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Kriegsangst im KongoEntscheidende Schlacht steht bevor

In Kongo stehen die Friedensgespräche zwischen Regierung und Rebellen vor dem Scheitern. Die nächste Kriegsrunde könnte auch Nachbarländer betreffen.

Sind jetzt alle verrückt geworden? Die Rebellen der M23 warten auf den Angriff des Gegners. Bild: ap

GOMA taz | An diesem Freitag soll sich entscheiden, ob die Demokratische Republik Kongo eine neue Kriegsrunde erleidet, die bereits vorab von allen Beteiligten als die entscheidende bezeichnet wird und die auch Nachbarländer in eine direkte Konfrontation hineinziehen könnte.

Die Friedensgespräche in Uganda zwischen Kongos Regierung und Ostkongos wichtigster Rebellenorganisation M23 (Bewegung des 23. März) werden nach Angaben von Beobachtern und Teilnehmern voraussichtlich am Freitag als gescheitert abgebrochen und die Delegationen werden die Heimreise antreten.

Beide Seiten haben an der Waffenstillstandslinie am nördlichen Stadtrand der Provinzhauptstadt Goma starke Truppeneinheiten zusammengezogen. Aus höchsten Kreisen von Kongos Regierungarmee sind extrem kriegerische Töne zu hören, die eine militärische Vernichtung der Rebellen und eine Ausweitung des Krieges auf den M23-Verbündeten Ruanda selbst um den Preis Tausender Toter empfehlen. Die M23 hat den Großteil ihrer Einheiten an die Front bei Goma geworfen und wartet dort nach eigenen Angaben auf den Angriff des Gegners.

Diese Woche ist es noch ruhig, weil es die Woche der Abschlussprüfungen an Kongos Schulen ist, traditionell eine Zeit, in der die Waffen schweigen. Die Woche geht mit Kongos Unabhängigkeitstag am 30. Juni zu Ende, die Prüfungen enden heute. Ab jetzt, das sagen Vertreter beider Kriegsparteien, können die Waffen wieder sprechen.

Staatliche Übergriffe auf Tutsi

In Goma mehren sich Übergriffe staatlicher Stellen an Tutsi, die pauschal als „fünfte Kolonne“ der Rebellen verdächtigt werden. Sie reichen von Schikanen an der Grenze nach Ruanda bis zu Entführungen in die 2.000 Kilometer entfernte Hauptstadt Kinshasa.

Die M23 entstand vor gut einem Jahr, als kriegserfahrene Tutsi-Generäle aus Kongos Armee desertierten. Sie übernahm die Kontrolle über einen Landstrich, der von Goma bis an die ugandische Grenze reicht, bildete eine Gegenregierung und knüpfte Allianzen mit lokalen Milizen im Ostkongo im Hinblick auf einen Sturz der Regierung von Präsident Joseph Kabila. Nachdem die Rebellen im November 2012 Goma elf Tage lang besetzt gehalten hatten, willigte die Regierung in Friedensgespräche ein, die aber nie sehr weit vorankamen.

Beide Seiten stehen sich seitdem hochgerüstet am nördlichen Stadtrand von Goma gegenüber, wo sie sich zuletzt Ende Mai tagelang mit schwerer Artillerie beschossen. Inzwischen haben die Rebellen neue Kampftruppen ausgebildet und an die Front geschickt, die Regierungsarmee erhält Verstärkung durch die 3.000 Mann starke neue UN-„Interventionsbrigade“ aus Südafrika, Tansania und Malawi, deren Mandat besteht, nicht nur defensiv zu agieren, sondern aus eigenem Antrieb heraus Offensiven gegen Rebellen zu führen. Aus Regierungssicht ist diese Brigade der Garant dafür, dass die internationale Gemeinschaft sie bedingungslos unterstützt.

Potential zur Eskalation

Darin steckt das Potential zu einer gefährlichen regionalen Eskalation. Goma liegt direkt an der Grenze zu Ruanda, und die Frontlinie nördlich der Stadt liegt in Sichtweite des Nachbarlandes. Ruanda gilt als Verbündeter der M23. Tansania gilt als zumindest politischer Verbündeter der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die im Kongo aktive Nachfolgeorganisation der Täter des Völkermordes an Ruandas Tutsi 1994, die heute an einigen Frontabschnitten gemeinsam mit Regierungstruppen steht.

Eine Konfrontation zwischen M23 und Regierungsarmee bei Goma könnte schnell in eine Konfrontation zwischen Ruanda und Tansania ausarten und einen Regionalkonflikt entfachen.

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6 Kommentare

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  • M
    mwanamke

    Dietmar Rieth: Ja, was Sie über Ruanda schreiben stimmt wohl. Darf allerdings nicht vergessen werden, dass Ruanda schon vor dem Genozid bekannt war als einer der ganz wenigen afrikanischen Staaten ohne Korruption. Nach Ruanda verschickte Päckchen z.B. kamen i.d.R mit vollständigem Inhalt beim Empfänger an, was sehr viel heißen will. Will sagen: Es ist natürlich ein Beispiel, das Hoffnung macht, lässt sich aber nicht unbedingt übertragen auf die gesamte D.R.C..

    Auch Tansania wäre zu nennen als Beispiel für ein Land, das sich stabil entwickelt hat aufgrund guter Staatsführung, auch wenn es nicht über nennenswerte Reichtümer verfügt. "Gute Staatsführung" wäre hier wohl das "Zauberwort". Etwas, das der DRC leider immer noch fehlt und dort auch nicht zu sehen ist.

    Und um auf Ruanda zurückzukommen: Gerade für den Osten der DRC könnte Ruanda ein wunderbarer Partner sein, es gibt dort gute Straßen, einen ordentlichen int. Flughafen und vor allem: Sicherheit und Ordnung (im Sinne von Recht). Leider wird aber Ruanda von der kongolesischen Führung zum Feind stilisiert und die intellektuelle Diaspora und sogar die Opposition schlagen in die gleiche Kerbe. So ist der gemeinsame Feind Ruanda und die Bekämpfung der M23 derzeit ein Thema, mit dem Kabila immer punkten kann. Dabei geht die Aufmerksamkeit für die Realpolitik verloren und es ist abzusehen, dass Kabila sich über eine Verfassungsänderung eine zweite Amtszeit sichert und so das Elend des Landes auf unabsehbare Zeit festgeschrieben wird. Und das alles mit Hilfe der UN und gewisser Mächte, die natürlich ihre gewissen Interessen verfolgen (z.B. das Öl im Virunga-Park).

     

    Und ganz nebenbei wäre zu sagen (was die bewaffneten Gruppen und "Warlords" betrifft): Davon werden nicht wenige von der Zentralregierung unterstützt, u.a. auch die FDLR. Auch dies wird weitgehend ignoriert.

  • DR
    Dietmar Rieth

    Natürlich braucht man eine gewisse Klarheit und Einfachheit in der Vorstellung um auszudrücken welches Ziel in der Region der Großen Seen erreicht werden soll. Was ich mit staatlichem Gewaltmonopol meine ist -auf afrikanische Art und Weise- ansatzweise und entwicklungsfähig im Nachbarland der DRC in Ruanda realisiert. Diese Wirkung innerer und äußerer Sicherheit als Grundlage für jegliche soziale und wirtschaftliche Entwicklung habe ich, aus eigener Erfahrung und eigenem Erleben bei vielen Besuchen und Gesprächen, seit 1995 mit Menschen in Ruanda kennengelernt.

     

    Die M23 ist e i n e Rebellengruppe, aber auch sie muß sich letztlich dem Gewaltmonopol der UN unterwerfen. Von mir wird nicht behauptet, dass die M23 das Hauptproblem in dieser Region ist.

     

    Da spielen sicherlich viele Rohstoff- und Machtinteressen diverser ausländischer Staaten und Konzerne eine größere und unrühmlichere Rolle.

     

    Sicherlich tragen aber die bewaffneten Gruppen und Warlords ihren Teil dazu bei, sowie die schwache Zentralregierung der DRC, dass die Situation seit über 10 Jahren so verheerend ist wie sie ist, und das unter den Augen der größten UN Mission aller Zeiten.

     

    Deshalb ist meine ehrliche Hoffnung, dass die Staaten um die Großen Seen gemeinsam mit der UNO innere Sicherheit und staatlich akzeptierte Strukturen und politisch stabile Regionen schaffen können.

     

    Möglicherweise ist die riesige DRC nur als föderaler Staat regierbar. Wie das gehen könnte zeigen u.a. auch europäische Staaten die sich bis zu dieser Erkenntnis lange und blutige Kriege geliefert haben.

  • I
    Irmi

    Was mich traurig und sauer macht ist, das von dem Leid, von den immer wieder kehrenden Kriegen im Kongo hier nicht berichtet wird, schon gar nicht die Fernsehanstalten.

     

    Wenn in div, Ländern demonstriert wird, gibt es ein Gedöns und eine Wust an Informationen und Reaktionen dazu. Doch wenn es um Afrika geht, besonders um den Kongo, herrscht ein Gleichgültigkeit, die nicht nachvollziehbar ist.

     

    Wenn in Indien Frauen oder Mädchen vergewaltigt werden, berichten auch die Fernsehanstalten, wenn in Kongo Hunderttausende Frauen, Mädchen, sogar kleine Kinder vergewaltigt werden, den Frauen sogar heißes Plastik in die Vagina geschoben wird, oder ihnen ein Gewehr eingeführt wird und abgedrückt, regt sich kein Mensch auf. Das diese Frauen an den Folgen der Vergewaltigungen mit schwersten Verletzungen leiden, die Kinder der Vergewaltiger unter schwierigsten Bedingungen aufziehen müssen, kein Wort dazu.

     

    So zeigt sich doch wieder ganz deutlich, Menschen mit schwarzer Haut sind uns edlen Weißen heute noch nichts wert, als gäbe es sie nicht, als würden die keine Schmerzen empfinden.

     

    Berichtet jemand, das die Ehemänner zusehen müssen wie die Soldaten ihre Frauen vergewaltigen und wie die Ehemänner der Frauen von den Milizen der Armeen zerhackt werden ?

