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Kritik an Freihandelsabkommen mit EUZweifel in Kanada

Zu viel Geheimniskrämerei, Angst vor Investorenschutz und Waren aus Übersee: Das Ceta-Abkommen wird auch im Ahornstaat skeptisch betrachtet.

Mit dem Freihandelsabkommen möchte Kanadas Premier Stephen Harper Europa näherkommen Bild: dpa

EDMONTON taz | Knapp ein Jahr ist es her, da trafen sich Kanadas Premierminister Stephen Harper und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel und verkündeten den Abschluss eines Freihandelsabkommens. Harper sprach von einem „historischen Deal“, Barroso von einer „neuen Ära der Zusammenarbeit“. Neun Monate später redet niemand mehr so schwülstig. Die Verhandlungen ziehen sich nämlich weiter hin, die Kritik auf beiden Seiten des Atlantiks wird lauter.

Nicht nur Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zweifelt an den bislang im Ceta-Entwurf vorgesehenen Regeln zum Schutz von Investoren – und deutsche Zeitungen spekulieren bereits über das Aus von Ceta. Auch die Kanadier werden immer skeptischer. Premier Harper sei vom Gegenwind aus Europa offenbar „auf dem falschen Fuß erwischt worden“, lästerte am Montag die größte Tageszeitung des Landes, der Toronto Star. „Wir werden wohl nachverhandeln müssen“, schwant dem wirtschaftsnahen Globe and Mail.

Seit 2009 wird über Ceta verhandelt. Das Abkommen soll Zölle für Güter und Dienstleistungen abbauen, die Exportquoten für Agrarprodukte erhöhen und Unternehmen Zugang zu öffentlichen Aufträgen verschaffen. Derzeit ist Kanada der zwölftwichtigste Handelspartner der EU. Nun hofft allein die Regierung in Ottawa durch Ceta auf rund 18.000 neue Jobs. Für die EU ist das Abkommen zudem eine Art Testfall für TTIP, ein ähnliches Abkommen mit den USA.

Zwar unterstützen große Teile der Industrie, die großen Medien und die beiden wichtigsten Parteien den Vertrag, zwei Drittel der Kanadier befürworten grundsätzlich mehr Handel mit der EU. Ähnlich wie viele Europäer beklagen sie jedoch die Geheimniskrämerei bei den Verhandlungen. Bei einer Umfrage verlangten zuletzt 80 Prozent der Befragten von ihrer Regierung mehr Aufklärung und forderten öffentliche Ceta-Anhörungen.

Lange Liste mit Mängeln

Fast ein Viertel der Kanadier sah sich mangels Informationen überhaupt nicht in der Lage, das Abkommen zu bewerten. Große Bedenken haben kanadische Gewerkschaften, Umweltverbände, Kommunen und regierungskritische Organisationen. „Die Liste der Mängel ist lang“, meint Scott Harrison vom globalisierungskritischen Netzwerk „Council of Canadians“, dem etwa 70.000 Kanadier angehören. „Am schlimmsten sind die Klauseln zum Investorenschutz. Wir freuen uns, dass dies jetzt auch die deutsche Regierung erkannt hat.“

Die umstrittenen Klauseln sollen es ausländischen Firmen ermöglichen, einen Staat an der nationalen Gerichtsbarkeit vorbei vor Sondertribunalen zu verklagen, wenn sie durch eine politische Entscheidung ihre Investitionen oder Profite geschmälert sehen, etwa durch Gesetze zum Naturschutz. Ähnliche Klauseln besitzt auch das Nafta-Freihandelsabkommen zwischen Kanada, den USA und Mexiko, das 1994 in Kraft trat.

Die kanadische Regierung bestand bislang auf solchen Klauseln, obwohl sie damit im Rahmen von Nafta selbst schlechte Erfahrungen macht. Derzeit verklagt etwa der US-Pharmakonzern EliLilly Kanada auf 500 Millionen Dollar, weil ein Gericht zwei seiner Patente nicht anerkennen wollte. Der Energiekonzern Lone Pine wehrt sich mit einer 250-Millionen-Dollar-Klage gegen ein von der Provinz Québec erlassenes Moratorium beim umstrittenen Fracking.

„Solche Tribunale blühen zukünftig auch europäischen Ländern, wenn Ceta wie geplant in Kraft tritt“, ist Harrison sicher. Die kanadische Gewerkschaft Nupge, die rund 340.000 Angestellte im öffentlichen Dienst vertritt, warnt: „Regierungen werden mit Ceta immer mehr Kompetenzen an die Industrie abtreten und die Fähigkeit verlieren, politisch zu gestalten.“

Der Widerstand kommt aus vielen Ecken: Viele Gemeinden fürchten, dass EU-Firmen bei Ausschreibungen künftig die Oberhand behalten. Die Provinzen wehren sich gegen höhere Ausgaben für Medikamente, wenn EU-Firmen ihre Pharmapatente durchsetzen. Die Agrarlobby scheut den Wettbewerb mit Europa.

Die kanadische Regierung aber hofft unbeirrt, den Vertrag auf einem europäisch-kanadischen Gipfel im Herbst festzuzurren. Eine Sprecherin des Handelsministeriums sprach noch am Sonntag von den „exzellenten Fortschritten“, die Ceta mache, die Regierung plant bereits eine feierliche Ratifizierungszeremonie in Ottawa. Wenn das mal nicht schiefgeht.

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