Kritik an Hamburger Klimainitiative: Gegner des Klimaentscheids wachen auf
Im kommenden Jahr werden Hamburger*innen wohl über ein schärferes Klimagesetz abstimmen. Nun warnt die Wohnungswirtschaft vor steigenden Mieten.
Mit ihrem Volksbegehren für Klimaneutralität bis 2040 war die Initiative Zukunftsentscheid auf großen Zuspruch gestoßen. Binnen drei Wochen sammelten ihre Aktivist*innen 106.000 Unterstützer*innen-Unterschriften. Um einen Volksentscheid zu erzwingen, reichen schon rund 66.000.
Die Initiative fordert vom Senat und von der Bürgerschaft eine ehrgeizigere Klimapolitik: Statt 2045 solle Hamburg schon 2040 klimaneutral werden. Um das zu erreichen, sollen alle Ressorts auf Sektorziele verpflichtet werden, deren Einhaltung jährlich überprüft wird.
Vor allem der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) kritisiert die Initiative als idealistisch und unrealistisch. Schon das geltende Ziel, die Stadt bis 2045 klimaneutral zu machen, das heißt ihren Netto-Ausstoß an Treibhausgasen auf Null zu senken, sei schwer zu erreichen.
Die Frage der Ressourcen
Der VNW kritisierte, die Kosten würden erheblich steigen, sollten die gleichen Maßnahmen in einer kürzeren Zeitspanne umgesetzt werden müssen. Die konzentrierte Nachfrage werde die Preise für Material und Arbeit steigen lassen – ganz abgesehen von der Frage, ob es überhaupt genug Ressourcen dafür gäbe. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Kienscherf äußerte die Befürchtung, dass die Mieten drastisch steigen könnten.
Der Mieterverein zu Hamburg, der den Zukunftsentscheid unterstützt, wies die Kritik entschieden zurück: Es stiegen ja nicht die Gesamtkosten, sondern sie würden lediglich auf einen kürzeren Zeitraum verteilt. „Der Geldbetrag, den wir für die Erreichung des Ziels 2040 aufbringen müssen, ist gleich hoch, wie wenn wir ihn bis 2045 ausgeben.“, sagt Rolf Bosse, der Vorsitzende des Mietervereins.
Um zu verhindern, dass die Kosten letztlich bei den Mieter*innen hängen bleiben, schlägt Bosse vor, die Kosten durch eine Drittel-Teilung gleichmäßig auf die öffentliche Hand, Vermieter*innen und Mieter*innen aufzuteilen.
Er betonte jedoch, dass ein erheblicher Teil der Investitionskosten aufgrund von Klimaschutzmaßnahmen Erhaltungs- und Instandsetzungskosten sind, die ohnehin von den Vermieter*innen getragen werden müssten und nicht umgelegt werden könnten. Außerdem würde die Steigerung der Mieten durch gesparte Heizkosten etwa infolge besserer Dämmung ausgeglichen.
Petra Memmler, Geschäftsführerin VNW
Der VNW kritisiert, die Instrumente des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes würden bei einer Umsetzung des Klimaentscheids die gleichen bleiben. Der Maßnahmenkatalog würde nicht angepasst. „Es wird dem Klimaschutz nicht gedient sein, wenn man das gleiche, was man seit 20 Jahren macht, immer mehr und immer schneller macht“, sagt VNW-Geschäftsführerin Petra Memmler. Die Initiative laufe mit ihren Forderungen daher in die falsche Richtung.
Der VNW kritisiert, die Klimaschutzanstrengungen der vergangenen Jahre hätten ein schlechte Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die Ausgaben für Energieeffizienzmaßnahmen seien von 2011 bis 2022 um 40 Prozent gestiegen, der Energieverbrauch sei dabei jedoch stagniert. Daran zeige sich, dass diese Maßnahmen für den Klimaschutz nichts gebracht hätten.
Der Mieterverein schlägt vor, die Wohnungen mit regenerativer Energie zu versorgen, statt immer weiter zu dämmen. Klimaschutz funktioniere „auch mit moderater Dämmung, aber regenerativer Energieversorgung“, sagt.
Der VNW kann da mitgehen, weist aber darauf hin, dass noch nicht genügend regenerative Energie zur Verfügung steht. Der Verband bezweifelt zudem, dass, wie vom Zukunftsentscheid gefordert, jährlich Emissionsbilanzen erstellt und mit Sofortmaßnahmen verbunden werden können. „Durch ein politisches Bekenntnis würde noch nichts umgesetzt“, sagt VNW-Geschäftsführerin Memmler. Die Ziele seien „Wunschdenken“.
Der Mieterverein setzt Optimismus dagegen. Zur Erreichung der Klimaziele müsse ein gemeinsamer Plan entwickelt werden, der von allen Akteuren unterstützt wird. Man müsse die Kosten gemeinsam übernehmen. „Es braucht Commitment“, sagt Bosse. Er erinnert daran, dass über das Volksbegehren verhandelt werden könne. „Der Ball liegt bei der Politik“, sagt der Vorsitzende des Mietervereins.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren