Krieg zwischen Israel und Hisbollah: Nur Erfolge auf allen Seiten
Nach ihrem jüngsten Schlagabtausch im Schatten der Geiselverhandlungen reden Hisbollah und Israel Schäden auf der eigenen Seite klein. Und nun?
Israel feiert, dass es in einem Präventivschlag – nachdem es Vorbereitungen für einen Hisbollah-Angriff entdeckt hatte – nach eigenen Angaben tausende Hisbollah-Raketen und Abschussrampen zerstörte. Die zu ähnlicher Zeit über 300 gestarteten Hisbollah-Raketen und Drohnen seien abgefangen wurden und hätten praktisch keinen Schaden angerichtet.
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah betonte in einer Rede am Montag hingegen, dass trotz des vorbeugenden israelischen Militärschlages über 300 Raketen abgefeuert wurden. Diese hätten einen Korridor für die Drohnen geöffnet, die bis zum Hauptquartier des israelischen Militärgeheimdienstes in der Nähe von Tel Aviv geflogen seien. Und auch Nasrallah behauptete, dass beim israelischen Gegenangriff nur leere Täler im Südlibanon getroffen worden seien. Überprüfen lässt sich das alles nicht.
Beide Seiten haben wohl nur militärische Ziele ins Visier genommen, keine zivilen Bevölkerungszentren. Sie haben sich dabei weiter an die ungeschriebenen Regeln gehalten, die für ihre Konfrontationen seit dem letzten Krieg zwischen Israel und Hisbollah im Jahr 2006 gelten.
Auf kleiner Flamme geht der Krieg weiter
Beide Seiten betonten auch: Das sei noch nicht das Ende. Nasrallah erklärte in seiner Rede, dass der Hisbollah-Militärschlag evaluiert werden müsse: ob er ausreiche, Israel so weit abzuschrecken, dass es keine weiteren gezielten Tötungsaktionen im Libanon mehr durchführe, wie jüngst gegen den Hisbollah-Kommandanten Fuad Schukr.
Netanjahu sagte praktisch das Gleiche: dass der militärische Austausch am Montag nicht das Ende der Geschichte sei. Und um den Abschreckungseffekt, auf den Nasrallah hofft, für nichtig zu erklären, zielte eine israelische Drohne prompt am Mittwoch im Südlibanon auf das Fahrzeug eines bisher nicht namentlich genannten palästinensischen Repräsentanten. Der kam angeblich nur leicht verletzt davon.
Trotz aller Rhetorik: Das Loben des eigenen Erfolgs, gepaart mit dem Herunterspielen der Schäden auf der jeweils eigenen Seite, zeigt, dass weder die Hisbollah noch Israel derzeit an einer großen Eskalation interessiert sind. Und dass sie sich erst einmal mit dem Erreichten zufriedengeben. Auf kleiner Flamme wird der Kleinkrieg an der israelisch-libanesischen Grenze trotzdem weitergehen.
Anders als Israel behauptet, ist die Hisbollah wahrscheinlich nicht wirklich militärisch angeschlagen. Am Montag schoss die schiitische Miliz vor allem billige, unpräzise Katjuscha-Raketen mit einer geringen Traglast ab sowie Drohnen. Das zielgenauere und sprengkräftigere Raketenpotenzial der Hisbollah ist weiter unter Verschluss geblieben.
Auskundschaften für das was kommen soll
Nasrallah hat weitere Angriffsphasen zu einem späteren Zeitpunkt bereits angekündigt. Und die Hisbollah erklärte, dass sie mit jedem Angriff auf Israel das Verteidigungssystem des südlichen Nachbarlandes mehr auskundschafte – für das, was später kommen soll.
Unklar ist außerdem, was der Iran oder die Houthi-Rebellen im Jemen noch in petto haben. Nasrallah erklärte, man habe sich mit beiden beraten und sich gegen einen koordinierten Schlag entschieden. Die Parteien könnten individuell antworten. Und die Drohkulisse wird somit aufrechterhalten.
Bleibt die Frage nach dem Timing: Israel hatte Wochen darauf gewartet, wie die Antwort der Hisbollah auf den Tod ihres Kommandanten Schukr ausfallen würde. Warum hat die Hisbollah gerade diesen Zeitpunkt gewählt? Zuvor war spekuliert worden, dass sie mit ihrem Schlag abwarte, wie die Waffenstillstandsverhandlungen in Kairo ausgehen.
Nun hat sie aber doch nicht gewartet. Man könnte interpretieren, dass die Hisbollah mehr Druck auf die Verhandlungen aufbauen wollte. Denn ihr erklärtes Ziel ist es, Israel zu einem Ende der militärischen Offensive im Gazastreifen zu bringen.
Waren die USA Adressat der Botschaft der Hisbollah?
Trotz allen von den USA verbreiteten Optimismus zu den Verhandlungen gehen diese nicht voran. Netanjahu möchte sich die Option offenhalten, selbst bei einem Waffenstillstand die israeliche Offensive zu einem späteren Zeitpunkt weiterzuführen. Und er möchte, dass israelische Truppen in Teilen des Gazastreifens stationiert bleiben.
Die Hamas will das Gegenteil: einen permanenten Waffenstillstand und den vollkommenen Abzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen. Beide Delegation sind nun erst einmal aus Kairo abgereist. Der Angriff der Hisbollah könnte somit ein klassischer Warnschuss vor den Bug gewesen.
Ob das den israelischen Premier Benjamin Netanjahu beeindruckt, sei dahingestellt. Vielleicht waren vielmehr die USA Adressat der Botschaft der Hisbollah: Diese könne den regionalen Konflikt jederzeit eskalieren lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt