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Kriegsverbrecher-Urteil in BangladeschVolksaufstand für die Todesstrafe

Am Dienstag wurde ein Kriegsverbrecher in Bangladesch zu lebenslanger Haft verurteilt. Zigtausende demonstrieren gegen das Urteil. Sie fordern die Todesstrafe.

Breiter Protest, fragwürdige Forderung: Demonstration in Bangladesch Bild: dpa

BERLIN taz | Zu Zigtausenden strömten am Freitagnachmittag die Menschen ins Stadtzentrum von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Laut örtlichen Medien versammelten sich mindestens 100.000 Menschen, um gegen die Verurteilung eines Islamisten für Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg gegen Pakistan 1971 zu demonstrieren. Ein Tribunal hatte den Mann wegen Massenmord und Vergewaltigung zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch den Demonstranten geht das nicht weit genug: Sie fordern die Todesstrafe.

Medienberichten zufolge versammelten sich neben Aktivisten, Politikern und Veteranen auch Tausende Studenten und Familien mit Flaggen und sangen die Nationalhymne – beides Symbole der Befreiungsbewegung von 1971. In Reden kritisierten Aktivisten das Urteil gegen Abdul Kader Mullah, Mitglied der islamistischen Partei Dschamaat-E-Islami, als „zu milde“. „Wir wollen, dass die Kollaborateure erhängt werden“, hieß es.

Das nationale Kriegsverbrecher-Tribunal hatte es als erwiesen angesehen, dass Mullah mit dem pakistanischen Militär kollaboriert hatte und für den Mord an mindestens 350 Zivilisten und der Vergewaltigung einer Frau verantwortlich war. Seit seiner Verurteilung am Dienstag wächst der Protest, bei dem mehrere Hundert Aktivisten zunächst eine zentrale Kreuzung besetzten und der nun in der Demonstration mündete. Die Protestierenden halten eine Haftstrafe einerseits für unverhältnismäßig und befürchten andererseits, dass die Strafe von einer Nachfolgeregierung aufgehoben werden könnte.

Auch die Dschamaat-E-Islami protestiert seit Tagen gegen das Urteil und fordert die Freilassung Mullahs. Die Regierung dagegen – die von der Tochter des Staatsgründers Sheikh Mujibur Rahman, Sheikh Hasina, angeführt wird – prüft, ob sie Rechtsmittel einlegen kann, um ein härteres Urteil zu erreichen.

Bangladesch wurde 1971 nach einem neunmonatigen Krieg von Pakistan unabhängig. Während des Krieges beging das pakistanische Militär gemeinsam mit bengalischen Kollaborateuren eine Vielzahl von Menschenrechtsverstößen, darunter Massaker an der Zivilbevölkerung, Vergewaltigungen, Entführungen und Folter. Insgesamt kam wohl eine halbe Million Menschen ums Leben.

Schon damals schlug sich die Dschamaat-E-Islami auf die Seite Pakistans. Viele Parteimitglieder begingen in organisierten Milizen Kriegsverbrechen, die bis heute unaufgeklärt blieben. Die Partei blieb nach der Unabhängigkeit Teil des politischen Geschehens und war auch zeitweise in der Regierung.

Kollaborateure wie Mullah, der im Volksmund „der Schlächter“ genannt wird, sind auch heute Teil der Partei. Ein weiteres Parteimitglied wurde Mitte Januar zum Tode verurteilt, ist aber vermutlich in Pakistan untergetaucht. Gegen weitere Parteimitglieder laufen derzeit Prozesse.

Die jetzige Regierungspartei Awami League hatte bereits vor der Wahl 2008 angekündigt, Kollaborateure und Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Das eingesetzte Kriegsverbrecher-Tribunal ist eins der ersten, die ohne die Unterstützung der UN eingerichtet wurden. Seit dem Beginn der Prozesse haben allerdings mehrere Skandale ihre Unabhängigkeit von der Regierung in Frage gestellt.

Der Protest in Dhaka ist einer der größten, der ohne Hilfe der großen politischen Parteien zustande gekommen ist. Die Protestierenden verwahren sich gegen jeden Anschein der parteipolitischen Ausrichtung: Als führende Politiker der Regierungspartei versuchten vor ihnen zu reden, wurden sie ausgebuht und mit Flaschen beworfen. Bei der Demonstration am Freitag waren Symbole und Plakate politischer Parteien explizit verboten.

Vereinzelt wird aber auch Kritik an der Forderung des Protestes laut. So schrieb der Autor und Künstler Naeem Mohaiemen in einem Blogeintrag: „Ich werde niemals für die Todesstrafe sein, aber wenn die Forderungen der Bewegung als eine Forderung für transparente, faire und unabhängige Prozesse gegen die Kriegsverbrecher interpretiert werden können, haben sie meine Unterstützung.“

Der Unabhängigkeitskriegs-Forscher Afsan Chowdhury wunderte sich zwar, dass kein Todesurteil gesprochen wurde, warnt aber vor dem Druck auf das Tribunal: „Bei der öffentlichen Verärgerung geht es um die unerfüllten Wünsche des Volkes. Das Ergebnis ist, dass nun ein erheblicher Druck auf die Regierung und das Tribunal lastet, 'volksfreundliche' Urteile zu sprechen.“

