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Krieg in der UkraineHumanitäre Katastrophe in Mariupol

Ein Luftangriff verschüttet Hunderte Schutzsuchende. Nach Angaben des UNHCR sind zehn Millionen Menschen in und aus der Ukraine auf der Flucht.

Bewohner holen Wasser aus einem Geschäft. Mariupol am 18. März Foto: Alexei Alexandrov/ap

Berlin taz | „Einer friedlichen Stadt dies anzutun, ist Terror, an den man sich noch in Jahrhunderten erinnern wird“: So hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski am Sonntag die Lage in Mariupol beschrieben, einer Stadt mit 400.000 Einwohnern unter Dauerbeschuss, ohne Strom und Wasser und ohne Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung. 90 Prozent aller Gebäude dort sind laut Stadtverwaltung mittlerweile zerstört, über 2.500 tote Zivilisten mussten geborgen werden.

Am Sonntag wurde laut Behörden die Kunstschule G12 durch einen russischen Bombenangriff völlig zerstört. In der Kunstschule sollen rund 400 Menschen Schutz gesucht haben. Wie bereits im Falle des Theaters von Mariupol, das am Mittwoch mit bis zu 1.500 Schutzsuchenden im Keller bombardiert worden war, sind nun mehrere hundert Menschen in der Kunstschule verschüttet.

Die Stadtverwaltung berichtete am Samstag, Tausende Menschen aus Mariupol seien nach Russland verschleppt worden. Einige seien in Lagern interniert, das Schicksal der anderen sei unbekannt, hieß es. 4.000 bis 4.500 seien mutmaßlich ohne ihre Papiere in die russische Stadt Taganrog gebracht worden. Russische Medien haben wiederholt Evakuierungen aus Mariupol nach Russland vermeldet und als Rettungsaktion dargestellt.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind jetzt in der Ukraine zehn Millionen Menschen auf der Flucht, knapp 3,4 Millionen von ihnen haben das Land verlassen. Der Bürgermeister des nordukrainischen Tschernihiw, Wladislaw Atroschenko, schilderte eine „absolute humanitäre Katastrophe“ in seiner Stadt. Es gebe „keinen Strom, keine Heizung und keine Wasserversorgung“.

Die Fronten sind eingefroren

Das Verteidigungsministerium in Moskau gab derweil den erneuten Einsatz hochmoderner Hyperschallraketen bekannt. Nachdem damit am Freitag bereits ein unterirdisches Waffendepot der ukrainischen Luftwaffe zerstört worden sei, habe die russische Armee mit weiteren Raketen vom Typ Kinschal (Dolch) Treibstofflager in der Region Mykolajiw zerbombt. Es ist nach Einschätzung von Militärexperten der erste Einsatz von Hyperschallraketen im Krieg jemals. Die Flugkörper können bei extremer Geschwindigkeit Höhe und Richtung ändern und somit Luftabwehr überwinden.

Solche Einsätze können nicht verbergen, dass Russland in der Ukraine keinen Boden mehr gewinnt. Die Fronten seien „praktisch eingefroren“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Oleksi Arestowitsch am Sonntag. Nach ukrainischen Angaben sind bislang im Krieg fast 15.000 russische Soldaten gefallen. Am Sonntag wurde der Tod des sechsten russischen Generals gemeldet. (mit afp, rtr)

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