Krise der Autoindustrie: Sozialplan für Brüsseler Audi-Werk kurz vor Toresschluss
Das Brüsseler Audi-Werk schließt Ende Februar. Unternehmen und Gewerkschaften einigen sich nach schwierigen Verhandlungen auf Abfindungen.
Audi in Brüssel ist das erste Werk, dass wegen der Krise der deutschen und europäischen Autoindustrie schließen muss. Die EU-Kommission hat die Krise lange ignoriert, obwohl das Werk im Brüsseler Stadtteil Forest nur wenige Kilometer von ihrem Sitz im Europaviertel entfernt ist. Erst als die Audi-Konzernmutter Volkswagen weitere Werksschließungen ankündigte, wachte die EU-Behörde auf.
Am Donnerstag soll nun ein erster „strategischer Dialog“ zur Zukunft der Automobilindustrie stattfinden. Die deutsche Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hat die Vorstandschefs von Herstellern und Zulieferern in ihre Behörde geladen. Das Brüsseler Werk wird diese Gesprächsrunde aber nicht mehr retten. Dem hochmodernen Fabrikgebäude droht sogar der Abriss.
Das Aus ist ein trauriges Symbol für den Niedergang der europäischen Autoindustrie. Bei Audi in Brüssel war das elektrische Oberklasse-SUV Q8 e-tron hergestellt worden, das als zukunftssicher galt. Doch das teure Fahrzeug hat sich schlecht verkauft, Audi und Volkswagen haben keine alternative Produktion für Brüssel gefunden. Auch die Suche nach einem Investor ist gescheitert.
Auch deutsche IG Metall eingeschaltet
Nun zeichnet sich wenigstens eine Lösung für die belgischen Arbeiter ab. Sie erhalten eine Abfindung von je 35.000 Euro. Dazu kommt ein Aufschlag von 3.300 Euro für jedes Arbeitsjahr, allerdings erst ab dem fünften Jahr der Betriebszugehörigkeit. Wer seit 35 Jahren für Audi gearbeitet hat, darf nach Angaben der belgischen Tageszeitung Le Soir mit 134.000 Euro rechnen.
Die freiwillige Unternehmensprämie zahlt Audi zusätzlich zum gesetzlichen Kündigungsgeld. Insgesamt gebe das Unternehmen mehr als das Doppelte des gesetzlich Erforderlichen für die Abfindungen aus, hieß es. Im Dezember hatte Audi noch erklärt, dass es keine Einigung auf einen Sozialplan gebe. Zuvor waren die Arbeiter auf die Straße gegangen, zeitweise wurde das Werk in der Nähe des internationalen Brüsseler Bahnhofs Gare du Midi sogar besetzt. Werksleiter Thomas Bogus hat eingeräumt, dass die Verhandlungen schwierig waren. Nun sei aber eine faire Lösung gefunden worden.
In die Bemühungen hatte sich auch die deutsche IG Metall eingeschaltet. Die deutschen Gewerkschafter hätten Druck bei Volkswagen gemacht, sagte Najar Lahouari von der belgischen Industriegewerkschaft FGTB-Métal. Allerdings ist für externe Vertragsarbeiter bisher keine Abfindung vorgesehen. Was aus dem modernen Werk und dem zentral gelegenen Gelände wird, ist auch unklar.
Für die Stadt Brüssel ist das Aus bei Audi ein herber Schlag. Den Verlust von 3.000 Arbeitsplätzen wird die EU-Kapitale nicht so schnell verkraften. Eine Zeitlang hatten die Behörden gehofft, dass ein ausländischer Investor das Audi-Gelände übernehmen würde, sogar von chinesischen Interessenten war die Rede. Letztlich haben sich jedoch alle Zukunftspläne zerschlagen.
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