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Kritik am PolizeigesetzOpposition hat da ein paar Fragen

Die Debatte um ein schärferes Polizeigesetz ist entbrannt: Grüne bringen Fragenkatalog in den Innenausschuss am Montag ein.

Laut verschärftem Polizeigesetz könnten Taser bald im Einsatz sein Foto: dpa/Andreas Arnold

Berlin taz | I Anfang Oktober einigte sich die schwarz-rote Koalition auf einen Entwurf für ein schärferes Polizeigesetz. Ein verstärkter Einsatz von Bodycams, Taser und längere Präventivgewahrsam sollen eingeführt werden. Der Gesetzentwurf zum Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) soll demnächst im Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Nach den jüngsten rechtsextremen Ereignissen bei der Berliner Polizei legte Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen, nun einen umfangreichen Katalog mit 85 Fragen für die Sitzung des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses am Montag vor.

300 unbearbeitete Strafanzeigen in Sachen rechter Kriminalität innerhalb der Polizeireihen wurden über Jahre nicht verfolgt. „Leider reiht sich dieser Skandal in eine Serie von Vorfällen, die insbesondere bei Betroffenen rechter Straftaten Misstrauen in den Staat und seine Strukturen schüren“, sagt Ario Mirzaie, Sprecher der Grünen für Strategien gegen Rechts. Dieser Vorfall, erst kürzlich publik geworden, habe einen „umfassenden Änderungsbedarf offenbart“, so Franco.

Auch gibt es mehr Fragen zum Gesetzentwurf als Antworten: „Es droht ein schlecht gemachtes Gesetz, das unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe beinhaltet und Rechtsunsicherheit auf die Po­li­zis­t:in­nen in ihren Einsätzen überträgt. Wir haben einen umfassenden Fragenkatalog mit 85 Fragen an die Innenverwaltung eingereicht und erwarten, dass die geäußerte Kritik der Sachverständigen berücksichtigt und eingearbeitet wird“, sagt Franco.

300 unbearbeitete Strafanzeigen

Laut dem Entwurf des verschärften Polizeigesetzes soll es Po­li­zis­t:in­nen erlaubt werden, bei bestimmten Einsätzen mit Bodycams an ihren Uniformen das Geschehen zu filmen, wenn die Gefahr vor Eskalation besteht. Gefilmt werden soll auch im Streifenwagen oder in Wohnungen. Beim Präventivgewahrsam, damit ist das vorsorgliche Einsperren mutmaßlicher Straf­tä­te­r:in­nen in bestimmten Fällen gemeint, soll die Höchstdauer von zwei auf fünf Tage verlängert werden.

Außerdem sollen Elektroschockpistolen (auch Taser genannt) genutzt werden dürfen. Es gab bereits Testphasen, dennoch warnen Experten: Auch wenn es sich anscheinend um kleine Stromimpulse handelt, könnte die Benutzung von Taser in den meisten Fällen tödlich enden – hier braucht es präzisere Regeln, sagt Hartmut Aden, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, gegenüber dem RBB.

Der Fragenkatalog der Grünen fokussiert sich vor allem auf den Einsatz der Bodycams und der Elektroschockpistolen. Die Menschenrechte könnten durch diese Maßnahmen verletzt werden. Es bestünden auch verfassungsrechtliche Bedenken, die nicht einfach so von CDU und SPD übergangen werden dürften, kritisierte Franco: „Unter dem Vorwand der Eilbedürftigkeit versucht die schwarz-rote Koalition eine Verschärfung des Berliner Polizeigesetzes auf den Weg zu bringen.“

Grünen haben 85 Fragen

Wie es nun aber zu den 300 unbearbeiteten Strafanzeigen kam? Die Antworten lassen auf sich warten. Klar ist jedoch, dass sich „dieses staatliche Versagen bei der Verfolgung rechter Straftaten nicht wiederholen darf“, sagt Mirzaie gegenüber der taz.

Die Fraktion der Grünen wird die Vorkommnisse beim Staatsschutz am Montag auf die Tagesordnung des Innenausschusses heben und die jüngsten Vorkommnisse beim Staatsschutz thematisieren: „Die verfassungsrechtlichen Bedenken können nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Es wäre kein gutes Zeichen für den Rechtsstaat, wenn CDU und SPD die substanzielle Kritik der Wissenschaftler und der Datenschutzbeauftragten übergehen“, sagt Franco. „Ein Gesetz, das Gefahr läuft, vom Verfassungsgericht wieder kassiert zu werden, schafft keine Sicherheit.“

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1 Kommentar

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  • "soll es Po­li­zis­t[en] erlaubt werden, bei bestimmten Einsätzen mit Bodycams an ihren Uniformen das Geschehen zu filmen"

    Wenn man mit dem Gesetz das Vertrauen der Bürger in die Polizei stärken wollte, würde man es so regeln, dass die Kameras permanent laufen müssen und verschlüsselt außerhalb der Reichweite der Polizei gespeichert werden. Für einen Zugriff bräuchte es dann einen richterlichen Beschluss.



    Aber nein, man baut von vornherein Missbrauchsmöglichkeiten ein. Polizeigewalt? War die Kamera wohl gerade aus. Gerade bei der jahrelang anhaltenden Serie von "Ermittlungsfehlern" bei der berliner Polizei und all den Rechtsextremen, die in dieser Zeit bei der Polizei aufgeflogen sind ein wohl bewusstes Versäumnis.



    Und wo man schon die Beweislastumkehr eingeführt hat: Wie wäre es wenn man bei solchen Pannen einfach mal davon ausgeht, dass es Absicht war, und alle beteiligten Beamten aus dem Dienst entfernt. Dann muss man dieser Vereinigung vielleicht in ein paar Jahren zumindest nicht mehr mit Misstrauen gegenübertreten.