Kritik am Entlastungspaket: Bundesländer fordern Lindner heraus
Lindner bekommt Kritik für angebliche „Nacht-und-Nebel-Aktion“. Niedersachsen will eine Milliarde beisteuern, wenn die SPD die Wahl gewinnt.
Aber nach seiner Rede wurde Lindner dann doch lieber zu anderen Dingen befragt: Er ist ja auch noch Bundesfinanzminister. Am Wochenende hatten einige Bundesländer ihren Unmut über das dritte Entlastungspaket kundgetan und mit einem Nein im Bundesrat gedroht.
Unter anderem werfen Bayern, Bremen, Sachsen-Anhalt und das Saarland der Bundesregierung vor, eine milliardenschwere Länderbeteiligung an den Kosten für die Entlastungsmaßnahmen beschlossen zu haben. Ohne Rücksprache. Von dem 65 Milliarden Euro schweren Entlastungspaket sollen die Länder nach eigenen Angaben 19 Milliarden Euro aufbringen. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) kritisierte dieses Vorgehen als „Nacht-und-Nebel-Aktion“ an den Ländern vorbei. CSU-Chef Markus Söder polterte am Sonntag auf Twitter, dass die Länder „von der Ampel durch finanzpolitische Tricksereien vorgeführt werden“. Woraufhin SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert Söder „politischen Größenwahn auf Kosten von Millionen Menschen“ vorwarf.
Finanzminister Christian Lindner kann das Gebaren der Länder nicht nachvollziehen, beteiligte sich aber nicht beim verbalen Wettrüsten. Er wolle Gesprächen mit den Ländern nicht vorgreifen, betonte aber, der Abbau der kalten Progression entlaste Menschen bei der Lohn- und Einkommensteuer. Es sei klar, dass die Länder ihren Beitrag leisten müssen, da die Steuer gemeinsam mit dem Bund eingenommen werde. Lindner ist zudem davon überzeugt, dass die Länder dazu die finanziellen Möglichkeiten haben. „Anders als der Bund“ hätten viele Länder 2022 die Schuldenbremse nicht ausgesetzt. Und ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse im Bund bleibt für Lindner Ultima ratio. Am 28. September ist ein Bund-Länder-Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geplant.
Opposition kritisiert das Paket als zu klein
Derweil ist Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der gerade darum kämpft, seine dritte Amtszeit antreten zu dürfen, am Montag vorgeprescht und hat im Falle seiner Wiederwahl ein Sofortprogramm von „mindestens einer Milliarde Euro“ angekündigt. Es sei offensichtlich, dass die bisherigen Unterstützungsmaßnahmen nicht ausreichten, sagte Weil. Das Land müsse einspringen, um bleibende Schäden zu verhindern, da die Maßnahmen des Bundes möglicherweise zu spät griffen.
Am Beispiel der Bäcker habe man gesehen, dass vielen kleinen und mittelständischen Betrieben zum Jahresbeginn – wenn alte Energielieferverträge ausliefen – die Puste auszugehen drohe. Darauf müsse man vorbereitet sein. Auch in anderen Bereichen wie Krankenhäusern, sozialen Einrichtungen, Kultur- und Sporteinrichtungen, Kitas und Schulen will Weil zuschießen, bis der Bund nachgesteuert habe.
200 Millionen Euro sollen über die landeseigene NBank als Wirtschaftshilfen für kleine und mittlere Unternehmen bereitgestellt werden. Die Kriterien und Bedingungen dafür sind noch vollkommen unklar. Mit eingepreist in das Sofortprogramm sind auch eine Reihe von Hilfspaketen, die längst verkündet und auf den Weg gebracht waren: Zuschüsse für die Tafeln etwa, der Landesanteil für das Nachfolgemodell beim 9-Euro-Ticket oder die gestiegenen Baukosten der Krankenhäuser. Die bisher auf dem Tisch liegenden Vorschläge belaufen sich insgesamt auch nur auf 970 Millionen Euro.
Noch gäben die Steuereinnahmen einen entsprechenden Nachtragshaushalt her, sagte Weil. Der könnte in einer Sondersitzung im November oder der Landtagssitzung im Dezember beschlossen werden. Die Landtagswahl in Niedersachsen findet am 9. Oktober statt.
Die Opposition kritisierte das Paket prompt als zu klein und zu kurz gesprungen. Man sei jederzeit bereit, entsprechende Lösungen auch noch vor der Wahl auf den Weg zu bringen, hieß es von FDP und Grünen. Vor allem die Grünen hätten lieber 2,8 Milliarden Euro aus dem Corona-Sondervermögen, die bisher nicht ausgegeben wurden, umgewidmet. Dafür benötigen sie im Landtag jedoch eine Zweidrittelmehrheit, die aktuell als unwahrscheinlich gilt.
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