■ Debatte: Die Macht des Stärkeren: Kritik abgeräumt
Die Begründung der Grünen für die polizeiliche Räumung der Landesgeschäftsstelle – fehlende Verhandlungsbereitschaft – ist nicht nur unpolitisch, sondern auch falsch. Es gab sehr wohl Verhandlungsbereitschaft von Seiten der BesetzerInnen, nur wollten die Grünen deren Forderungen nach vollständiger Überlassung der Büros nicht annehmen.
Daß die BesetzerInnen das Angebot der Grünen, tagsüber zwei der Büros nutzen zu können, ebenfalls nicht annehmen wollten, scheint im nachhinein mehr als verständlich. Sie befürchteten, wenn sie nachts das Gebäude verlassen müßten, würden die Grünen sie über den Tisch ziehen. Genau das ist jetzt passiert.
Ein wirkliches Interesse an einer Auseinandersetzung mit den BesetzerInnen und ihren Forderungen hatten die Grünen nicht. Sie wollten nur ihre Büros zurück und das, obwohl das erste Anliegen der BesetzerInnen ein zutiefst demokratisches war: Sie wollten Informationsfreiheit der einseitigen Medienberichterstattung zugunsten der Nato entgegensetzen.
Hätten sich die Grünen auf diese Diskussionen eingelassen, hätten sie vielleicht auch irgendwann verstanden, warum den BesetzerInnen daran lag, die Landesgeschäftstelle einer kriegsbefürwortenden Partei so weit es geht zu blockieren. Aber die Grünen haben sich anders entschieden: Gegen Diskussionen und für das militärische Abräumen der grundsätzlichen Kritik an ihrer Politik. Dabei hatten die BesetzerInnen nur gefordert, was auch die Grünen in Rambouillet den Serben aufzwingen wollten: Ein „Antikriegs-Protektorat mit freiem Zugang zu allen Räumen und Immunität der BesetzerInnen“. Aber wie im Kosovo wissen die Grünen die militärische Macht eben auch in der Oranienstraße auf ihrer Seite. Tobias Singelnstein
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen