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Kriegsgewöhnung, Lina E.und BundeswehrSelbstgetöpferter Tyrannenmord

Wer immer nur hören möchte, was er in seiner schmutzigen Seele eh schon geahnt hat, der wählt halt AfD - und hört dumpf weiter Rammstein.

Eva Högl musterte schon im Mai 23 den Bundestag Foto: Annegret Hilse/rtr

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Ukraine: Die Gewöhnung.

Und was wird nächste Woche besser?

Keine Gewöhnung an Gewöhnung.

Im Deutschlandtrend erreicht die AfD bei der Sonntagsfrage einen neuen Höchstwert, 18 Prozent. Damit liegt sie nun mit der SPD gleichauf. Ist die Ampel daran schuld?

Unschuldiger als die AfD kann man an ihrem Erfolg nicht sein. Nicht der Euro, Migration, Corona oder irgendwelche trendig braunen Accessoires beflügeln ihre Umfragen. „Die da oben können es nicht, und das aus bösem Willen“ hat auf ehemaligem DDR-Staatsgebiet eine gewisse Tradition – und klingt aktuell nach einer Selbstauskunft der Ampelmänner. Wer immer hören möchte, dass Habeck alles vergeigt, die FDP alles blockiert und Scholz alles laufen lässt, kann sich diese News beim Originalerzeuger abholen. Die Ampel – das Factory Outlet für Ampelstress. In uns schlummert mehr vordemokratische Sehnsucht nach dem, „der mal auf den Tisch haut“, als in dem, der mal auf den Tisch haut.

Haben Sie gerade noch Fragen an Robert Habeck?

Hm. „Wie wär’s mit Landwirtschaft?“ Das hat er gelernt in Schleswig-Holstein, auch Energiewende und Umwelt. Im Bund stapelt er auf die skurrile Gas­umlage eine Vetternwirtschaft-Affäre und ein Heizungsgesetz, das zunehmend an ein Schwarzes Loch erinnert: Wer zu nah dran kommt, den verschlingt’s. Habeck hat es meisterlich verstanden, sich beliebt zu machen. Nun kommt Stufe zwei: das Gegenteil überleben.

Lina E. wurde am Mittwoch zu 5 Jahren und 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Sind wir die Sorge Linksextremismus jetzt los?

Wer mit dem Hammer auf politische Gegner eintrümmert, ist nicht links oder rechts, sondern in erster Linie kriminell. Wir sind noch ein gutes Stück weit weg vom selbstgetöpferten Tyrannenmord und täten gut daran, jedwede politische Ummäntelung roher Gewalt nicht zu hoch zu heben. Die Taten müssen uns nicht sympathischer sein als die irgend eines Fußball-Hooligans, der seinen Gewaltfetisch halt mit einer anderen Ausrede auslebt.

Das deutsche Bildungssystem steckt in der Dauerkrise. Nun fordern Gewerkschaften und Bildungsverbände ein Sondervermögen von mindestens 100 Milliarden Euro. Wäre da die Forderung „Reiche Eltern für alle“ nicht am Ende realistischer?

Wenn das Schulsystem schon nicht funktioniert, kann es mit weiteren 100 Milliarden noch viel schöner nicht funktionieren – klar. Andere forderten bereits ein Sondervermögen Wohnen und eines für Bahn und Klima. Viel mehr als die Gesten kommt beim Modeartikel Sondervermögen nicht herum. Das deutsche Schulsystem selektiert statt zu fördern, man möchte sich nicht ausmalen, wie es jetzt noch 100 Milliarden besser selektiert.

SPD-Politikerin Eva Högel schlägt als Wehrbeauftragte eine Rückkehr zur Musterung vor, für alle Geschlechter. Bei Eignung sollen die jungen Menschen selbst entscheiden, ob sie sich „engagieren“ wollen. Wie würden Sie sich aktuell entscheiden?

Ich hatte vor meiner Musterung verweigert und wurde darauf mit einem angeborenen Sehfehler tauglich gemustert. Das Musterungsgremium schlug vor, ich möge die Verweigerung zurückziehen, nachdem mir nun eine glänzende Kar­riere etwa als Luftwaffenpilot offen stünde. Ich ersparte der Bundeswehr interessante Flugunfälle und leistete Zivildienst. Mag sein, dass die Kreiswehrersatzämter heute weniger korrupt wären – damals hätten sie auch den einarmigen Banditen zum Tennisbataillon kommandiert. Högls Kontakthof mag die Auswahl verbreitern, und man muss sich über jeden guten Bürger freuen, der einem Waffenjeck oder Vollnazi den Job beim Bund wegnähme. Vielleicht würden sie aber auch wieder ein Auge zudrücken, was bei mir ja egal ist.

Der Verlag Kiepenheuer & Witsch beendet die Zusammenarbeit mit Rammstein-Sänger Till Lindemann. Zu spät, zu früh oder gerade rechtzeitig?

Rammstein hat alle marktgängigen Tabus durch: Riefenstahl-Video, Splatter, Porno, Walhallamarsch. Im Kontext sexua­lisierter Gewalt verbieten sich rein ästhetische Betrachtungen. Also munter voraus: Rein ästhetisch ist dieser Skandal folgerichtig und imagegerecht. Und KiWi kann aussteigen oder weitermachen, es ist beides so falsch, wie die Band es immer zu nutzen verstand.

Und was machen die Borussen?

Dortmund hat Trainer Tuchel gefeuert, als er Pokalsieger wurde. Und liebt nun Trainer Terzic, der nicht Meister wurde. Erfolg ist was für Memmen.

Fragen: Adefunmi Olanigan, Ambros Waibel

Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und ist links 8 Dioptrien kurzsichtig, rechts 3 weit.

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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