Kritik am DFB-Museum in Dortmund: Die Angst vor dem M-Wort
Der DFB lässt ein Fußballmuseum im Ruhrgebiet errichten. Dafür hat Dortmund nicht das nötige Kleingeld. Geht etwas schief, haftet die Stadt unbegrenzt.
Einen großen Meister hat sich das Museum schon gesichert. Es kommt als Leihgabe aus den Niederlanden. Das weiße Stück Stoff, auf dem die Ziffern 1 und 3 aufgeflockt sind, hatte der niederländische Nationalspieler Wim Rijsbergen nach dem Endspiel der Fußballweltmeisterschaft 1974 im Tausch gegen ein Stück orange Stoff mit den Ziffern 1 und 7 in seinen Besitz gebracht.
Das Meisterstück ist das Trikot, das der Siegtorschütze dieses Finales trug. In zwei Jahren, wenn das DFB-Museum, an dem seit dem symbolischen Spatenstich am Donnerstag gebaut wird, eröffnet ist, wird das Leibchen von Gerd Müller eine der Hauptattraktionen sein. 250.000 Menschen sollen jährlich das Museum besuchen und sich Fußballdinge wie einen Lederball, der beim WM-Turnier 1954 benutzt wurde, anschauen können.
In Dortmund hofft man, dass die Fußballnostalgiemaschine, die gegenüber dem Hauptbahnhof entsteht, brummen wird. Sollte das nicht der Fall sein, könnte es ganz teuer werden für die Stadt, die seit Jahren an der Pleite entlangschrammt und für die Verwaltungsinstrumente wie Haushaltssperren längst zum Alltag geworden sind.
Denn die Stadt hat sich auf einen gefährlichen Deal eingelassen. Gemeinsam mit dem DFB wurde eine Stiftung ins Leben gerufen, die das Museum später betrieben wird. Sollte es nicht laufen, ist das Risiko für den Fußballverband auf 250.000 Euro limitiert, die Stadt dagegen haftet unbegrenzt.
Kritik vom Bund der Steuerzahler
In dieser Woche hat der Bund der Steuerzahler in seinem Schwarzbuch das Projekt Fußballmuseum und den Vertrag mit dem DFB explizit kritisiert. Einer nichtöffentlichen Vorlage dazu hat der Rat der Stadt 2009 zugestimmt. Es sollte wohl niemand mitbekommen, welch hohes Risiko die Kommune da auf sich nimmt. Doch geheim ist schon lange nicht mehr, was da verabschiedet wurde. Jetzt hat das große Bangen in Dortmund begonnen.
Als das Projekt vor drei Jahren beschlossen wurde, da stimmten auch die Grünen im Rat dafür. Heute sind sie skeptischer, wie Ingrid Reuter, die Fraktionsvorsitzende im neu gewählten Rat, zugibt. Vor kurzem waren schon einmal große Hoffnungen mit einem Kultur- und Eventprojekt in der Stadt verbunden.
Das „Dortmunder U“, ein ehemaliges Brauereigebäude, das mit seinem riesigen U auf den Dach zu den Wahrzeichen Dortmunds gehört, wurde mit Steuermitteln saniert und zum „Zentrum für Kunst und Kreativität“ ausgebaut. Das Projekt erwies sich schnell als Fass ohne Boden. 83 Millionen Euro kostete der Umbau zum Kulturzentrum, 30 Millionen mehr als geplant. Die Betriebskosten von jährlich 10 Millionen Euro belasten den Haushalt der Stadt dauerhaft. Dabei gab es so schöne Prognosen.
Solche gibt es auch für das Fußballmuseum. Zwei Wochen vor dem Spatenstich mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach wurde eine Studie vorgestellt, die das Museum als Wirtschaftsmotor und Jobmaschine für die Stadt sieht. Da ist von 250.000 Besuchern jährlich die Rede, die am Besuchstag im Schnitt über 35 Euro in der Stadt ausgeben werden, was zu jährlichen Steuermehreinnahmen von 1,5 Millionen Euro im Jahr führen würde.
