Kritik an Atomplänen der Regierung: "Legal, illegal, scheißegal"

Die Bundesregierung achte bei der Verlängerung der Akw-Laufzeiten nicht auf die Sicherheit der Bevölkerung – und breche die Verfassung, sagt die Deutsche Umwelthilfe.

Wollen Atomkraftwerke länger laufen lassen: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Bild: ap

BERLIN taz | Die Konservativen - Politiker aus der Union und der FDP - machen sich den Slogan der Hausbesetzer der 80er Jahre zu eigen: "legal, illegal, scheißegal". Das sagte Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe am Donnerstag. Lässt Schwarz-Gelb die 17 Reaktoren länger als bisher geplant am Netz, meint er, "kollidiert das mit dem Grundgesetz".

Die Regierungsbeamten formulieren das Atomgesetz um. Der Umwelthilfe geht es dabei anders als anderen Kritikern nicht darum, ob der Bundesrat ausgehebelt wird. "Die Regierung hebelt Rechte von AKW-Anwohnern aus und vernachlässigt die dem Staat obliegende Schutzpflicht für die Bevölkerung", sagt Rosenkranz Kollegin Cornelia Ziehm. Die Rechtsanwältin meint Paragraf 7d "Vorsorge gegen Risiken" des Gesetzes, der der taz vorliegt.

Der Paragraf im 42-seitigen Entwurf des zweiten Teils über die Sicherheit kommt den Atomkonzernen entgegen. Sie sind demnach "zur weiteren Vorsorge gegen Risiken für die Allgemeinheit verpflichtet, spätestens zehn Jahre nach dem Datum [des Inkrafttreten dieses Gesetzes] nachzuweisen, dass bautechnische Maßnahmen zum Schutz des Reaktorgebäudes vor Flugzeugabstürzen … verwirklicht sind".

Altreaktoren wie Brunsbüttel könnten ohne teure Nachrüstung zunächst weiterlaufen. Allerdings verhandelte die Regierung erst am Donnerstag wieder. Laut Süddeutscher Zeitung ist auch eine fünfjährige Frist im Gespräch. Aber Ziehm ärgert noch anderes: Die Reaktoren sollen nur einem Absturz einer Maschine vom Typ Airbus 320 standhalten, nicht aber eines Großraumflugzeuges wie des A 380. Das widerspreche der jüngsten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, sagt sie.

Nächstes Problem: Anwohner sollen das vom Bundesverwaltungsgericht längst zugestandene Recht verlieren, Schutz gegen Terrorangriffe auf Reaktoren einzuklagen. Ziehm: "Der Staat vernachlässigt seine Schutzpflicht gegenüber dem Bürger zugunsten der Atombetreiber." Nicht nur die Rechtsgrundlage des Atomneueinstiegs ist strittig.

Mittlerweile haben Forscher die am Montag veröffentlichten "Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung" geprüft. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) folgert aus dem Werk, für die Volkswirtschaft sei es gut, die Reaktoren bis zu 20 Jahre länger laufen zu lassen. Doch Felix Matthes vom Ökoinstitut Darmstadt sagt: "Die Studie ist inkonsistent und illusorisch." Die Forscher gehen davon aus, dass der Ölpreis auf 130 Dollar je Barrel steigt, der Gaspreis fast gleich bleibt. Dabei sind beide gekoppelt.

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