Krisenproteste in Berlin: Polizei räumt Reichstagswiese

In Berlin demonstrieren am Samstag tausende von Kapitalismus-Kritikern. Rund 1.000 besetzen am Abend die Wiese vor dem Bundestag. Gegen Mitternacht räumt die Polizei.

Der Zeltprotest vor dem Reichstagsgebäude in Berlin am Samstag. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Polizei ist gegen ein Camp von Kapitalismus-Kritikern vorm Bundestag vorgegangen. Nach einer Demonstration von mehreren tausend Menschen im Rahmen der weltweiten „Occupy“-Proteste, hatten sich rund 1.000 Protestler am frühen Samstagabend mit Sitzblockaden vorm Bundestag niedergelassen – vorerst unter Duldung der Polizei.

Am frühen Abend aber drangen Beamte in die Menge ein und beschlagnahmten Zelte und Strandmuscheln, die von Demonstranten aufgestellt wurden. Am späten Abend wurden den Protestierern auch Sitzunterlagen wie Pappen und Rettungsdecken entrissen. Polizisten setzten Pfefferspray ein, es kam zu vereinzelten Gewahrsamnahmen. Die Demonstranten antworteten mit „Keine Gewalt“-Rufen. Ein Mann mit Hut warf mit kleinen Stoff-Herzen.

Eine spontane Versammlung der Protestierer hatte am Nachmittag für die Errichtung eines Protest-Camps direkt hinter den Absperrgittern zum Bundestag votiert. „Occupy Bundestag“, tönten immer wieder Sprechchöre. Oder: „Weg die Macht der Banken und Konzerne“. Demonstranten schafften Suppe und Decken heran. Knapp 500 Demonstranten harrten bis zum späten Abend auf dem Vorplatz aus.

Am Samstagmittag waren mehr als 5.000 Banken-Kritiker vom Alexanderplatz mit einer Demonstration gestartet – parallel zu anderen „Global Change“-Protesten in 1.300 Städten weltweit. Die Teilnehmerzahl in Berlin war deutlich höher als erwartet, ursprünglich waren 350 Teilnehmer angemeldet. Die Veranstalter sprachen am Ende gar von 8.000 bis 10.000 Teilnehmern.

Die bunt zusammengesetzten Demonstranten einte ihre Kritik an der Macht der Finanzmärkte und der Ruf nach „mehr wirklicher Demokratie“. „Schafft die Börse ab“, appellierte ein Schild. Ein anderes bediente einen Slogan aus New York, dem Ursprungsort der Anti-Banken-Proteste: „Wir sind die 99%“. Ein Banner forderte gleich „die soziale Revolution“. „Heute“, strahlte ein junger attac-Mann, „ist der Anfang einer globalen Bewegung“.

Eine halbe Stunde vor Mitternacht beginnt die Polizei, dann auch die letzten Blockierer von der Reichstagswiese zu räumen. Die schimpfen, bleiben aber friedlich. Einige filmen mit ihren Handys. "Diese Bilder gehen um die Welt", meckert eine Gruppe über die Räumung. Eine Stunde später ist der Platz vor dem Bundestag leer. Decken, Pappen und ein Palituch liegen auf dem Boden, ein paar Kerzen flackern noch. "Wir sind das Volk", ruft jemand ein letztes Mal. Neben ihm liegt ein ramponiertes Pappplakat. Darauf steht: "Wetten, dass wir mehr werden?".

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