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Krise bei KarstadtDie Angst vorm nächsten Kahlschlag

Am 31. Juli tagt der Karstadt-Aufsichtsrat. Klar scheint: Milliardär Berggruen will weiterhin nicht in den Konzern investieren.

Nicolas Berggruen war schon 2010 nicht sonderlich optimistisch, was die Zukunft des Konzerns angeht. Bild: dpa

KÖLN taz | Maria Rodriguez ist eine treue Kundin. „Ich gehe gern zu Karstadt“, sagt die 68-Jährige, die mit einer Bekannten im Selbstbedienungsrestaurant des Kaufhauses in der Kölner Innenstadt sitzt. Zweimal in der Woche kommt sie vorbei, guckt bei den Kleidern, bei den Schuhen, bei den Haushaltswaren. Sie hält Ausschau nach Schnäppchen, manchmal kauft sie auch etwas in der Lebensmittelabteilung – obwohl die wirklich alles andere als günstig ist. Ihr würde etwas fehlen, wenn Karstadt zumachen würde, sagt Maria Rodriguez. „Es wäre doch wirklich schade darum.“

In der Kölner Karstadt-Filiale ist es an diesem Mittag nicht wirklich leer. Aber viel los ist auch nicht. Die Verkäuferinnen und Verkäufer machen ihre Arbeit wie immer. In Gespräche, wie es mit dem Karstadt-Konzern wohl weitergeht, lassen sie sich nicht gern verwickeln. „Presse?“, fragt eine Kassiererin höchst alarmiert. „Ja, weiß denn die Geschäftsführung, dass Sie im Haus sind?“

Wer bei Karstadt in Köln zur Geschäftsführung will oder muss, findet sie in der obersten Etage. Hinter dem „Schnäppchenmarkt“. Früher war unterm Dach die Multimediaabteilung. Die ist inzwischen dicht, weil sie als unprofitabel galt. Eine jener kurzschlüssigen Entscheidungen. Denn dadurch verringerte sich die Kundenfrequenz im Haus. Geblieben ist nur ein ausgesprochen deplatziert wirkender Stand von T-Online.

Der Geschäftsführer will nichts sagen, und andere sollen bitte auch nichts sagen. Für alle Auskünfte, egal welche, erklärt eine freundliche Mitarbeiterin, sei der Unternehmenssprecher in der Essener Zentrale zuständig. Dort sammelt man Anfragen, beantwortet sie aber nicht.

Schlechte Stimmung

Die Zukunft von Karstadt ist ungewiss. Mal wieder. Von der Schließung von mehr als 20 der derzeit noch 83 Filialen ist die Rede. Die Essener Konzernführung gibt Durchhalteparolen aus. Wenn nur alle „jetzt zusammenhalten und die erforderlichen Maßnahmen so schnell und so gut wie möglich umsetzen, ist Karstadt auf dem richtigen Weg und keinesfalls chancenlos“, haben Finanzvorstand Miguel Müllenbach und Personalchef Kai-Uwe Weitz in dieser Woche in einer Mitteilung an die Belegschaft geschrieben.

Die Stimmung unter den Beschäftigten ist schlecht. „Wir haben so viel mitgemacht, das stumpft ein bisschen ab“, sagt eine Betriebsrätin aus dem Ruhrgebiet. Sie war dabei, als der deutsch-amerikanische Milliardär Nicolas Berggruen vor vier Jahren vor die Belegschaft trat. Er wolle das 129 Jahre alte Traditionsunternehmen „wieder auf Kurs“ bringen, sagte er und schwärmte von der „Kultmarke Karstadt“. „Natürlich werden wir erheblich investieren“, versprach Berggruen seinerzeit und versicherte, auf weitere Einschnitte bei den Karstadt-Mitarbeitern zu verzichten: Von ihnen seien „bereits derartige Zugeständnisse gemacht worden, dass jetzt Schluss sein muss“. Kein/e MitarbeiterIn werde der Sanierung zum Opfer fallen.

„Kultivierter Kapitalist“

„Wir waren alle froh und voller Hoffnung“, sagt die Betriebsrätin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Doch es war alles nur Lug und Trug. Den „kultivierten Kapitalisten mit sozialer Verantwortung“, den Berggruen vorgab zu sein, den gibt es nicht. Seit Berggruen Karstadt 2010 übernommen hat, ist die Zahl der MitarbeiterInnen von 25.000 auf unter 17.000 gesunken. Die, die bleiben durften, haben Gehaltseinbußen von rund 150 Millionen Euro hinnehmen müssen.

Jetzt droht der nächste Kahlschlag. Eigenes Geld hat Berggruen entgegen seinen Versprechungen so gut wie nicht investiert. Und das wird wohl auch so bleiben. Zwar könnten sie als Karstadt-Management nicht für den Eigentümer sprechen, heißt es in dem Schreiben von Müllenbach und Weitz: „Wir sind uns allerdings darüber klar, dass wir –nach allem, was wir derzeit wissen –, mit unseren finanziellen Mitteln auskommen müssen.“ Dafür hat der vermeintliche Retter kräftig kassiert. Pro Jahr sollen zwischen 9 und 12 Millionen Euro an Berggruen für die Nutzung der ihm gehörenden Markenrechte der Handelskette geflossen sein. Sein Geld lagert der selbst ernannte Weltverbesserer auf den British Virgin Islands. Im Ausland erwirtschaftete Erträge sind dort steuerfrei.

„Es ist empörend, dass Berggruen jedes Jahr Millionen an Karstadt verdient, während die Mitarbeiter um ihre Jobs zittern müssen“, sagt Arno Peukes, Arbeitnehmervertreter im Konzernaufsichtsrat. Am 31. Juli ist die nächste Aufsichtsratssitzung. Bei der sollte die neue Geschäftsführerin Eva-Lotta Sjöstedt ihr Konzept vorlegen. Doch die hat in der vergangenen Woche frustriert hingeschmissen. Um Karstadt zu retten, werde man „sicherlich nicht ohne einschneidende und schmerzhafte Entscheidungen auskommen“, kündigten Müllenbach und Weitz an.

Friss oder stirb

Dass bei Karstadt einiges schiefgelaufen ist, steht außer Frage. Zum Beispiel der zentrale Einkauf: Dass das gleiche Sortiment für Hamburg und für Oberbayern nicht optimal sein kann, leuchtet selbst Handelslaien ein. „Schlitten verkaufen sich in Hamburg nicht so gut wie in Bayern“, sagt Peukes. Auch die Betriebsrätin aus dem Ruhrgebiet nennt den Einkauf das größte Problem. „Wir haben vieles bekommen, was einfach nicht verkaufbar war.“ Die Waren, nach denen die KundInnen fragten, gab es aber nicht. „Die Abteilungen in der Hauptverwaltung führen ein Eigenleben“, sagt sie. „Die interessieren sich nicht dafür, was in den Häusern vor Ort passiert, sondern sagen: Friss oder stirb.“ Die VerkäuferInnen beobachten das mit Unverständnis. „Wir könnten ja verkaufen“, sagt die Betriebsrätin. „Der Kunde ist doch da, der Kunde will kaufen.“

Auch die Beschäftigten in Köln fragen sich, wie es weitergehen soll. Im ersten und zweiten Stock verkauft Karstadt vor allem Kleider. Marken im mittleren Preissegment für ein qualitätsbewusstes Mittelstandspublikum prägen das Sortiment. Doch überall hängen „reduziert“ und „Sale“-Schildchen. Das schafft eine Ramschladen-Atmosphäre. Dabei ist der Billigheimer eigentlich schräg gegenüber. Da, wo früher Karstadt-Sport war, hat im Mai die britische Textilkette Primark eröffnet. Der Laden ist voll. Die Leute, die dort einkaufen, sind jung. Die in den Eingang von Karstadt gehen, sind deutlich älter. Und deutlich weniger. Das sind die Sommerferien, sagt eine Mitarbeiterin. Da sei immer so wenig los. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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4 Kommentare

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  • Das Beispiel Karstadt zeigt erneut, dass es innerhalb dieses Systems keinerlei Sinn macht, wenn Arbeitnehmer durch Lohnverzicht zur Sanierung von Konzernen beitragen wollen. Das hat immer auch was von Selbstverarschung.

  • Mal Hand aufs Herz: wer geht denn noch zu Karstadt?

     

    Ich (immerhin schon Mitte 50) war da schon seit Jahren nicht mehr. Und nur von Rentnern wird Karstadt nicht leben können.

  • Die ganze Geschichte um Karstadt erinnert mich an den TV-Vierteiler "Der große Bellheim" mit Mario Adorf. Da wollte sich ein Finanzhai eine Warenhausgruppe aneignen um sie zu zerschlagen und die wertvollen Immobilien gewinnbringend zu verhökern.

    Im Film hat es zum Glück nicht geklappt. Aber da kann man mal wieder sehen, wie unrealistisch Fernsehen ist.

  • 17000 Mitarbeiter.

    Investitions- und Kaufsumme ca. 310 Mio.

     

    Wenn ich mich nicht verrechnet habe, heißt das für die 17000 Beschäftigten 10 Jahre lang auf 150 € monatlich zu verzichten und die Sache wäre geritzt. Der Verzicht würde etwas durch evtl. Gewinne, die jetzt Berggruen alleine einstreicht gemildert.

     

    Das Gemeinwesen sollte endlich solche genossenschaftliche Modelle unterstützen und damit die Verantwortung den Menschen geben, die davon betroffen sind.