Krieg in der Ukraine: Armeechef Saluschnyj gefeuert
Präsident Selenskyj entlässt den Oberkommandierenden der Streitkräfte Waleryj Saluschnyj. Der Schritt kommt nicht überraschend.
Wirklich überraschend kommt die Entlassung von General Saluschnij, der seit 2021 die ukrainischen Truppen befehligt und im Volk sehr beliebt ist, nicht. Seit Ende vergangenen Jahres hatten immer wieder ukrainische und internationale Medien von einem angeblichen Zerwürfnis zwischen den beiden berichtet.
Erstmals öffentlich geworden waren die Differenzen mit der Veröffentlichung eines Artikels von Saluschniy im November im britischen Economist. Darin hatte dieser erklärt, er halte es nicht für realistisch, an einen schnellen Sieg zu glauben. Schon damals hatte sich Saluschnyj für eine schärfere Gangart bei der Mobilisierung der Streitkräfte ausgesprochen.
Und auch im Vorfeld der Debatten ein neues Gesetz zur Mobilisierung war es zwischen Präsident und Oberkommandierendem zu Differenzen wegen der Mobilisierung gekommen. Die von Saluschyj geforderte Mobilisierung von weiteren 400 000 Soldaten hielt Präsident Selenskyj für nicht umsetzbar.
Notwendige Modernisierung
Am frühen Donnerstag Abend hatte Präsident Selenskyj über Telegram von einem Treffen mit Saluschnyj berichtet. Bei diesem Treffen habe er Saluschnyj für zwei Jahre der Verteidigung der Ukraine gedankt. Gleichzeitig habe man auch über eine notwendige Modernisierung der ukrainischen Streitkräfte und über Personen gesprochen, die Führungspositionen in der ukrainischen Armee übernehmen können.
„Die Zeit für eine solche Erneuerung ist genau jetzt. Ich habe Walery Fedorovich angeboten, weiterhin im Team zu sein. Wir werden definitiv gewinnen! Ruhm für die Ukraine!“ – schrieb Selenski auf Telegram. Das Wort „Entlassung“ sucht man vergeblich in diesem Text.
Saluschnyj schrieb fast gleichzeitig ebenfalls auf Telegram und formulierte nebulös, dass der Kampf weitergehe und sich „die Aufgaben des Jahres 2022 von denen des Jahres 2024 unterscheiden“, so dass „jeder sich ändern und an die neuen Realitäten anpassen muss“.
Im Gespräch mit dem Präsidenten habe man entschieden, dass es „notwendig ist, Ansätze und Strategien zu ändern“, so Saluschnyj. Doch weniger später war Schluß mit dem Austausch von Nettigkeiten. Er habe Oleksandr Syrskyj zum neuen Oberkommandierenden ernannt, ließ Präsident Selenski verlauten.
Held der Ukraine
Syrsky hatte bereits seit 2014 die ukrainischen Truppen der „Antiterroroperation“ im Osten des Landes befehligt. Für die erfolgreiche Verteidigung von Kyjiw war er mit dem Orden Bohdan Chmelnyzkyj zweiter Klasse ausgezeichnet worden, am 5. April 2022 erhielt er den Titel eines Helden der Ukraine.
Im September 2022 war es Oleksandr Syrskyi, der die Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte in der Region Charkiw geleitet hatte. Dabei hatten die ukrainischen Soldaten die Orte Balakliya, Kupiansk und Izium zurückerobert.
Nun stellen sich viele die Frage, welche Pläne der im Land sehr populäre Waleryj Saluschnyj wohl hat. Auf Selenskis Angebot, weiterhin im Team mitzuarbeiten, hat er bisher nicht geantwortet. Unterdessen berichtet das russische Verteidigungsministerium von einem erneuten Gefangenenaustausch von jeweils hundert Kriegsgefangenen. Die Ukraine hat diese Information nicht bestätigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin