piwik no script img

Kriegsopferrente für NazisDie Regierung bleibt untätig

Viele NS-Täter kassieren weiterhin Kriegsopferrenten – trotz eines anderslautenden Gesetzes. Die Regierung sieht keinen Änderungsbedarf.

Ruhe in Frieden? Auch Nazis dürfen das, denn die Regierung kümmert sich nicht Foto: dpa

Berlin taz | Die Bundesregierung will keine Initiative ergreifen, um die Zahlungen von Kriegsopferrenten an NS-Täter einzuschränken. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Volker Beck (Grüne) hervor, die der taz vorliegt.

„Gesetzesänderungen dazu sind nicht geplant“, antwortete die Bundesregierung auf eine entsprechende Frage Becks. Sie verwies auf die Zuständigkeit der Länder bei der Umsetzung des entsprechenden Bundesgesetzes, das einen Stopp der Kriegsopferrenten für den entsprechenden Personenkreis erlaubt. Diese Rente ist eine freiwillige Zahlung für infolge von Kriegsauswirkungen verletzte oder invalide Personen. Die Änderung des entsprechenden Gesetzes datiert aus dem Jahr 2008.

Erst vor wenigen Wochen war durch einen Schlussbericht des Bundesarbeitsministeriums bekannt geworden, dass es seit Änderung des Paragrafen 1a des Bundesversorgungsgesetzes lediglich in 99 Fällen zur Entziehung der Kriegsopferrente für NS-Täter oder deren Witwen gekommen ist.

Bei Verabschiedung des Gesetzes war man noch von wesentlich höheren Zahlen ausgegangen. Bis zu 50.000 Personen könnten betroffen sein, hieß es damals.

Die Behörden sind hilflos

Bei der Umsetzung des Gesetzes fiel das Engagement der Bundesländer höchst unterschiedlich aus. Während Baden-Württemberg offenkundig darum bemüht war, diese Renten für NS-Täter tatsächlich zu streichen, gelang es anderen Ländern wie Sachsen in keinem einzigen Fall, eine Kriegsopferrente zu streichen.

Die Behörden, so der Schlussbericht des Bundesarbeitsministeriums, litten an unvollständigem statistischem Material, fehlender Digitalisierung und zu geringenen personellen und materiellen Ressourcen.

Volker Beck beklagte in einer Stellungnahme den „tiefen Unwillen“ der Bundesregierung, sich mit dem Thema überhaupt zu beschäftigen. „Das ist eine unerträgliche Stilisierung ehemaliger Täter zu Opfern. Die Bundesregierung darf nicht weiter zulassen, dass ehemaliges KZ-Lagerpersonal und andere Kriegsverbrecher Zusatzrenten abkassieren“, schreibt Beck. Schon geringfügige gesetzliche Korrekturen könnten die offenkundigen Mängel im Gesetz beseitigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wundert das wirklich? Jahrzehnte lang wurden die Entschädigung der NS-Opfer und Zwangsarbeiter auf die lange Bank geschoben und nur wenige protestierten. Die Täter und ihre Angehörigen wurden dagegen problemlos weiter vom Staat alimentiert.

  • Und jetzt sollte man mal überlegen wie alt die heute noch lebenden NS Täter beim Kriegsende waren.

     

    Das Gesetz hätte in den 80er, 90er Jahren verbunden mit einer Einzelfallprüfung absolut Sinn gemacht.

    Selbst im Jahr 2008 als das Gesetz erlassen wurde wäre bei konsequenter Umsetzung noch so manchem ehemaligen dicken Fisch der Lebensabend vermasselt worden.

    Das da speziell in Sachsen gar nichts passiert ist tatsächlich ein Skandal.

     

    Nun sind wir allerdings beim letzten Absuchen und sicher lohnt es sich auch noch bei den Einzelfällen genau hinzuschauen, aber die meisten Zwangsgezogenen oder von Kindsbeinen zum "völkischen Idealismus" Sozialisierten fielen doch heute unters Jugendstrafrecht.

  • "...gelang es anderen Ländern wie Sachsen in keinem einzigen Fall, eine Kriegsopferrente zu streichen."

     

    Das hat wohl eher etwas mit fehlendem Willen zu tun.