der NSDAP und der SA) und von Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk (Reichsfinanzminister von 1932 bis zum bitteren Ende damals). Die AfD-Rechtsaußen bekam das mutmaßlich eihaltige Dessert im Jahr 2018 voll ins Gesicht von der Aktivist Julia Pie. PIE! Die Pointen schreiben sich in dieser Kolumne wie von selbst.
Ich kann aber noch eine Baiserkrone wie auf einen fancy Kuchen draufsetzen: Wir Arabs werfen gerne Schuhe. Wie damals die legendäre Schuhattacke auf George W. Bush durch einen irakischen Journalisten. Neulich im Sudan warf eine andere Kollegin auf einen Regime-Sprecher ihre Sandalen. Hier wie da angebrachte Kritik. Was ich damit sagen will: Bei den Eierwürfen in Deutschland handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um sogenannte arabische Clankriminalität. Ich tippe auf egg white on white crime.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator