Krise in der Ukraine: Die Zeit läuft ab
Die ukrainische Armee zieht den Ring um die Großstädte Donezk und Lugansk enger. Die Separatisten drohen, Gespräche über eine mögliche Waffenruhe zu boykottieren.
DONEZK/ULAN BATOR/NOWOBACHMUTIWKA dpa/ap | Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die ukrainische Führung erneut mit Nachdruck zu Gesprächen mit den prorussischen Separatisten aufgefordert. Die Regierung in Kiew müsse trotz jüngster militärischer Erfolge den Dialog suchen, sagte er am Montag bei einem Besuch in der Mongolei. Als wichtigstes Ziel nannte Steinmeier eine allseits respektierte Waffenruhe. Die Führung in Kiew hatte angekündigt, mit einer Blockade der Großstädte Donezk und Lugansk den Widerstand der Aufständischen brechen zu wollen.
Die Armee habe vor der Millionenmetropole Donezk die Zufahrten bereits weitgehend abgeriegelt, sagte Anton Geraschtschenko vom Innenministerium. An Straßensperren würden Zivilisten und Fahrzeuge streng kontrolliert. „Donezk wird schon bald befreit sein“, meinte er. Auch um Lugansk werde der Ring enger gezogen. „Unsere Truppen stehen am Stadtrand. Die Terroristen haben keine Perspektiven mehr.“
Bei Gefechten in einer Vorstadt von Lugansk seien mindestens ein Aufständischer getötet und sieben verletzt worden, teilten die Behörden mit. Damit habe es dort in den vergangenen Tagen 80 Verwundete gegeben. Der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte eine ohnehin brüchige Feuerpause nach zehn Tagen aufgekündigt. Seit vergangener Woche ist die Armee im Osten des Landes auf dem Vormarsch.
Die Aufständischen warnten, bei einer vollständigen Belagerung von Donezk und Lugansk keine Gespräche zur Beilegung der Krise mehr führen zu wollen. „Eine Blockade würde die Friedensbemühungen begraben“, sagte der Separatistenführer Andrej Purgin in Donezk. Noch seien die militanten Gruppen zu einem Treffen unter der Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) bereit. Die Zeit für Verhandlungen etwa über eine Waffenruhe laufe aber ab.
Gesprengte Brücke blockiert Weg nach Donezk
Die Explosion einer Brücke in der Ostukraine hat eine Hauptverkehrsverbindung in die Stadt Donezk blockiert. Die Bahnbrücke stürzte im Dorf Nowobachmutiwka auf die darunter verlaufende Autobahn, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AP am Montag sehen konnte. Die Straße führt von Donezk in die Stadt Slawjansk, eine ehemalige Hochburg der prorussischen Separatisten, die am Wochenende nach heftigen Kämpfen von Regierungstruppen erobert wurde.
Viele der Rebellen flohen aus Slawjansk nach Donezk und kündigten an, ihren Aufstand gegen die Zentralregierung fortzusetzen. Der selbst ernannte Gouverneur der Donezker Volksrepublik, Pawel Gubarew, hatte einen „richtigen Partisanenkrieg im gesamten Umkreis von Donezk“ versprochen. Ob die Rebellen für die Sprengung der Brücke verantwortlich waren, blieb zunächst unklar.
Gespräche ohne Vorbedingungen
Der einflussreiche Oligarch Rinat Achmetow rief die Konfliktparteien zu Gesprächen ohne Vorbedingungen auf. „Es gibt keinen anderen Weg zu Frieden als Verhandlungen“, sagte der gebürtige Donezker und reichste Ukrainer. Ein Sturm der Armee auf Donezk, die fünftgrößte Stadt des Landes, hätte „unsägliches Leid“ zur Folge, meinte der Unternehmer.
Der Separatistenführer Miroslaw Rudenko begrüßte Achmetows Worte und sprach sich für eine Feuerpause aus. „Es muss aber eine wirkliche Waffenruhe sein und nicht eine taktische Gelegenheit der Armee, ihre Geschütze besser in Stellung zu bringen“, sagte Rudenko in Donezk.
Auch Außenminister Steinmeier warnte die ukrainische Regierung davor, eine rein militärische Lösung des Konflikts zu suchen. Diese werde es „nicht geben, zumal sich die Mehrzahl der Separatisten jetzt in Donezk regelrecht verschanzt hat“. Er bestätigte, dass es am Sonntag in Kiew ein Treffen der sogenannten Kontaktgruppe aus Vertretern der Ukraine, Russlands und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gab. Die Gespräche verliefen aber ergebnislos, weil kein Vertreter der Separatisten anwesend war.
Der ukrainische Geheimdienstchef Valentin Naliwajtschenko räumte „psychologische Probleme“ der Sicherheitskräfte bei den Kämpfen ein. „Es ist nicht leicht etwa für Menschen, die aus der Konfliktregion stammen. Wer an der Anti-Terror-Operation teilnimmt, muss sich einem Test mit dem Lügendetektor unterziehen – damit wir sicher sind, dass er loyal bleibt und den Eid nicht bricht“, sagte er.
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