  • M
    mwanamke

    @Dietmar Rieth:

     

    "Möge die internationale Gemeinschaft endlich, vertreten durch die UN und die OAU vor Ort, ihr Mandat das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen endlich nutzen, natürlich und hoffentlich mit weitgehender Vermeidung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung und unschuldiger Männer, Frauen und Kinder, die keine Chance auf Gegenwehr oder Flucht haben."

    Wie naiv muss man sein, um solch ein Statement abzugeben? Glauben Sie wirklich, es ist hier möglich unter " weitgehender Vermeidung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung" ein "staatliches Gewaltmonopol" durchzusetzen?? Wobei Sie natürlich bei dem Begriff "staatliches Gewaltmonopol" eine Vorstellung haben von dem einer demokratischen Gesellschaftsordnung wie hier in der B.R.D., deshalb sei ihnen ihre Blauäugigkeit verziehen. Leider haben Sie aber, wie so viele andere, anscheinend noch nicht begriffen, dass dieses "staatliche Gewaltmonopol" in der betroffenen Gegend eine völlig andere Bedeutung hat. Denn es gibt bis jetzt keine staatliche Ordnungsmacht, die in der Lage wäre, für Recht, Gesetz und Ordnung zu sorgen in einer Art und Weise, wie Ihnen das sicherlich vorschwebt. Und leider muss unterstellt werden, dass es seitens der derzeit regierenden Staatsmacht auch gar nicht unbedingt so gewollt ist. Auch das eine Tatsache, die gerne geflissentlich übersehen wird.

    Ganz abgesehen davon, dass die Einsatztruppe in der derzeitigen Stärke auch gar nicht in der Lage sein dürfte, in einer großangelegten Aktion für Ordnung in der gesamten Region zu sorgen. Denn sobald die geballte militärische Macht mit der M23 beschäftigt ist, werden an anderer Stelle andere Gruppen zuschlagen, die dann aufgrund fehlender Militärpräsenz ihre Stunde gekommen sehen. Auch das ist beileibe nichts Neues und letzten Endes einer der Gründe dafür, dass die Rebellengruppen nicht ab- sondern zunehmen, weil die Bevölkerung immer wieder mit der Notwendigkeit konfrontiert ist, sich selbst zu verteidigen.

    Leider gehen Sie den Darstellungen auf den Leim, wonach die M23 DIE Bedrohung darstellt, nach deren Eliminierung es möglich sein, den Frieden herzustellen. Entschuldigung, aber eine solche Vorstellung ist, gelinde gesagt, einfach lachhaft.

     

    Was hier passiert ist die Schaffung eines neuen Krisenherdes. Auf unabsehbare Zeit wird ein militärisches Eingreifen zugunsten einer maroden, korrupten, kriminellen Regierung hier keinen Frieden und schon gar keine Demokratie bringen, sondern nur neues Leid, Ungerechtigkeit und Hoffnungslosigkeit.

  • DR
    Dietmar Rieth

    Möge die internationale Gemeinschaft endlich, vertreten durch die UN und die OAU vor Ort, ihr Mandat das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen endlich nutzen, natürlich und hoffentlich mit weitgehender Vermeidung von Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung und unschuldiger Männer, Frauen und Kinder, die keine Chance auf Gegenwehr oder Flucht haben.

     

    Ich hoffe, dass diese notwendige und überfällige Klärung der Machtverhältnisse in der Region um die Grossen Seen, durch die o.g. Ordnungsmächte kurz und effektiv erfolgen kann.

     

    Das Leiden der Menschen hat lange genug gedauert. Es ist höchste Zeit für eine dauerhafte und stabile Entwicklung zu sorgen, damit die traumatischen Erfahrungen der letzten und dieser Generation einen Endpunkt erfahren und sich nicht ewig fortsetzen.

     

    Die Länder um die Großen Seen sind reich und die Menschen intelligent genug um die Möglichkeiten für ausreichenden Wohlstand und ein sicheres Leben zu erkennen und zu sorgen. Aber die innere und äußere Sicherheit muß dazu gewährleistet werden, ohne die es keine zivilgesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Entwicklung geben kann.

     

    Die internationale Gemeinschaft muß dies endlich ebenso wollen und unterstützen, dann kann es gelingen.

  • I
    Irmi

    Oh mein Gott, wieder viele Tote, wieder vergewaltigte Frauen und Mädchen, wieder zerhackte Männer, wieder Raubzüge bekiffter Soldaten und Milizen ?

     

    Ich dachte die Blauhelme wurden verstärkt auch mit einem robusten Mandat, was ist damit ? Oder wird den Menschen nur dann geholfen, wenn sie den halben Kongo abtreten an Amerika, China, Ruanda od. Angola, Milizen und Rebellen, Diebe im eigenen Land oder die sog. Investoren ?

     

    Warum lässt man den Kongo rein menschlich gesehen so sehr im Stich, es geht hier doch auch um viel Leid der Bevölkerung, vor allem um die Frauen und Kinder, die ein Trauma nach dem anderen durchmachen müssen seit etwa 15 Jahren !!!!!!!!!!