Kritik an DDR-Aussage von Linke-Politiker: Ramelow lehnt Wort "Unrechtsstaat" ab
Der thüringische Linke-Spitzenkandidat Ramelow steht wegen Interview-Äußerungen zur DDR in der Kritik. Ramelow wollte die DDR nicht als "Unrechtsstaat" bezeichnen.
BAD SALZUNGEN/ERFURT taz/dpa Der Begriff „Unrechtsstaat“ sei „mit juristischen Definitionen nicht zu fassen“ und „wohl eher ein politischer Begriff“, sagte Ramelow in der „Südthüringer Zeitung“. Selbst die Bundesregierung könne ihn nicht definieren. Als positives Beispiel für das DDR-Rechtssystem führte er an, dass das Arbeitsrecht in der DDR „als Gesetzestext in seiner Gesetzeslogik wesentlich besser und schlüssiger als die entsprechenden, völlig unübersichtlichen Vorschriften aus Westdeutschland“ gewesen seien.
Klar sei jedoch, dass die DDR kein Rechtsstaat gewesen sei. „Zum Beispiel hat die DDR keine justitiablen Wege geöffnet, wie der Staatsbürger der DDR sich gegen Entscheidungen von Behörden oder Verwaltungen hätte juristisch wehren können“, sagte Ramelow.
Der Linken-Politiker erntete mit dieser Auffassung harrsche Kritik von SPD-Chef Christoph Matschie. Er rief Ramelow auf, sich für die Verharmlosung des SED-Unrechts zu entschuldigen. „Dort, wo es kein Recht gibt, herrscht Unrecht. Das muss auch in aller Deutlichkeit so gesagt werden.“
Thüringens Kultusminister Bernward Müller (CDU) bezeichnete Ramelows Aussagen als Geschichtsklitterung und forderte eine „sofortige Klarstellung“. Angesichts der vielen Toten an der innerdeutschen Grenze sowie von Unterdrückung, Abschottung und Verfolgung von Menschen seien die Äußerungen von Ramelow ein "Schlag ins Gesicht der SED-Diktatur". Damit biete der Politiker ein schlechtes Vorbild für alle Schülerinnen und Schüler.
Dem in Westdeutschland geborenen Ramelow wurde auch ein gewisses Verständnis für die Mauer vorgeworfen. Er hatte in dem Interview gesagt, sie sei dem Kalten Krieg geschuldet gewesen und sollte das Ausbluten der DDR verhindern. Ramelow sprach von einer „nicht akzeptablen Grenzerrichtung“, die durch Währungs- und Wirtschaftsdifferenz zwischen Ost und West entstanden sei.
„Die Grenze war legitim. Die Mittel der Grenzsicherung waren es aus meiner Sicht nicht", stellte er klar. Die Grenze sei „zu einer tödlichen Gefahr für jeden Menschen, der sich auf internationale Standards des Selbstbestimmungsrechts berufen wollte“ geworden.
Ramelow reagierte mit Unverständnis auf die Kritik. „An einem Unwert-Urteil der DDR werde ich mich nicht beteiligen“, sagte er. Die Kritiker hätten das Interview nicht im Detail gelesen. Offenbar versuche die CDU erneut, ihre eigene Geschichte als Blockpartei wegzudrücken. Die CDU hatte selber im SED-Regime mitgewirkt. Die Partei hatte zahlreiche Vertreter im Präsidium der Volkskammer, im Minister- und im Staatsrat der DDR. BL
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