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Kriegsverbrechen in SyrienUSA sprechen von Assad-Krematorium

Die USA beschuldigen das syrische Regime, die Leichen von Getöteten zu verbrennen. Damaskus spricht von einem „Hollywood-Roman“.

Satellitenbilder zeigen das Saidnaja-Gefängnis bei Damaskus. Im rechten Gebäude sollen laut US-Regierung Hingerichtete massenweise verbrannt werden Foto: ap

BERLIN taz | Die USA haben das syrische Regime beschuldigt, Gefangene systematisch hinzurichten und die Leichen in einem Krematorium zu verbrennen. Dies solle Versuche erschweren, Beweise für die Verbrechen der syrischen Regierung zu sammeln.

In dem Militärgefängnis Saidnaja nahe Damaskus würden verschiedenen Quellen zufolge bis zu 50 Gefangene täglich hingerichtet, teilte das US-Außenministerium am Montag in Washington mit. Um das Ausmaß und Beweise für die Massentötungen zu vertuschen, sei spätestens 2013 mit der Einrichtung eines Krematoriums in einem der beiden Hauptgebäude des Gefängnis-Komplexes begonnen worden.

Stuart Jones, US-Diplomat für den Nahen Osten im US-Außenministerium, legte auf einer Pressekonferenz in Washington nach eigenen Angaben bisher geheimgehaltene Satelliten-Aufnahmen vor. Auf diesen ist das Gebäude unter anderem im Winter zu sehen ist. An einer Stelle des Dachs, an der der Schnee geschmolzen zu sein scheint, soll sich das Krematorium befinden. „Wir gehen davon aus, dass das syrische Regime ein Krematorium eingerichtet hat, das die Überreste der Gefangenen beseitigen könnte“, sagte Jones.

Das syrische Außenministerium teilte laut der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana am Dienstag mit, es handele sich bei der Beschuldigung um einen „Hollywood-Roman“, der „frei von jeder Wahrheit“ sei.

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Neben Geheimdienstinformationen stützte Jones sich in seiner Präsentation auch auf Informationen von Amnesty International. Anfang Februar hatten die Menschenrechtler einen rund 40-seitigen Bericht über Saidnaja vorgelegt und das syrische Regime beschuldigt, zwischen 2011 und 2015 bis zu 13.000 Menschen außergerichtlich und systematisch hingerichtet zu haben. In dem Dokument ist von „Ausrottung“ eines Teils der syrischen Bevölkerung die Rede.

Baschar al-Assad bezeichnete den Bericht damals in einem Interview persönlich als „fake news“ (Video ab Minute 13:30). Sein Regime hat bislang aber keine Beweise dafür vorgelegt, dass die Informationen gefälscht sind. Von einem Krematorium in Saidnaja ist in dem Amnesty-Bericht nicht die Rede. Die Leichen, heißt es dort, würden in Massengräbern verscharrt.

Auch die in London ansässige oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat eigenen Angaben zufolge nicht ausreichend Informationen, um von einem Krematorium in Saidnaja sprechen zu können. Sie bekräftigte am Dienstag aber die Beschuldigung der USA, dass das Regime Massentötungen durchführe.

Parallelen zum Dritten Reich

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki R. Haley, zog unterdessen Parallelen zum Holocaust. „Der Versuch, Massentötungen im Assad-Krematorium zu vertuschen, erinnert an die schlimmsten Verstöße gegen die Menschlichkeit im 20. Jahrhundert“, sagte sie.

Ein israelischer Minister forderte anlässlich der Äußerungen des US-Außenministeriums, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu töten. „Es ist an der Zeit, Assad zu liquidieren“, sagte Bauminister Joav Galant am Dienstag bei einer Sicherheitskonferenz in Latrun.

Der Rest der Welt erkennt den Horror des syrischen Regimes an.

US-Botschafterin Nikki R. Haley

Die US-Regierung will mit der Beschuldigung offenbar den Druck auf das syrische Regime und Russland erhöhen, Assads engem Verbündeten im Syrienkonflikt. An diesem Dienstag hat in Genf eine neue indirekte Gesprächsrunde zwischen den syrischen Konfliktparteien begonnen. Bislang ist es dem UN-Vermittler Staffan de Mistura nicht gelungen, sie an einen Tisch zu bringen. Die Erwartungen, dass die neue Runde konkrete Fortschritte bringt, sind gering.