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6 Kommentare

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  • G
    GermanBangla

    Hallo,

     

    wie bereits beschrieben liegt die Zahl der getöteten Bengalen weitaus höher als 500.000 Menschen. Meine Familie war Zeitzeuge dieses Massakers und zeitweise ebenso auf der Flucht. Es war eine geplante Hinrichtung aller Intellektuellen und eine stückweise Zerstörung der öffentlichen Infrastruktur. Warum wohl hat ein bekannter pakistanischer General im Interview gerechtfertigt dass seine Truppen um den Geschlechtsakt auszuführen (..ich verkneife mir hier jetzt den genauen Wortton..) wohl schlecht in den Westen fahren können und dass wenn die Bengalen sich nicht unterwerfen wollen, man das Land zu einem der Bettler und Huren machen wolle. Öffentliches Interesse war zu diesem Zeitpunkt zwar von internationalen Regierungen gegeben aber meiner Meinung nach nur in einem "begrenzten" Umfang. Wir haben in den letzten 20 Jahren weitaus weniger schlimme Unruhen, Aufstände und Bürgerkriege erlebt in dem die internationalen Regierungen und die Politik weitaus höheres Interesse und Engagement gezeigt hat. 1971 hat in Bangladesch (oder vor der Unabhängigkeit: Ostpakistan) ein Krieg stattgefunden in dem Folter, Mord, Massaker an der Zivilbevölkerung, Vergewaltigung sowie Verstümmelung an der Tagesordnung war.

     

    Viele der heute demonstrierenden (..die größtenteils der jungen Generation angehören..) haben Familienmitglieder die diesen schwarzen Fleck in der Geschichte dieses jungen Landes miterlebt haben.

     

    Ich selbst war 2012 in Dhaka/Bangladesch und konnte miterleben dass die Ereignisse noch heute Gesprächthema jeder Politikdiskussion sind.

     

    Eine Aufarbeitung ist hier einfach noch nicht erfolgt. Bangladesch muss die Ereignisse um Ihren blutigen Unabhängigkeitskampf aufarbeiten. Die Demonstration die gerade stattfindet (..unabhängig von der Forderung der Demonstranten) ist in meinen Augen ein erster Schritt sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und für die öffentliche Meinung des Volkes einzustehen. Wer das politische Geschehen auf Sendern wie ATN Bangla, NTV, Channel I oder Bangla TV verfolgt sieht dass öffentliche Meinunskundtuung in Bangladesch noch immer ein sehr schwieriges Unterfangen ist. Eine Befreiung von arabischen Ländern nennt man in den allgemeinen Medien "Arabischer Frühling". Dies hier ist der Versuch der jungen Generation sich mit den vorhandenen Mitteln in Bangladesch, von der Vergangenheit abzunabeln. Eine Aufhebung der Strafe muss definitiv von einer Nachfolgeregierung befürchtet werden (Neuwahlen finden im Jahreswechsel 2013/2014 statt).

     

    Für kleine Vergehen wird die Todesstrafe verhängt. Hier wurde aber "nur" eine lebenslange Haft verhängt. Das empört die Menschen. Von einer Diskussion zur Todesstrafe sehe ich ab da auch größere Nationen wie die USA und Japan (..auch Japan führt die Todesstrafe durch Erhängen aus..) ebenso wenig international für deren Hinrichtungen kritisiert werden wie Bangladesch. Dies soll von meiner Seite aus kein PRO zur Todesstrafe sein doch eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Nationen zu diesem Thema lehne ich kategorisch ab.

  • LS
    Lalon Sander

    @Himu und @Suman Chowdhury: Vielen Dank für Ihre Hinweise. Die Zahl der Toten im Unabhängigkeitskrieg von Bangladesch ist höchst umstritten und die Zahl 3 Millionen die Angabe der Regierung von Bangladesch, bzw. die Obergrenze dieser Zahl. Ich habe mich im Artikel an den Schätzungen internationaler Medien orientiert und eine Diskussion der unterschiedlichen Zahlen wegen Platzgründen ausgelassen.

     

    Einen Überblick über die unterschiedlichen Schätzungen finden Sie hier: http://necrometrics.com/20c1m.htm#Bangladesh

     

    Eine Diskussion der Schätzungen hier: http://www.genocidebangladesh.org/

     

    @Naeem Mohaiemen: Thanks for the complete quote. Your blog post is linked in the text.

  • SC
    Suman Chowdhury

    Sie haben geschrieben,

     

    " Insgesamt kam wohl eine halbe Million Menschen ums Leben."

     

    Es wurde insgesamt 3 millionen von pakistanische Armee und ihre Kollaborateure getötet. Sehen Sie here :

     

    http://www.icsforum.org/

     

    und http://de.wikipedia.org/wiki/Bangladesch-Krieg

  • SC
    Suman Chowdhury

    Das Urteil ist begonnen. Das ist schon ein Sieg für die bangladeschische Bevölkerung. Es war die schmuzige Politik was es in den letzten 42 Jahren gestoppt hat. Deswegens, da es einmal begonnen ist muss das Ziel treffen. Die Bevölkerung will Todesstrafe für die Kriegsverbrecher, weil für solche Kriminalität keine andere Option nicht erwartet ist.

  • H
    Himu

    Eigentlich wurden ungefähr drei millionen Menschen in 1971 von der Pakistanischen Militär und ihren Kollaborateuren umgebracht. Dschamat-E-Islami versucht immer diese Anzahl auf drei hundert tausend zu senken.

  • NM
    Naeem Mohaiemen

    A small correct. My exact quote in English was:

     

    "If the demands of the movement can be interpreted as a demand for full, fair, and transparent trials for 1971 war criminals (including members of the Pakistan army, why is that demand never brought up?), I support that movement.

     

    I am never for death penalty, but I am for fair trials and life in prison if found guilty."

     

    http://alalodulal.org/2013/02/07/shahbag/