280 Vollzeitarbeitsstellen
280 Vollzeitarbeitsstellen würde das Museum generieren. Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) verweist gerne auf die tollen Zahlen der Studie, die man getrost als Gefälligkeitsgutachten bezeichnen kann. In Auftrag gegeben hat sie der Dortmund-Tourismus e. V., die „offizielle Tourismusmarketingorganisation der Stadt“, wie sich der Verein selbst bezeichnet. Die Zahlen, die er liefert, lesen sich wie ein naiver Rechtfertigungsversuch für das steuermitfinanzierte Ausstellungsprojekt.
Die Kommune Dortmund und das Land Nordrhein-Westfalen haben dem DFB viel Geld zugesagt und sich damit den Zuschlag für das Fußballmuseum regelrecht erkauft. Das Land sicherte einen Baukostenzuschuss von 18,5 Millionen Euro zu. Der DFB dankte es mit der Zusage, dass das Museum in NRW gebaut würde. Drei Städte bewarben sich. Köln schied aus, weil man nicht bereit war, für das Museum ein Grundstück herzuschenken bzw. in kostenloser Erbpacht für 99 Jahre zu überlassen.
Das versprachen dagegen Dortmund und Gelsenkirchen. Der DFB-Bundestag stimmte dann für Dortmund als Standort. Dort hat man schon eine halbe Million Euro für die Verlegung des zentralen Omnibusbahnhofs ausgegeben, der bis dato am Museumsstandort lag – mit der Hälfte hatte man kalkuliert. Die Baufreimachung des Grundstücks hat 5 Millionen Euro gekostet, ein Betrag, der bereitgestellt wurde in der Hoffnung, das Land werde davon 80 Prozent übernehmen.
Der Förderungsbescheid indes steht noch aus. Was geschieht, wenn die Baukosten – ähnlich wie beim „Dortmunder U“ aus dem Ruder laufen, weiß keiner so recht. Der DFB will nicht mehr zahlen als die vereinbarten 17,5 Millionen, und auch das Land will seine Förderung nicht erhöhen. Das Risiko bliebe bei der Stadt Dortmund. Auch das ist ein Punkt, den der Bund der Steuerzahler heftig kritisiert.
Der DFB hat die Stadt fest im Griff
Der DFB hat, so scheint es, die Stadt fest im Griff. Wie im Großen die Fifa, die große Turniere nur dann vergibt, wenn die Gastgeberländer alleine das Risiko tragen, hat der DFB im Kleinen agiert. Das Risiko wird dem Gemeinwesen übergeholfen. Kein Wunder, dass DFB-Boss Wolfgang Niersbach öffentlich verkündet, dass der Deal für keine Seite riskant sei.
Beim symbolischen Spatenstich meinte er, die kalkulierten 250.000 Besucher seien ohnehin sehr konservativ gerechnet. Er versprach, kein Geld, das der DFB über seine gemeinnützigen Vereine einnimmt, in das Projekt zu investieren.
Gemeinnützige Gelder in ein Projekt zu investieren, das vom kulturellen und museumspädagogischen Standard her sowieso kein Museum ist, wäre in der Tat fragwürdig. Genau das nämlich hat die zuständige Bezirksregierung in Arnsberg festgestellt, schließlich handle es sich in keiner Weise um „wissenschaftliche Sammlungen oder Kunstsammlungen“. Auch diese Entscheidung, so richtig sie angesichts von geplanten Exponaten wie Bällen, Trikots oder den Badelatschen von Wolfgang Overath erscheinen mag, riecht nach Gefälligkeitspolitik.
Ein Museum im klassischen Sinne ist, was die Umsatzsteuer betrifft, wie ein Endverbraucher zu betrachten. Die Umsatzsteuer muss gezahlt werden, sie kann nicht umgelegt werden. 19 Prozent der Baukosten würden an den Fiskus fließen. Das wollte in der Stiftung Fußballmuseum niemand. Und so entsteht jetzt in Dortmund ein Museum, das eigentlich gar keines ist.
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