Krise in der Ukraine: Russland droht mit Repressalien
Präsidentschaftskandidat Poroschenko spricht sich gegen eine Timoschenko-Kandidatur aus. Moskau droht mit Vergeltung für eine durch US-Bank blockierte Überweisung.
BERLIN afp/ap | Der ukrainische Präsidentschaftskandidat Petro Poroschenko hat die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko zum Verzicht auf ihre Kandidatur aufgefordert. Das Land könne „jetzt keinen schmutzigen Wahlkampf gebrauchen, der am Ende möglicherweise von Russland ausgenutzt wird und eine neue Invasion provoziert“, sagte Poroschenko der Bild-Zeitung vom Mittwoch. „Deshalb sollte auch Julia Timoschenko verstehen, dass wir nach den vielen Toten am Maidan in einem neuen Land aufgewacht sind, das neue Mentalitäten und neue Politiker verdient hat“, fügte er hinzu.
Weiter sagte der Süßwarenunternehmer, der nach Angaben des US-Magazins Forbes über ein Vermögen von umgerechnet rund einer Milliarde Euro verfügt, der Zeitung, er sei „kein Oligarch“. „Für mich bedeutet Oligarchie, dass bewusst Druck aufgebaut wird, das politische System für Geschäfte genutzt wird“, führte er aus. Er aber habe „immer das Gegenteil gemacht“. Sollte er Präsident werden, werde er seinen Konzern Roschen verkaufen. „Als Präsident der Ukraine will und werde ich mich allein um das Wohl des Landes kümmern“, sagte Poroschenko.
Die russische Regierung warnte der Präsidentschaftskandidat mit scharfen Worten vor einem Militäreinsatz im Osten der Ukraine. „Wenn Russland die Ostukraine angreift, dann werden wir uns mit allen militärischen Mitteln verteidigen, die uns zur Verfügung stehen“, sagte er. Es gebe „eine große Bereitschaft, unser Land zu verteidigen“. Poroschenko betonte, die Ukraine werde die Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim durch Russland niemals anerkennen. „Wir werden mit aller Macht für unsere Recht kämpfen, vor die Gerichte ziehen, noch schärfere Sanktionen fordern“, sagte er.
Von der Bundesregierung forderte Poroschenko wegen der Krimkrise einen Boykott von russischem Gas. „Es gibt die Möglichkeit von weiteren Sanktionen“, sagte er der Bild-Zeitung. „Ich hielte es zum Beispiel für richtig, wenn Deutschland russisches Gas so lange boykottieren würde, bis Russland die Invasion auf der Krim beendet“, ergänzte Poroschenko.
Zur Frage, ob die Ukraine einen raschen Beitritt zur NATO anstrebe, sagte er: „Nein, und das liegt nicht an uns, sondern an der NATO, wir haben das Gefühl, dass die Mitglieder der NATO dafür zu gespalten sind.“
Poroschenko gilt derzeit als Favoit für die ukrainische Präsidentschaftswahl am 25. Mai. Zu seinen Gunsten verzichtete Boxweltmeister Vitali Klitschko auf eine eigene Kandidatur. Bekannte Kandidaten sind außerdem Timoschenko, Oleg Tjagnibok von der rechtsextremen Partei Swoboda (Freiheit) und Dmytro Jarosch vom radikalen paramilitärischen Prawy Sektor (Rechter Sektor). Für die prorussische Partei der Regionen des gestürzten Staatschefs Viktor Janukowitsch kandidiert der ehemalige Gouverneur der Region Charkiw, Michajlo Dobkin.
Eine Milliarde Dollar Kredit
Der US-Kongress hat sich derweil für einen Hilfskredit für die Ukraine ausgesprochen. Mit großer Mehrheit billigten die Abgeordneten am Dienstag ein Gesetz, das Darlehensgarantien in Höhe von einer Milliarden Dollar für das finanziell angeschlagene Land vorsieht.
Zugleich verhängte der Kongress weitere Strafmaßnahmen gegen Russland wegen dessen Annektierung der Krim. Die US-Regierung hat bereits den innersten Führungszirkel von Kremlchef Wladimir Putin sowie eine russische Bank mit Strafmaßnahmen belegt.
Nach dem Stopp des Geld-Transfers eines russischen Diplomaten durch die US-Bank JP Morgan hat Russland mit Repressalien gegen US-Diplomaten gedroht. Moskau betrachte die „mit dem Vorwand antirussischer Sanktionen“ begründete Blockierung der Überweisung durch das Geldinstitut als „inakzeptabel, illegal und absurd“, erklärte der russische Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch am Mittwoch.
Dem Ministerium zufolge hatte JP Morgan eine Überweisung des russischen Botschafters in Astana an das russische Versicherungsunternehmen Sogaz blockiert. Sogaz hat Verbindungen zur russischen Bank Rossija, die auf der Liste der mit US-Sanktionen belegten Unternehmen steht.
Washington müsse verstehen, dass „jegliche feindselige Handlung gegen russische Diplomaten“ nicht nur ein grober Verstoß gegen internationales Recht, sondern auch „der Auftakt zu Vergeltungsmaßnahmen“ sei, die ihre Auswirkungen auf die Arbeit der US-Botschaft in Russland nicht verfehlen werde, warnte Außenamtssprecher Lukaschewitsch. JP Morgan habe der US-Regierung mit dem Schritt daher„ keinen Gefallen getan“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge