Kriminalstatistik für 2016: Ohne Sternchen

Bei der Diskussion über den Kriminalitätsbericht wird zu sehr auf die Nationalität der Täter*innen geschaut. Und zu wenig auf das Geschlecht.

Schatten einer Person und Schatten eines Arms

Gewalt geht nicht nur von jungen Männern aus, sie sind auch am häufigsten ihr Opfer Foto: dpa

Seit Thomas de Maizière die polizeiliche Kriminalstatistik für 2016 veröffentlicht hat, dreht sich das Gespräch vor allem über um die „Zuwanderer“, wie es im Bericht heißt, und die von ihnen begangenen Straftaten. Das Gespräch ist wichtig, denn die Zahl ist gestiegen, und Prävention muss diskutiert werden.

Spannend ist aber mehr noch, worüber kaum einer spricht. Über den einen Faktor, der die meisten Straftaten eint: das Geschlecht der Täter. An dieser Stelle wird auf das Sternchen und „innen“ verzichtet, denn Tatverdächtige männlichen Geschlechts sind insgesamt 74,9 Prozent, bei Raub sind es sogar 90,4 Prozent. Junge Männer gelten dabei als größte Risikogruppe.

Gleichzeitig sind sie auch oft Opfer: 67,9 Prozent der Opfer von Raubtaten sind männlich, bei Körperverletzung 63,5 Prozent. Die Gewalt geht nicht nur von jungen Männern aus, sie sind auch am häufigsten ihr Opfer. Und diese Tatsache wird kaum beachtet. Die Gefahr davor, nachts allein eine Straße entlangzulaufen, betrifft also längst nicht nur Frauen – obwohl das gern so vermittelt wird.

Dagegen wenig ­überraschend: Bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind 93 Prozent der Opfer weiblich.

Kein „Männer raus!“ ist zu hören, keine Erklärungen, dass Männer trotzdem nicht unter Generalverdacht gestellt werden dürften

Trotz dieser Zahlen, die eine Diskussion über das Geschlecht der Täter eigentlich unausweichlich machen, wird dar­über nur vereinzelt gesprochen. Kein „Männer raus!“ ist zu hören, keine Erklärungen, dass Männer trotzdem nicht unter Generalverdacht gestellt werden dürften, wie es aktuell bei der Frage um die Gewalt durch „Zuwanderer“ der Fall ist. Es wird einfach hingenommen. Es scheint nicht zu überraschen, dass Männer kriminell und gewaltbereit sind.

Rückschluss auf das Wort mit P

Eine biologische Erklärung, ob es vielleicht an den Hormonen oder Gehirnarealen liegt, sollen nicht bemüht werden. Allein das Geschlecht macht niemanden zum Straftäter. ­Genauso wenig, wie es die ­Herkunft oder die Hautfarbe tun.

Dass die hohe Zahl männlicher Straftäter nicht verwundert oder diskutiert wird, ­verweist auf ein System. Und das zu ­beleuchten und zu besprechen wäre aufschlussreich.

Die Zahlen können als ein Rückschluss auf das Wort mit P verstanden werden, welches erklärt, dass und wie Männer das soziale System maßgeblich prägen.

In einer solchen Ordnung, in der ein Männlichkeitsbild des dominanten Mannes, der keine Schwäche zeigen darf, eben auch gewalttätig ist, reproduziert wird, passt es, dass Männer so oft zu Straftätern werden. Und auch, warum sich darüber niemand wundert.

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