Die US-Regierung verband die Präsentation der Informationen zum möglichen Krematorium mit deutlichen Aufforderungen an Russland, die Unterstützung für das Assad-Regime einzustellen. „Der Rest der Welt erkennt den Horror des syrischen Regimes an“, sagte Haley, „es ist Zeit für Russland, sich uns anzuschließen.“

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7 Kommentare

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  • Der Kommentar wurde auf Wunsch des Verfassers entfernt. Die Moderation

    • @Henning Lilge:

      Muss mich korrigieren. Stand nicht in der TAZ sondern in einem anderen deutschen Medienblatt bzgl. Saudiarabien.

  • Die Todesstrafe ist ein Verbrechen. Das gilt für alle Staaten dieser Welt, natürlich auch Syrien, die USA oder evtl. zukünftig die Türkei. Die Todesstrafe ist umso probelmatischer, umso weniger gut die Gerichte gerecht urteilen. Das ist in den USA auf Grund des Rechtsystems nicht gut aber in der Türkei und erst recht in Syrien kritisch.

    Ob die "Beweise" tatsächlich Beweise sind, können die meisten nicht beurteilen. Auch wenn wir zu oft belogen worden sind, scheint es Assad zuzutrauen zu sein. Wäre gut, wenn die vorgelegten "Beweise" von einer unabhängigen Organisation überprüft werden könnten.

  • Tolles Satellitenbild übrigens! Aber warum eines aus dem Sommer? Sollte es nicht geschmolzenen Schnee zeigen?

    Egal, wer das Bild mal in Farbe sehen möchte: https://www.google.de/maps/place/Sednaya+Military+Prison,+Syrien/@33.665785,36.3250833,623a,35y,117h,31.38t/data=!3m1!1e3!4m5!3m4!1s0x1518ebe832c8fa3d:0x86f5b4d3ba81b644!8m2!3d33.6649777!4d36.330847?hl=de

  • 'einen rund 40-seitigen Bericht über die vereinigten Staaten vorgelegt und die amerikanische Regierung beschuldigt, zwischen 2011 und 2015 bis zu 13.000 Menschen außergerichtlich und systematisch hingerichtet zu haben'

     

    Dies wäre genau so stimmig..

     

    Und ehrlich, der Assad ist ein sehr schlechter Mensch aber Öfen? Zu dick aufgetragen würde der Hollywood Regisseur sagen

  • "Sein Regime hat bislang aber keine Beweise dafür vorgelegt, dass die Informationen gefälscht sind."

    Weshalb sollte es das tun, wäre die Frage an die Journalisten? Ist es nicht so, dass die USA Beweise vorlegen sollten, um die Stichhaltigkeit der "Informationen" zu belegen. "Kein Schnee auf dem Dach" ist doch etwas dünn.

     

    Weshalb nennt man das Gebäude auf dem obigen Foto denn "Probable crematorium"?

    Anscheinend hat man doch "Beweise" und diese gleich aus "verschiedenen Quellen", dass es tatsächlich ein Krematorium ist.

    Außerdem werden dort doch "Hingerichtete massenweise verbrannt". Dafür braucht man jedoch ein richtiges und kein "probable crematorium".

     

    "Von einem Krematorium in Saidnaja ist in dem Amnesty-Bericht nicht die Rede. Die Leichen, heißt es dort, würden in Massengräbern verscharrt."

    Das macht die ganze Nummer natürlich umso glaubwürdiger.

  • Trau schau wem? Vor kurzem erst wurden Nachrichten von Fotos getöteter Syrischer Gefangener von interessierter US Propaganda verbreitet. Die schiere Anzahl dieser Bilder als Beleg für systematisches Töten von Assad Foltertruppen verbreitet. Wochen später stellte sich heraus dass die syrische Armee flächendeckend Fotos von allen Toten macht die im Bürgerkrieg umkommen. Natürlich war dies dann keiner aufgebrachten Meldung mehr wert wie die der Beschuldigung zuvor. Wer alles glaubt was die USA so melden nimmt bewußt in Kauf dass er Falschmeldungen aufsitzt.

     

    Übrigens ist ein portables Krematorium im Bild so etwas wie eine mobile Biowaffenfabrik im Irak einstmals? Powell läßt grüßen?

    (Noch im Februar 2003 hatte der US-Außenminister vor dem UN-Sicherheitsrat behauptet, Irak verfüge über mobile Labors zur Herstellung von Biowaffen. Mit seiner Darstellung wollte Powell den späteren Angriff auf Irak rechtfertigen.)