Kritik an Garzweiler-Einsatz: Am Innenminister perlt alles ab
Der Polizeieinsatz im Tagebau Garzweiler war „verhältnismäßig“, meint NRW-Innenminister Jäger. Die Protest-Organisatoren widersprechen.
BERLIN taz | Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat sämtliche Kritik am Polizeieinsatz im Braunkohle-Tagebau Garzweiler am vorletzten Wochenende zurückgewiesen. „Auf Basis der mir zum jetzigen Zeitpunkt vorliegenden Informationen betrachte ich die getroffenen Maßnahmen als verhältnismäßig“, schreibt Jäger in einer Stellungnahme für den Landtag. Der vorgebrachten Kritik werde dennoch „konsequent nachgegangen“.
Am 15. August waren etwa 1.200 UmweltaktivistInnen in einer angekündigten Aktion in den Tagebau Garzweiler eingedrungen, um gegen die Klima- und Landschaftszerstörung durch Braunkohle zu protestieren. Die Polizei nahm mehr als 800 Personen vorübergehend fest und erstattete 799 Strafanzeigen, davon 750 wegen Hausfriedensbruch.
Danach gab es Vorwürfe, die Polizei sei unverhältnismäßig hart gegen die AktivistInnen vorgegangen, habe eng mit RWE zusammengearbeitet und Journalisten behindert.
Das weist Jäger zurück. Während Augenzeugenberichte und Videoaufnahmen bisher keine Hinweise auf Gewalt durch die UmweltaktivistInnen geben, spricht der Innenminister davon, dass sie „gemeinsam und zum Teil gewaltsam gegen die eingesetzten Polizeibeamten“ vorgegangen seien.
Dass die „Gewalt“ nicht besonders ausgeprägt sein konnte, zeigt sich an anderer Stelle im Bericht: Demnach wurden beim Einsatz nur 16 PolizistInnen „leicht verletzt“, und darunter waren bereits diejenigen, die Pfefferspray ihrer KollegInnen abbekommen hatten. Eine Behinderung der Presse durch die Polizei – die auch der Autor dieses Textes unmittelbar erlebt hat – bestreitet der Minister ebenfalls rundheraus.
Die Piraten-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, die den Bericht angefordert hatte, sieht noch viele Frage offen. „Es ist typisch, dass das Ministerium meint, alles richtig gemacht zu haben“, sagte Innenexperte Frank Herrmann der taz. „Mein Eindruck aus der Dokumentation ist, dass die Besetzung friedlich abgelaufen ist.“
Auch das Bündnis „Ende Gelände“, das zu der Besetzung aufgerufen hatte, wies die Darstellung des Ministeriums zurück. Die Polizei habe die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt, sondern sei „von Anfang an mit voller Härte“ vorgegangen, sagte Sprecherin Mona Bricke.
Leser*innenkommentare
Ulrich Frank
Da sind doch die Grünen mit an der Regierung. Von denen scheint man nichts zu hören. Das wäre auch normal - für die "Grünen", wenn sie einmal an der Macht sind.
Doktor No
799 Strafanzeigen? Und in Heidenau, warte, wie viele waren dort?
lions
@Doktor No Da waren jedenfalls nicht so viele eh .....Linke.
Selbstdenker
Die Polizei hat hier, wie so oft, politisch eingegriffen, was eine eklatante Kompetenzüberschreitung ist und auch ihre Neutralität untergräbt.
Die Polizei stellt sich bei jeder Gelegenheit in den Dienst der Wirtschaftslobby (10% der Gesamtwirtschaft) und sie verhindert weitgehend den Protest und die juristische Verfolgung von Nazis, bzw. rassistischen Gewalttätern, was einen Amtsmißbrauch darstellt.
henri leise
ich fand die bullen haben genau wie bei jeder besetzung durch linke bzw umweltaktivisten agiert knüppel ausm sack und immer feste drauf...war ja kein flüchtlingsheim das beschützt werden musste, da kann man den knüppel ja ruhig im sack lassen...
Dubiosos
Tja, wenn rasistische parolen rufendes Pack Böller und Steine auf Beamte schmeißt wie in Heidenau, dann gibt es 2 Strafanzeige. Wenn friedliche Umweltaktivisten eine Aktion machen, gibt es 799 Strafanzeigen. Wer das "verhältnismäßig" findet, dem kann man auch kaum noch helfen.
henri leise
@Dubiosos guter vergleich!!!ich war auch da..und wir waren wirklich friedlich...
76530 (Profil gelöscht)
Gast
Was lernen wir daraus? Braune Demonstranten sind in Deutschland staatstragend, Umweltaktivisten nicht. Deutlicher als in diesem Vergleich kann D 2015 nicht abgebildet werden.
Auf dieses Dilemma kann im Zuge parlamentarischer Wahlen nur begrenzt Einfluss genommen werden. Die Zeiten rufen nach einer neuen AußerParlamentarischen Opposition.
Eigensinn
IGBE, RWE, SPD, GdP gehören unter Hanni nun mal in NRW dem und zum Kohleland, und zwar Braun-Kohle-Land. Garzweiler und Umgebung sind gleichsam exterritorial. Dorthin darf Jäger Hilfstruppen schicken und dem Kommando der RWE-Security unterstellen, und solche Hilfe ist an sich immer "verhältnismäßig".