Krise der Linkspartei: Allgemeinplätze gegen den Abgrund
Mit einem Aufruf wollen Dietmar Bartsch und Gregor Gysi die Spaltung der Linken verhindern. Die Gründung einer neuen Partei sei „völlig überflüssig“.
![Dietmar Bartsch spricht in ein Mikrofon Dietmar Bartsch spricht in ein Mikrofon](https://taz.de/picture/6208909/14/31967937-1.jpeg)
Nötig sei, „diesen schädlichen Kurs der Selbstbeschäftigung zu stoppen und uns um unsere wahre Aufgabe zu kümmern – den Kampf für Gerechtigkeit und Frieden“. Als zentrale Themen führt das Papier zudem die Überwindung von Armut und die Herstellung von Steuergerechtigkeit, die öffentliche Daseinsvorsorge, ökologische Nachhaltigkeit verbunden mit sozialer Verantwortung, die internationale und nationale Solidarität sowie die völlige Gleichstellung von Mann und Frau und Ost und West an.
Eine linke politische Alternative werde gebraucht. Daher sei „nicht die Zeit für Resignation, Austritte und Abkehr von der Linken“. Ohne Sahra Wagenknecht und ihr Umfeld namentlich zu nennen, wird vor einer Spaltung gewarnt: „Die Bildung einer zweiten linken Partei ist völlig überflüssig.“ Sie würde „das gleiche Schicksal erleiden wie die jetzige“. Auch Ausschlussverfahren seien schädlich.
Unterschrieben haben den Aufruf auch noch die direkt gewählten Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und Sören Pellmann, die stellvertretende Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns Simone Oldenburg und der Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung Heinz Bierbaum. Mit dabei sind zudem die drei ehemaligen Bundespräsidentenkandidat:innen der Linken, Luc Jochimsen, Christoph Butterwegge und Gerhard Trabert, wobei die beiden Letztgenannten nicht Mitglied der Linkspartei sind.
„Wir appellieren an die Träger der Partei, jetzt zu kämpfen“, sagte Bartsch der dpa. Die genannten Ziele könnten gewiss viele in der Partei unterschreiben. Gysi und er hätten aber bewusst nur einige wenige angesprochen. Interessant ist, wer alles nicht dabei ist: Niemand aus der Parteispitze findet sich unter dem Aufruf, ebenso fehlen Bartschs Co-Bundestagsfraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali oder Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow wie auch Linke aus den Landesregierungen in Bremen und Berlin.
In der Linkspartei stößt der Aufruf auf gemischte Resonanz. „Das unterstütze ich vollständig“, twitterte Stefan Gebhardt, der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion in Sachsen-Anhalt. Es sei ein „wichtiger Appell zur innerparteilichen Mäßigung“, befand Ulrike Eifler, die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft.
Als „eigentümlich“ bezeichnete hingegen die Berliner Linkenchefin Katina Schubert das Papier: „Da rufen Leute mit einer Allerweltsbegründung zu was eigentlich auf?“ Einen Beitrag zur Überwindung der Krise der Linkspartei könne sie darin nicht erkennen, so Schubert, die auch stellvertretende Vorsitzende der Bundespartei ist.
Durchhalteparolen reichten nicht. „Einige der Unterzeichnenden hätten es in der Hand, die Zeit der Disfunktionalität der Bundestagsfraktion zu beenden und mit der Parteiführung sowie den Partei- und den Fraktionsvorsitzenden in den Ländern die Rettung der Linken anzugehen“, sagte Schubert der taz. Damit zielte sie auf die Bundestagsabgeordneten, die das Papier unterzeichnet haben, besonders auf den umstrittenen Fraktionschef Bartsch.
Kritisch äußerte sich auch der Ex-Parteivorsitzende und Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger. Er sei kein Freund von innerparteilichen Aufrufen, zumal es im konkreten Fall unklar sei, an wen er überhaupt adressiert sei. So gebe es in der Parteiführung niemanden, der oder die mit Parteigründungen oder -ausschlüssen liebäugle. „Es gibt nur eine Gruppe mit einer prominenten Person, die öffentlich mit der Gründung einer neuen Partei spekuliert“, sagte Riexinger der taz. „Auf deren Verhalten dürfte der Aufruf keinen Einfluss haben.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale