Krise in Korea: Kein Fisch mehr vom anderen Ufer
Nordkorea geht auf Distanz zu China. An beiden zentralen Grenzübergängen dürfen Touristengruppen nicht einreisen. Der Handel liegt brach.
TUMEN taz | Noch gibt es frischen Fisch aus Nordkorea. Der Kellner in dem Lokal in der chinesischen Grenzstadt Tumen serviert ihn in roter Chili-Sauce. Dazu gibt es Kimchi, eingelegten Weißkohl. Auch der komme von der anderen Seite des Grenzflusses, sagt der Kellner. Doch sowohl mit Fisch als auch mit Kimchi aus Nordkorea dürfte es für das Lokal vorerst vorbei sein. Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Seit dem frühen Morgen sind auf beiden Seiten die Grenzen dicht.
Die täglich sich weiter zuspitzenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel haben auch immer mehr negative Auswirkungen auf Pjöngjangs Beziehungen zu China, dem eigentlich letzten Verbündeten des Stalinisten-Regimes um Diktator Kim Jong Un. Nachdem Pjöngjang mit der Stilllegung der innerkoreanischen Sonderwirtschaftszone Kaesong bereits vergangene Woche die letzte Verbindung zu Südkorea gekappt hat, sind seit dem frühen Mittwochmorgen auch Nordkoreas Grenzen zur Volksrepublik weitgehend geschlossen.
Am Grenzübergang nahe der Stadt Dandong sind es chinesische Behörden, die den Übergang für Touristen verboten haben. Die nordkoreanische Seite würde nicht mehr für die Sicherheit garantieren, heißt es zur Begründung. In Tumen, ganz im Nordkosten entlang der chinesisch-nordkoreanischen Grenze, ist seit dem frühen Mittwochmorgen zusätzlich der Handelsverkehr unterbunden. Dort sind es nordkoreanische Grenzbeamte, die den Verkehr verbieten, berichtet ein chinesischer Beamter vor Ort.
Ungeachtet der Kriegsdrohungen aus Nordkorea hat Südkorea das Nachbarland zu Gesprächen über die Normalisierung des Betriebs eines gemeinsamen Industrieparks aufgerufen. „Pjöngjang sollte sofort an den Verhandlungstisch kommen“, sagte Vereinigungsminister Ryoo Kihl Jae am Donnerstag vor Journalisten in Seoul.
Beide Länder könnte dabei über den Industriepark in der grenznahen nordkoreanischen Stadt Kaesong reden, wurde Ryoo von der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap zitiert. Die Produktion in dem Gewerbekomplex steht seit Dienstag still. Pjöngjang hatte zuvor alle rund 53.000 Landsleute abgezogen, die dort zuletzt für 123 Unternehmen aus Südkorea gearbeitet hatten.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen traf derweil zu einem Besuch in Südkorea ein. Es stünden während seines Besuchs Diskussionen „über unsere wertvolle Partnerschaft“ an, twitterte Rasmussen nach seiner Ankunft in Seoul. Es ist der erste Besuch eines Generalsekretär des Atlantischen Bündnisses in Südkorea.
Die Stimmung zwischen beiden Bruderstaaten ist schlecht, seitdem China Anfang März als Reaktion auf Nordkoreas Atomtest der Verschärfung der Sanktionen im UN-Sicherheitsrat zugestimmt hat. In Tumen ist es chinesischen Touristen bereits seit Ende Februar untersagt, die Grenze zu passieren, berichtet Geschäftsmann Wu, der letzte verbliebene Straßenhändler auf dem Platz vor der Grenzbrücke. Hier sei mal jede Menge losgewesen, erzählt der 53-Jährige.
Niemand ist zu sehen
Händler von beiden Seiten hätten ihre Waren angeboten. Chinesen brachten Konsumgüter, Lebensmittel und Eisenwaren. Nordkoreaner Zigaretten und Schnaps. Abgesehen von zwei Grenzsoldaten ist Wu der Einzige, der an diesem Morgen hier noch ausharrt.
Dabei hatten am frühen Morgen nordkoreanische Grenzbeamte die Einfuhr von Lebensmitteln noch zugelassen. Mit dem Fernglas sind auf der gegenüberliegenden Flusseite zwei chinesische Lieferanten zu erkennen, die von ihrem Lastwagen Mehlsäcke und Gasflaschen abladen. Bewaffnete Soldaten schauen dabei zu. Ansonsten ist keine Menschenseele zu sehen. Das seien wohl die letzten Lieferungen gewesen, sagt einer der Lieferanten nach der Rückkehr auf die chinesische Seite. Ihm konnte auch keiner sagen, wann das Verbot wieder aufgehoben wird.
Die Abschottung der chinesisch-nordkoreanischen Grenze dürfte Nordkorea größeren wirtschaftlichen Schaden zufügen als die Schließung der Grenzen zu Südkorea. Rund 90 Prozent aller nordkoreanischen Importe kamen zuletzt vom nördlichen Nachbarn, darunter vor allem Kraftstoff und Lebensmittel. Und auf beides ist das in vielen Teilen hungernde Land dringend angewiesen.
0,1 Prozent des chinesischen Außenhandels
Nur 20 Prozent der Fläche Nordkoreas sei landwirtschaftlich nutzbar, berichtet Katja Richter, Leiterin des Büros der deutschen Welthungerhilfe in Pjöngjang, die letzte ausländische Hilfsorganisation, die in Nordkorea derzeit noch die Stellung hält. Dies führe dazu, dass die Menschen zu wenig zu essen hätten. „Mangel- und Fehlernährung lassen Sechsjährige wie Vierjährige aussehen.“
Für China hingegen ist der wirtschaftliche Schaden gering. Der Handel mit Nordkorea mache gerade einmal 0,1 Prozent des chinesischen Außenhandels aus, berichtet die zentrale chinesische Zollbehörde am Mittwoch. Der Handel mit Südkorea sei 50 Mal so hoch. Händler Wu fällt unter diese 0,1 Prozent. Er muss sich nun eine neue Einnahmequelle suchen.
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