Kritik Urteil Anti-Nazi-Demo: Abschreckend und gefährlich
Ein Linken-Mitarbeiter wird zu 22 Monaten Haft verurteilt. Die Entscheidung habe mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun, so Bundestagsvizepräsidentin Pau.
DRESDEN dapd | Die vom Amtsgericht Dresden verhängte Haftstrafe gegen einen Demonstranten und Mitarbeiter der Linkspartei stößt auf heftige Kritik. „Das Urteil ist rechtlich fragwürdig und politisch gefährlich“, sagte die Linke-Bundestagsabgeordnete Petra Pau am Freitag auf dapd-Anfrage in Berlin.
Statt etwas zu beweisen, habe das Gericht forsch gemutmaßt. Gefährlich sei das Urteil, weil offenbar ein Exempel statuiert werden sollte. Beides habe mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun. Pau ist auch Vizepräsidentin des Bundestages.
Auch das Kölner Komitee für Grundrechte und Demokratie zeigte sich über die am Mittwoch gefällte Entscheidung entsetzt. Das Urteil sei „unverhältnismäßig und abschreckend“, teilte das Komitee in Köln mit. Alle bisherigen Strafverfahren gegen Teilnehmer von Sitzblockaden und angeblicher Rädelsführerschaft gegen einen Neonazi-Aufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden hätten eingestellt werden müssen.
Nun sei offenbar ein Angeklagter exemplarisch für diese Strafverfahren übermäßig verurteilt worden. Das Komitee gilt als Bürgerrechtsorganisation, die nach eigenen Angaben 800 Mitglieder hat. Das Gericht hatte einen Teilnehmer der Anti-Nazi-Demonstration am Mittwoch zu einem Jahr und zehn Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt.
Körperverletzung, Landfriedensbruch, Beleidigung
Es verurteilte den 36-jährigen Berliner Tim H., der in der Bundesgeschäftsstelle der Linkspartei angestellt ist, wegen Körperverletzung, besonders schweren Landfriedensbruchs und Beleidigung. Das Urteil stieß auf heftige Kritik, weil der Mann nicht vorbestraft ist und keine stichhaltigen Beweise für seine Schuld vorlagen.
Das Komitee warf dem Gericht vor, mit dem Urteil von künftigen Anti-Neonazi-Demonstrationen abschrecken zu wollen. Der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Hlavka sah es dennoch als erwiesen an, dass der Angeklagte in der Dresdner Südvorstadt mit einem Megafon zum Durchbrechen einer Polizeisperre aufgerufen und die Aktion koordiniert hatte.
Bei den folgenden Auseinandersetzungen waren vier Polizisten verletzt worden, einer wurde als „Nazischwein“ beschimpft. Bei dem Versuch, den Neonazi-Aufmarsch zum Gedenken der Bombardierung Dresdens 1945 zu verhindern, war es am 19. Februar in Dresden zu zahlreichen Gewaltexzessen gekommen.
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