Kritik am Wohnungsverband BBU: Genossenschaften sollen austreten
In einem Dossier wird der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU ins Visier genommen. Er sei ein Sprachrohr der Immobilienlobby.
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Mit seinen Kampagnen gegen Mietendeckel und Vergesellschaftung, heißt es im Dossier, das am Mittwoch Nachmittag veröffentlicht wurde, versuche der BBU, „die öffentlichen Debatten um eine gemeinwohlorientierte Transformation des Wohnungsmarktes zu bestimmen“. Heißt übersetzt: Der BBU ist das Sprachrohr der Deutschen Wohnen und Vonovia und einer Baupolitik der SPD, die die großen privaten Wohnungsunternehmen nicht enteignen, sondern mit noch mehr Steuergeld zum Bauen ermuntern will.
Schrader und Piening gehören beide zur Möckernkiez-Genossenschaft. Deren Mitglieder wiederum haben sich teilweise dem Netzwerk „Die Genossenschafter*innen“ angeschlossen, einem Zusammenschluss von Mitgliedern Berliner Wohnungsgenossenschaften, der sich im Februar 2020 gegründet hat. Zuvor hatten sowohl der Dachverband „Wohnungsbaugenossenschaften Berlin“ als auch der BBU eine Kampagne gegen den Mietendeckel unterstützt. Auch gegen den Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen betreibt der BBU mit seiner Vorständin Maren Kern Lobbyarbeit.
Schrader und Piening nehmen das zum Anlass, die Geschichte und Unternehmensstruktur des BBU genauer zu durchleuchten. „Der BBU e.V. ist nicht nur ein Verband, sondern agiert auch als Wirtschaftsunternehmen, das wohnungswirtschaftliche Dienstleistungen anbietet“, heißt es im Dossier. „Er betreibt ein Unternehmensgeflecht, das von der Bauberatung und -finanzierung über die Wirtschaftsprüfung bis zur Rekrutierung geeigneten Personals sämtliche Aspekte der Wohnungswirtschaft beackert.“
Die „Spinne im Netz“
Soll heißen, der BBU ist eine „Spinne im Netz“ der Immobilienwirtschaft. Das war er nicht immer. Selbst sieht sich der Verband gerne in der Tradition der genossenschaftlichen Selbsthilfebewegung des 19. Jahrhunderts. 1992 aus zwei Verbänden in West- und Ost-Berlin gegründet, war der BBU zunächst Sprachrohr der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Mit der Privatisierung der GSW und anderer Bestände kamen aber auch deren Käufer unters Dach des Verbandes mit seinen 338 Mitgliedern in Berlin und Brandenburg. Heute gehören laut Sdchrader und Piening 45 Prozent der Wohnungen der BBU-Mitgliedsunternehmen zu städtischen Gesellschaften, 30 Prozent privaten Unternehmen wie der Vonovia und 25 Prozent den 74 Mitgliedsgenossenschaften.
Dass so viele Genossenschaften dem BBU angehören, habe mit seiner Doppelstruktur zu tun, schreiben Schrader und Piening: „Der BBU ist gleichzeitig Interessenverband und genossenschaftlicher Prüfungsverband.“ Die Genossenschaft Möckernkiez habe daraus nun die ersten Konsequenzen gezogen. Bereits im Juni vergangenen Jahres habe die Mitgliederversammlung beschlossen, die Zugehörigkeit zum BBU aus der Satzung zu streichen. In diesem Jahr nun wollen die Mitglieder darüber entscheiden, welchem Prüfverband sie sich in Zukunft anschließen wollen. Ein Stellungnahme des Vorstands war zunächst nicht zu bekommen.
Inzwischen gibt es Forderungen an andere Genossenschaften, dem Beispiel des Möckernkiezes zu folgen. „Mir schiene die beste Lösung, die Genossenschaften und die landeseigenen Wohnungsunternehmen trennen sich vom BBU und überlassen Ihn der privaten Immobilienwirtschaft“, kommentiert Wolfgang Mahnke. „Dadurch erlangen sie die Option, sich in Verbänden zusammenzuschließen, die einer gemeinwirtschaftlichen Unternehmenskultur verpflichtet sind.“ Mahnkes Statement findet sich auf der Webseite der „Genossenschafter*innen“.
BBU weiß von nichts
Beim BBU selbst ist von einer Absetzbewegung allerdings noch nichts angekommen. „Man muss da trennen zwischen einigen Aktivistengruppen in der Mitgliedschaft und den Vorständen“, sagt David Eberhart, der Sprecher des Verbandes, der von der taz vom Dossier erfuhr. Er sagt, dass über 90 Prozent der Genossenschaften beim BBU seien, weil es dort neben dem Prüfungswesen auch zahlreiche Beratungsangebote und Kontaktmöglichkeiten geben.
Einen Spagat zwischen den Interessen der Genossenschaften, der sechs Berliner Wohnungsbaugesellschaften und der privaten Wohnungswirtschaft sieht Eberhart nicht. „Alles sind Unternehmen, die ihre Bestände professionell bewirtschaften und halten wollen.“
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